1005 Die Kleider vom Leibe zogen die Andern da: In zwei weißen Hemden man beide stehen sah. Wie zwei wilde Panther liefen sie durch den Klee; Man sah bei dem Brunnen den schnellen Siegfried doch eh. 1006 Den Preis in allen Dingen vor Manchem man ihm gab. Da löst’ er schnell die Waffe, den Köcher legt’ er ab, Den starken Spieß lehnt’ er an den Lindenast. Bei des Brunnens Fluße stand der herrliche Gast. 1007 Die höfsche Zucht erwies da Siegfried daran; Den Schild legt’ er nieder, wo der Brunnen rann; Wie sehr ihn auch dürstete, der Held nicht eher trank Bis der König getrunken; dafür gewann er übeln Dank. 1008 Der Brunnen war lauter, kühl und auch gut; Da neigte sich Gunther hernieder zu der Flut. Als er getrunken hatte, erhob er sich hindann: Also hätt auch gerne der kühne Siegfried gethan. 1009 Da entgalt er seiner höfschen Zucht; den Bogen und das Schwert Trug beiseite Hagen von dem Degen werth. Dann sprang er zurücke, wo er den Wurfspieß fand, Und sah nach einem Zeichen an des Kühnen Gewand. 1010 Als der edle Siegfried aus dem Brunnen trank, Er schoß ihn durch das Kreuze, daß aus der Wunde sprang Das Blut von seinem Herzen an Hagens Gewand. Kein Held begeht wohl wieder solche Unthat nach der Hand. 1011 Den Gerschaft im Herzen ließ er ihm stecken tief. Wie im Fliehen Hagen da so grimmig lief, So lief er wohl auf Erden nie vor einem Mann! Als da Siegfried Kunde der schweren Wunde gewann, 1012 Der Degen mit Toben von dem Brunnen sprang; Ihm ragte von der Achsel eine Gerstange lang. Nun wähnt’ er da zu finden Bogen oder Schwert, Gewiß, so hätt er Hagnen den verdienten Lohn gewährt. 1013 Als der Todwunde da sein Schwert nicht fand, Da blieb ihm nichts weiter als der Schildesrand. Den rafft’ er von dem Brunnen und rannte Hagen an: Da konnt ihm nicht entrinnen König Gunthers Unterthan. 1014 Wie wund er war zum Tode, so kräftig doch er schlug, Daß von dem Schilde nieder wirbelte genug Des edeln Gesteines; der Schild zerbrach auch fast: So gern gerochen hätte sich der herrliche Gast. 1015 Da muste Hagen fallen von seiner Hand zu Thal; Der Anger von den Schlägen erscholl im Wiederhall. Hätt er sein Schwert in Händen, so wär er Hagens Tod. Sehr zürnte der Wunde, es zwang ihn wahrhafte Noth. 1016 Seine Farbe war erblichen; er konnte nicht mehr stehn. Seines Leibes Stärke muste ganz zergehn, Da er des Todes Zeichen in lichter Farbe trug. Er ward hernach betrauert von schönen Frauen genug. 1017 Da fiel in die Blumen der Kriemhilde Mann. Das Blut von seiner Wunde stromweis nieder rann. Da begann er die zu schelten, ihn zwang die große Noth Die da gerathen hatten mit Untreue seinen Tod. 1018 Da sprach der Todwunde: "Weh, ihr bösen Zagen, Was helfen meine Dienste, da ihr mich habt erschlagen? Ich war euch stäts gewogen und sterbe nun daran. Ihr habt an euern Freunden leider übel gethan. 1019 "Die sind davon bescholten, so viele noch geborn Werden nach diesem Tage: ihr habt euern Zorn Allzusehr gerochen an dem Leben mein. Mit Schanden geschieden sollt ihr von guten Recken sein." 1020 Hinliefen all die Ritter, wo er erschlagen lag. Es war ihrer Vielen ein freudeloser Tag. Wer Treue kannt und Ehre, der hat ihn beklagt: Das verdient’ auch wohl um Alle dieser Degen unverzagt. 1021 Der König der Burgunden klagt’ auch seinen Tod. Da sprach der Todwunde: "Das thut nimmer Noth, Daß der um Schaden weine, von dem man ihn gewann: Er verdient groß Schelten, er hätt es beßer nicht gethan." 1022 Da sprach der grimme Hagen: "Ich weiß nicht, was euch reut: Nun hat doch gar ein Ende, was uns je gedräut. Es gibt nun nicht manchen, der uns darf bestehn; Wohl mir, daß seiner Herrschaft durch mich ein End ist geschehn." 1023 "Ihr mögt euch leichtlich rühmen," sprach Der von Niederland. "Hätt ich die mörderische Weis an euch erkannt, Vor euch behütet hätt ich Leben wohl und Leib. Mich dauert nichts auf Erden als Frau Kriemhild mein Weib. 1024 "Nun mög es Gott erbarmen, daß ich gewann den Sohn, Der jetzt auf alle Zeiten den Vorwurf hat davon, Daß seine Freunde Jemand meuchlerisch erschlagen: Hätt ich Zeit und Weile, das müst ich billig beklagen. 1025 "Wohl nimmer hat begangen so großen Mord ein Mann," Sprach er zu dem König, "als ihr an mir gethan. Ich erhielt euch unbescholten in großer Angst und Noth; Ihr habt mir schlimm vergolten, daß ich so wohl es euch bot." 1026 Da sprach im Jammer weiter der todwunde Held: "Wollt ihr, edler König, noch auf dieser Welt An Jemand Treue pflegen, so laßt befohlen sein Doch auf eure Gnade euch die liebe Traute mein. 1027 "Es komm ihr zu Gute, daß sie eure Schwester ist: Sei aller Fürsten Tugend helft ihr zu jeder Frist. Mein mögen lange harren mein Vater und mein Lehn: Nie ist an liebem Freunde einem Weibe so leid geschehn." 1028 Er krümmte sich in Schmerzen, wie ihm die Noth gebot, Und sprach aus jammerndem Herzen: "Mein mordlicher Tod Mag euch noch gereuen in der Zukunft Tagen: Glaubt mir in rechten Treuen, daß ihr euch selber habt erschlagen. 1029 Die Blumen allenthalben waren vom Blute naß. Da rang er mit dem Tode, nicht lange that er das, Denn des Todes Waffe schnitt ihn allzusehr. Da konnte nicht mehr reden dieser Degen kühn und hehr. 1030 Als die Herren sahen den edlen Helden todt, Sie legten ihn auf einen Schild, der war von Golde roth. Da giengen sie zu Rathe, wie sie es stellten an, Daß es verhohlen bliebe, Hagen hab es gethan. 1031 Da sprachen ihrer Viele: "Ein Unfall ist geschehn; Ihr sollt es alle hehlen und Einer Rede stehn: Als er allein ritt jagen, der Kriemhilde Mann, Erschlugen ihn Schächer, als er fuhr durch den Tann." 1032 Da sprach von Tronje Hagen: "Ich bring ihn in das Land. Mich soll es nicht kümmern, wird es ihr auch bekannt, Die so betrüben konnte der Königin hohen Muth; Ich werde wenig fragen, wie sie nun weinet und thut." 1033 Von denselben Brunnen, wo Siegfried ward erschlagen, Sollt ihr die rechte Wahrheit von mir hören sagen. Vor dem Odenwalde ein Dorf liegt Odenheim. Da fließt noch der Brunnen, kein Zweifel kann daran sein. Abenteuer 17
Wie Siegfried beklagt und begraben ward
1034 Da harrten sie des Abends und fuhren über Rhein; Es mochte nie von Helden ein schlimmer Jagen sein. Ihr Beutewild beweinte noch manches edle Weib: Sein muste bald entgelten viel guter Weigande Leib. 1035 Von großem Uebermuthe mögt ihr nun hören sagen Und schrecklicher Rache. Bringen ließ Hagen Den erschlagen Siegfried von Nibelungenland Vor eine Kemenate, darin sich Kriemhild befand. 1036 Er ließ ihn ihr verstohlen legen vor die Thür, Daß sie ihn finden müße, wenn morgen sie herfür Zu der Mette gienge frühe vor dem Tag, Deren Frau Kriemhild wohl selten eine verlag. 1037 Da hörte man wie immer zum Münster das Geläut: Kriemhild die schöne weckte manche Maid. Ein Licht ließ sie sich bringen, dazu auch ihr Gewand; Da kam der Kämmrer Einer hin, wo er Siegfrieden fand. 1038 Er sah ihn roth von Blute, all sein Gewand war naß: Daß sein Herr es wäre, mit Nichten wust er das. Da trug er in die Kammer das Licht in seiner Hand, Bei dem da Frau Kriemhild viel leide Märe befand. 1039 Als sie mit den Frauen zum Münster wollte gehn, "Frau," sprach der Kämmerer, "wollt noch stille stehn: Es liegt vor dem Gemache ein Ritter todtgeschlagen." "O weh," sprach da Kriemhild, "was willst du solche Botschaft sagen?" 1040 Eh sie noch selbst gesehen, es sei ihr lieber Mann, An die Frage Hagens hub sie zu denken an, Wie er ihn schützen möchte: da ahnte sie ihr Leid. Mit seinem Tod entsagte sie nun aller Fröhlichkeit. 1041 Da sank sie zur Erden, kein Wort mehr sprach sie da; Die schöne Freudenlose man da liegen sah. Kriemhildens Jammer wurde groß und voll; Sie schrie nach der Ohnmacht, daß all die Kammer erscholl. 1042 Da sprach ihr Gesinde: "Es kann ein Fremder sein." Das Blut ihr aus dem Munde brach vor Herzenspein. "Nein, es ist Siegfried, mein geliebter Mann: Brunhild hats gerathen und Hagen hat es gethan." 1043 Sie ließ sich hingeleiten, wo sie den Helden fand; Sein schönes Haupt erhob sie mit ihrer weißen Hand. So roth er war von Blute, sie hat ihn gleich erkannt: Da lag zu großem Jammer der Held von Nibelungenland. 1044 Da rief in Jammerlauten die Königin mild: "O weh mir dieses Leides! Nun ist dir doch dein Schild Mit Schwertern nicht verhauen! dich fällte Meuchelmord. Und wüst ich, wer der Thäter wär, ich wollt es rächen immerfort." 1045 All ihr Ingesinde klagte laut und schrie Mit seiner lieben Frauen; heftig schmerzte sie Ihr edler Herr und König, den sie da sahn verlorn. Gar übel hatte Hagen gerochen Brunhildens Zorn. 1046 Da sprach die Jammerhafte: "Nun soll Einer gehn Und mir in Eile wecken Die in Siegfrieds Lehn Und soll auch Siegmunden meinen Jammer sagen, Ob er mir helfen wolle den kühnen Siegfried beklagen." 1047 Da lief dahin ein Bote, wo er sie liegen fand, Siegfriedens Helden von Nibelungenland. Mit den leiden Mären die Freud er ihnen nahm; Sie wollten es nicht glauben, bis man das Weinen vernahm. 1048 Auch kam dahin der Bote, wo der König lag. Siegmund der Herre keines Schlafes pflag, Als ob das Herz ihm sagte, was ihm wär geschehn, Er sollte seinen lieben Sohn lebend nimmer wiedersehn. 1049 "Wacht auf, König Siegmund, mich hieß nach euch gehn Kriemhild, meine Herrin; der ist ein Leid geschehn, Das ihr vor allem Leide wohl das Herz versehrt; Das sollt ihr klagen helfen, da es auch euch widerfährt." 1050 Auf richtete sich Siegmund und sprach: "Was beklagt Denn die schöne Kriemhild, wie du mir hast gesagt?" Der Bote sprach mit Weinen: "Sie hat wohl Grund zu klagen Es liegt von Niederlanden der kühne Siegfried erschlagen." 1051 Da sprach König Siegmund: "Laßt das Scherzen sein Mit so böser Märe von dem Sohne mein Und sagt es Niemand wieder, daß er sei erschlagen, Denn ich könnt ihn nie genug bis an mein Ende beklagen." 1052 "Und wollt ihr nicht glauben, was ihr mich höret sagen, So vernehmet selber Kriemhilden klagen Und all ihr Ingesinde um Siegfriedens Tod." Wie erschrak da Siegmund: es schuf ihm wahrhafte Noth. 1053 Mit hundert seiner Mannen er von dem Bette sprang. Sie zuckten zu den Händen die scharfen Waffen lang Und liefen zu dem Wehruf jammersvoll heran. Da kamen tausend Recken, dem kühnen Siegfried unterthan. 1054 Als sie so jämmerlich die Frauen hörten klagen, Da kam Vielen erst in Sinn, sie müsten Kleider tragen. Wohl mochten sie vor Schmerzen des Sinnes Macht nicht haben: Es lag in ihrem Herzen große Schwere begraben. 1055 Da kam der König Siegmund hin, wo er Kriemhild fand. Er sprach: "O weh der Reise hierher in dieses Land! Wer hat euch euern Gatten, wer hat mir mein Kind So mordlich entrißen, da wir bei guten Freunden sind?" 1056 "Ja, kennt ich Den," versetzte die edle Königin, "Hold würd ihm nimmer mein Herz noch mein Sinn: Ich rieth’ ihm so zum Leide, daß all die Freunde sein Mit Jammer weinen müsten, glaubt mir, von wegen mein." 1057 Siegmund mit Armen den Fürsten umschloß; Da ward von seinen Freunden der Jammer also groß, Daß von dem lauten Wehruf Palas und Saal Und Worms die weite Veste rings erscholl im Widerhall. 1058 Da konnte Niemand trösten Siegfriedens Weib, Man zog aus den Kleidern seinen schönen Leib, Wusch ihm seine Wunde und legt’ ihn auf die Bahr; Allen seinen Leuten wie weh vor Jammer da war! 1059 Es sprachen seine Recken aus Nibelungenland: "Immer ihn zu rächen bereit ist unsre Hand. Er ist in diesem Hause, von dem es ist geschehn." Da eilten sich zu waffnen die Degen in Siegfrieds Lehn. 1060 Die Auserwählten kamen in ihrer Schilde Wehr, Elfhundert Recken; die hatt in seinem Heer Siegmund der König: seines Sohnes Tod Hätt er gern gerochen, wie ihm die Treue gebot. 1061 Sie wusten nicht, wen sollten sie im Streit bestehn, Wenn es nicht Gunther wäre und Die in seinem Lehn, Die zur Jagd mit Siegfried geritten jenen Tag. Kriemhild sah sie gewaffnet: das schuf ihr großes Ungemach. 1062 Wie stark auch ihr Jammer, wie groß war ihre Noth, Sie besorgte doch so heftig der Nibelungen Tod Von ihrer Brüder Mannen, daß sie dawider sprach: Sie warnte sie in Liebe, wie immer Freund mit Freunden pflag. 1063 Da sprach die Jammerreiche: "Herr König Siegmund, Was wollt ihr beginnen? Euch ist wohl nicht kund, Es hat der König Gunther so manchen kühnen Mann: Ihr wollt euch all verderben, greift ihr solche Recken an." 1064 Mit auferhobnen Schilden that ihnen Streiten Noth. Die edle Königstochter bat und gebot, Daß es meiden sollten die Recken allbereit. Daß sie’s nicht laßen wollten, das war ein grimmiges Leid. 1065 Sie sprach: "Herr König Siegmund, steht damit noch an, Bis es sich beßer fügte: so will ich meinen Mann Euch immer rächen helfen. Der mir ihn hat benommen, Wird es mir bewiesen, es muß ihm noch zu Schaden kommen. 1066 "Es sind der Uebermüthigen hier am Rhein so viel, Daß ich euch zum Streite jetzt nicht rathen wilname = "note" Sie haben wider Einen immer dreißig Mann; Laß ihnen Gott gelingen, wie sie uns haben gethan. 1067 "Bleibt hier im Hause und tragt mit mir das Leid, Bis es beginnt zu tagen, ihr Helden allbereit: Dann helft ihr mir besargen meinen lieben Mann." Da sprachen die Degen: "Liebe Frau, das sei gethan." 1068 Es könnt euch des Wunders ein Ende Niemand sagen, Die Ritter und die Frauen, wie man sie hörte klagen, Bis man des Wehrufs ward in der Stadt gewahr. Die edeln Bürger kamen daher in eilender Schar. 1069 Sie klagten mit den Gästen: sie schmerzte der Verlust. Was Siegfried verschulde, war ihnen unbewust, Weshalb der edle Recke Leben ließ und Leib. Da weinte mit den Frauen manchen guten Bürgers Weib. 1070 Schmiede hieß man eilen und würken einen Sarg Von Silber und von Golde, mächtig und stark, Und ließ ihn wohl beschlagen mit Stahl, der war gut. Da war allen Leuten das Herz beschwert und der Muth. 1071 Die Nacht war vergangen: man sagt’, es wolle tagen. Da ließ die edle Königin hin zum Münster tragen Diesen edeln Todten, ihren lieben Mann. Mit ihr giengen weinend, was sie der Freunde gewann. 1072 Da sie zum Münster kamen, wie manche Glocke klang! Allenthalben hörte man der Pfaffen Sang. Da kam der König Gunther hinzu mit seinem Lehn Und auch der grimme Hagen; es wäre klüger nicht geschehn. 1073 Er sprach: "Liebe Schwester, o weh des Leides dein; Daß wir nicht ledig mochten so großen Schadens sein! Wir müßen immer klagen um Siegfriedens Tod." "Daran thut ihr Unrecht," sprach die Frau in Jammersnoth. 1074 "Wenn euch das betrübte, so wär es nicht geschehn. Ihr hattet mein vergeßen, das muß ich wohl gestehn, Als ich so geschieden ward von meinem lieben Mann. Wollte Gott vom Himmel, mir selber war es gethan." 1075 Sie hielten sich am Läugnen. Da hub Kriemhild an: "Wer unschuldig sein will, leicht ist es dargethan, Er darf nur zu der Bahre hier vor dem Volke gehn: Da mag man gleich zur Stelle sich der Wahrheit versehn." 1076 Das ist ein großes Wunder, wie es noch oft geschieht, Wenn man den Mordbefleckten bei dem Todten sieht, So bluten ihm die Wunden, wie es auch hier geschah; Daher man nun der Unthat sich zu Hagen versah. 1077 Die Wunden floßen wieder so stark als je vorher. Die erst schon heftig klagten, die weinten nun noch mehr. Da sprach König Gunther: "Nun hört die Wahrheit an: Ihn erschlugen Schächer; Hagen hat es nicht gethan." 1078 Sie sprach: "Diese Schächer sind mir wohl bekannt: Nun laß es Gott noch rächen von seiner Freunde Hand! Gunther und Hagen, ja ihr habt es gethan." Da wollten wieder streiten Die Siegfrieden unterthan. 1079 Da sprach aber Kriemhild: "Ertragt mit mir die Noth." Da kamen auch die Beiden, wo sie ihn fanden todt, Gernot ihr Bruder und Geiselher das Kind. Sie beklagten ihn in Treuen; ihre Augen wurden thränenblind. 1080 Sie weinten von Herzen um Kriemhildens Mann. Man wollte Messe singen: zum Münster heran Sah man allenthalben Frauen und Männer ziehn, Die ihn doch leicht verschmerzten, weinten alle jetzt um ihn. 1081 Geiselher und Gernot sprachen: "Schwester mein, Nun tröste dich des Todes, es muß wohl also sein. Wir wollen dirs ersetzen, so lange wir leben." Da wust ihr auf Erden Niemand doch Trost zu geben. 1082 Sein Sarg war geschmiedet wohl um den hohen Tag; Man hob ihn von der Bahre, darauf der Todte lag. Da wollt ihn noch die Königin nicht laßen begraben: Es musten alle Leute große Mühsal erst haben. 1083 In kostbare Zeuge man den Todten wand. Gewiss daß man da Niemand ohne Weinen fand. Aus ganzem Herzen klagte Ute das edle Weib Und all ihr Ingesinde um Siegfrieds herrlichen Leib. 1084 Als die Leute hörten, daß man im Münster sang Und ihn besargt hatte, da hob sich großer Drang: Um seiner Seele willen was man da Opfer trug! Er hatte bei den Feinden doch guter Freunde genug. 1085 Kriemhild die arme zu den Kämmerlingen sprach: "Ihr sollt mir zu Liebe leiden Ungemach: Die ihm Gutes gönnen und mir blieben hold, Um Siegfriedens Seele verteilt an diese sein Gold." 1086 Da war kein Kind so kleine, mocht es Verstand nur haben, Das nicht zum Opfer gienge, eh er ward begraben. Wohl an hundert Messen man des Tages sang. Von Siegfriedens Freunden hob sich da mächtiger Drang. 1087 Als die gesungen waren, verlief die Menge sich. Da sprach wieder Kriemhild: "Nicht einsam sollt ihr mich Heunt bewachen laßen den auserwählten Degen: Es ist an seinem Leibe all meine Freude gelegen. 1088 "Drei Tag und drei Nächte will ich verwachen dran, Bis ich mich ersättige an meinem lieben Mann. Vielleicht daß Gott gebietet, daß mich auch nimmt der Tod: So wäre wohl beendet der armen Kriemhilde Noth." 1089 Zur Herberge giengen die Leute von der Stadt. Die Pfaffen und die Mönche sie zu verweilen bat Und all sein Ingesinde, das sein billig pflag. Sie hatten üble Nächte und gar mühselgen Tag. 1090 Ohne Trank und Speise verblieb da mancher Mann. Wers nicht gern entbehrte, dem ward kund gethan, Man gab ihm gern die Fülle: das schuf Herr Siegmund. Da ward den Nibelungen viel Noth und Beschwerde kund. 1091 In diesen dreien Tagen, so hörten wir sagen, Muste mit Kriemhilden viel Mühsal ertragen, Wer da singen konnte. Was man auch Opfer trug! Die eben arm gewesen, die wurden nun reich genug. 1092 Was man fand der Armen, die es nicht mochten haben, Die ließ sie mit dem Golde bringen Opfergaben Aus seiner eignen Kammer: er durfte nicht mehr leben, Da ward um seine Seele manches Tausend Mark gegeben. 1093 Güter und Gefälle vertheilte sie im Land, So viel man der Klöster und guter Leute fand. Silber gab man und Gewand den Armen auch genug. Sie ließ es wohl erkennen, wie holde Liebe sie ihm trug. 1094 An dem dritten Morgen zur rechten Messezeit Sah man bei dem Münster den ganzen Kirchhof weit Von der Landleute Weinen also volname = "note" Sie dienten ihm im Tode, wie man lieben Freunden soll. 1095 In diesen vier Tagen, so hört ich immerdar, Wol an dreißigtausend Mark oder mehr noch gar Ward um seine Seele den Armen hingegeben, Indes war gar zerronnen seine große Schöne wie sein Leben. 1096 Als vom Gottesdienste verhallt war der Gesang, Mit ungefügem Leide des Volkes Menge rang. Man ließ ihn aus dem Münster zu dem Grabe tragen. Da hörte man auch anders nichts als Weinen und Klagen. 1097 Das Volk mit lautem Wehruf schloß im Zug sich an: Froh war da Niemand, weder Weib noch Mann. Eh er bestattet wurde, las und sang man da: Hei! was man guter Pfaffen bei seiner Bestattung sah! 1098 Bevor da zu dem Grabe kam das getreue Weib, Rang sie mit solchem Jammer um Siegfriedens Leib, Daß man sie mit Wasser vom Brunnen oft begoß: Ihres Herzens Kummer war über die Maßen groß. 1099 Es war ein großes Wunder, daß sie zu Kräften kam. Es halfen ihr mit Klagen viel Frauen lobesam. "Ihr, meines Siegfrieds Mannen," sprach die Königin, "Erweist mir eine Gnade aus erbarmendem Sinn. 1100 "Laßt mir nach meinem Leide die kleinste Gunst geschehn", Daß ich sein schönes Angesicht noch einmal dürfe sehn," Da bat sie im Jammer so lang und so stark, Daß man zerbrechen muste den schön geschmiedeten Sarg. 1101 Hin brachte man die Königin, wo sie ihn liegen fand. Sein schönes Haupt erhob sie mit ihrer weißen Hand Und küsste so den Todten, den edeln Ritter gut: Ihre lichten Augen vor Leide weinten sie Blut. 1102 Ein jammervolles Scheiden sah man da geschehn. Man trug sie von dannen, sie vermochte nicht zu gehn. Da lag ohne Sinne das herrliche Weib: Vor Leid wollt ersterben ihr viel wonniglicher Leib. 1103 Als der edle Degen also begraben war, Sah man in großem Leide die Helden immerdar, Die ihn begleitet hatten aus Nibelungenland: Fröhlich gar selten man da Siegmunden fand. 1104 Wohl Mancher war darunter, der drei Tage lang Vor dem großen Leide weder aß noch trank; Da konnten sie’s nicht länger dem Leib entziehen mehr: Sie genasen von den Schmerzen, wie noch Mancher wohl seither. 1105 Kriemhild der Sinne ledig in Ohnmächten lag Den Tag und den Abend bis an den andern Tag. Was Jemand sprechen mochte, es ward ihr gar nicht kund. Es lag in gleichen Nöthen auch der König Siegmund. 1106 Kaum daß ihn zur Besinnung zu bringen noch gelang. Seine Kräfte waren von starkem Leide krank: Das war wohl kein Wunder. Die in seiner Pflicht Sprachen: "Laßt uns heimziehn: es duldet uns hier länger nicht." Abenteuer 18
Wie Siegmund heimkehrte und Kriemhild daheim blieb
1107 Der Schwäher Kriemhildens gieng hin, wo er sie fand. Er sprach zu der Königin: "Laßt uns in unser Land: Wir sind unliebe Gäste, wähn ich, hier am Rhein. Kriemhild, liebe Fraue, nun folgt uns zu dem Lande mein. 1108 "Daß man in diesen Landen uns so verwaiset hat Eures edeln Mannes durch böslichen Verrath, Ihr sollt es nicht entgelten: hold will ich euch sein Aus Liebe meines Sohnes und des edeln Kindes sein. 1109 "Ihr sollt auch, Frau, gebieten mit all der Gewalt, Die Siegfried euch verstattete, der Degen wohlgestalt. Das Land und auch die Krone soll euch zu Diensten stehn. Euch sollen gern gehorchen Die in Siegfriedens Lehn." 1110 Da sagte man den Knechten: "Wir reiten heim vor Nacht." Da sah man nach den Rossen eine schnelle Jagd: Bei den verhaßten Feinden zu leben war ein Leid. Den Frauen und den Maiden suchte man ihr Reisekleid. 1111 Als König Siegmund gerne weggeritten wär, Da bat ihre Mutter Kriemhilden sehr, Sie sollte bei den Freunden im Lande doch bestehn. Da sprach die Freudenarme: "Das könnte schwerlich geschehn. 1112 "Wie vermocht ichs, mit den Augen den immer anzusehn, Von dem mir armen Weibe so leid ist geschehn?" Da sprach der junge Geiselher: "Liebe Schwester mein, Du sollst bei deiner Treue hier mit deiner Mutter sein. 1113 "Die dir das Herz beschwerten und trübten dir den Muth, Du bedarfst nicht ihrer Dienste, du zehrst von meinem Gut." Sie sprach zu dem Recken: "Wie könnte das geschehn? Vor Leide müst ich sterben, wenn ich Hagen sollte sehn." 1114 "Dessen überheb ich dich, viel liebe Schwester mein. Du sollst bei deinem Bruder Geiselher hier sein; Ich will dir wohl vergüten deines Mannes Tod." Da sprach die Freudenlose: "Das wäre Kriemhilden Noth." 1115 Als es ihr der Junge so gütlich erbot, Da begannen auch zu flehen Ute und Gernot Und ihre treuen Freunde, sie möchte da bestehn: Sie hätte wenig Sippen unter Siegfriedens Lehn. 1116 "Sie sind euch alle fremde," sprach da Gernot. "Wie stark auch einer gelte, so rafft ihn doch der Tod. Bedenkt das, liebe Schwester, und tröstet euern Muth: Bleibt hier bei euern Freunden, es geräth euch wahrlich gut." 1117 Da gelobte sie dem Bruder, im Lande zu bestehn. Man zog herbei die Rosse Denen in Siegmunds Lehn, Als sie reiten wollten gen Nibelungenland; Da war auch aufgeladen der Recken Zeug und Gewand. 1118 Da gieng König Siegmund vor Kriemhilden stehn Und sprach zu der Frauen: "Die in Siegfrieds Lehn Warten bei den Rossen: reiten wir denn hin, Da ich gar so ungern hier bei den Burgunden bin." 1119 Frau Kriemhild sprach: "Mir rathen hier die Freunde mein, Die besten, die ich habe, bei ihnen soll’ ich sein. Ich habe keinen Blutsfreund in Nibelungenland." Leid war es Siegmunden, da er dieß an Kriemhild fand. 1120 Da sprach König Siegmund: "Das laßt euch Niemand sagen: Vor allen meinen Freunden sollt ihr die Krone tragen Nach rechter Königswürde, wie ihr vordem gethan: Ihr sollt es nicht entgelten, daß ihr verloren habt den Mann. 1121 "Fahrt auch mit uns zur Heimat um euer Kindelein: Das sollt ihr eine Waise, Frau, nicht laßen sein. Ist euer Sohn erwachen, er tröstet euch den Muth. Derweil soll euch dienen mancher Degen kühn und gut." 1122 Sie sprach: "Mein Herr Siegmund, ich kann nicht mit euch gehn. Ich muß hier verbleiben, was halt mir mag geschehn, Bei meinen Anverwandten, die mir helfen klagen." Da wollten diese Mären den guten Recken nicht behagen. 1123 Sie sprachen einhellig: "So möchten wir gestehn, Es sei in dieser Stunde uns erst ein Leid geschehn. Wollt ihr hier im Lande bei unsern Feinden sein, So könnte Helden niemals eine Hoffahrt übler gedeihn." 1124 "Ihr sollt ohne Sorge Gott befohlen fahren: Ich schaff euch gut Geleite und heiß euch wohl bewahren Bis zu euerm Lande; mein liebes Kindelein Das soll euch guten Recken auf Gnade befohlen sein." 1125 Als sie das recht vernahmen, sie wolle nicht hindann, Da huben Siegfrieds Mannen all zu weinen an. Mit welchem Herzensjammer nahm da Siegmund Urlaub von Kriemhilden! Da ward ihm Unfreude kund. 1126 "Weh dieses Hofgelages!" sprach der König hehr. "Einem König und den Seinen geschieht wohl nimmermehr Einer Kurzweil willen, was uns hier ist geschehn: Man soll uns nimmer wieder hier bei den Burgunden sehn." 1127 Da sprachen laut die Degen in Siegfriedens Heer: "Wohl möchte noch die Reise geschehen hieher, Wenn wir den nur fanden, der uns den Herrn erschlug. Sie haben Todfeinde bei seinen Freunden genug." 1128 Er küsste Kriemhilden: kläglich sprach er da, Als er daheim zu bleiben sie so entschloßen sah: "Wir reiten arm an Freuden nun heim in unser Land! All mein Kummer ist mir erst jetzo bekannt." 1129 Sie ritten ungeleitet von Worms an den Rhein: Sie mochten wohl des Muthes in ihrem Sinne sein, Wenn sie in Feindschaft würden angerannt, Daß sich schon wehren solle der kühnen Niblungen Hand. 1130 Sie erbaten Urlaub von Niemanden sich. Da sah man Geiselheren und Gernot minniglich Zu dem König kommen; ihnen war sein Schade leid: Das ließen ihn wohl schauen die kühnen Helden allbereit. 1131 Da sprach wohlgezogen der kühne Gernot: "Wohl weiß es Gott im Himmel, an Siegfriedens Tod Bin ich ganz unschuldig: ich hört auch niemals sagen, Wer ihm Feind hier wäre: ich muß ihn billig beklagen." 1132 Da gab ihm gut Geleite Geiselher das Kind. Er bracht ohne Sorgen, die sonst bei Leide sind, Den König und die Recken heim nach Niederland. Wie wenig der Verwandten man dort fröhlich wiederfand! 1133 Wie’s ihnen nun ergangen ist, weiß ich nicht zu sagen. Man hörte hier Kriemhilden zu allen Zeiten klagen, Daß ihr Niemand tröstete das Herz noch den Muth Als ihr Bruder Geiselher: der war getreu und auch gut. 1134 Brunhild die schöne des Uebermuthes pflag: Wie viel Kriemhild weinte, was fragte sie darnach! Sie war zu Lieb und Treue ihr nimmermehr bereit; Bald schuf auch ihr Frau Kriemhild wohl so ungefüges Leid. Abenteuer 19
Wie der Nibelungenhort nach Worms kam
1135 Als die edle Kriemhild so verwitwet ward, Blieb bei ihr im Lande der Markgraf Eckewart Zurück mit seinen Mannen, wie ihm die Treu gebot. Er diente seiner Frauen willig bis an seinen Tod. 1136 Zu Worms am Münster wies man ihr ein Gezimmer an, Weit und geräumig, reich und wohlgethan, Wo mit dem Gesinde die Freudenlose saß. Sie gieng zur Kirche gerne, mit großer Andacht that sie das. 1137 Wo ihr Freund begraben lag, wie fleißig gieng sie Sie that es alle Tage mit trauerndem Sinn Und bat seiner Seele Gott den Herrn zu pflegen: Gar oft bejammert wurde mit großer Treue der Degen. 1138 Ute und ihr Gesinde sprachen ihr immer zu, Und doch im wunden Herzen fand sie so wenig Ruh, Es konnte nicht verfangen der Trost, den man ihr bot. Sie hatte nach dem Freunde die allergrößeste Noth, 1139 Die nach liebem Manne je ein Weib gewann: Ihre große Treue ersah man wohl daran. Sie klagt’ ihn bis zu Ende, da sie zu sterben kam. Bald rächte sie gewaltig mit großer Treue den Gram. 1140 Sie saß in ihrem Leide, das ist alles wahr, Nach ihres Mannes Tode bis in das vierte Jahr Und hatte nie zu Gunthern gesprochen einen Laut Und auch Hagen ihren Feind in all der Zeit nicht erschaut. 1141 Da sprach von Tronje Hagen: "Könnte das geschehn, Daß ihr euch die Schwester gewogen möchtet sehn, So käm zu diesem Lande der Nibelungen Gold: Des mögt ihr viel gewinnen, wird uns die Königin hold." 1142 "Wir wollen es versuchen," sprach der König hehr. "Es sollen für uns bitten Gernot und Geiselher, Bis sie es erlangen, daß sie das gerne sieht." "Ich glaube nicht," sprach Hagen, "daß es jemals geschieht." 1143 Da befahl er Ortweinen hin an Hof zu gehn Und dem Markgrafen Gere: als das war geschehn, Brachte man auch Gernot und Geiselhern das Kind: Da versuchten bei Kriemhilden sie es freundlich und gelind. 1144 Da sprach von Burgunden der kühne Gernot: "Frau, ihr klagt zu lange um Siegfriedens Tod. Der König will euch zeigen, er hab ihn nicht erschlagen: Man hört zu allen Zeiten euch so heftig um ihn klagen." 1145 Sie sprach: "Des zeiht ihn Niemand, ihn schlug Hagens Hand. Wo er verwundbar wäre, macht ich ihm bekannt. Wie konnt ich michs versehen, er trüg ihm Haß im Sinn! Sonst hätt ichs wohl vermieden," sprach die edle Königin, 1146 "Daß ich verraten hätte seinen schönen Leib: So ließ’ ich nun mein Weinen, ich unselig Weib! Hold werd ich ihnen nimmer, die das an ihm gethan!" Zu flehn begann da Geiselher, dieser waidliche Mann. 1147 Sie sprach: "Ich muß ihn grüßen, ihr liegt zu sehr mir an. Von euch ist’s große Sünde: Gunther hat mir gethan So viel Herzeleides ganz ohne meine Schuld: Mein Mund schenkt ihm Verzeihung, mein Herz ihm nimmer die Huld." 1148 "Hernach wird es beßer," ihre Freunde sprachen so. "Wenn ers zu Wege brächte, daß wir sie sähen froh!" "Er mags ihr wohl vergüten," sprach da Gernot. Da sprach die Jammersreiche: "Seht, nun leist ich eur Gebot: 1149 "Ich will den König grüßen." Als er das vernahm, Mit seinen besten Freunden der König zu ihr kam. Da getraute Hagen sich nicht, zu ihr zu gehn: Er kannte seine Schuld wohname = "note" ihr war Leid von ihm geschehn. 1150 Als sie verschmerzen wollte auf Gunther den Haß, Daß er sie küssen sollte, wohl ziemte sich ihm das. Wär ihr mit seinem Willen so leid nicht geschehn, So dürft er dreisten Muthes immer zu Kriemhilden gehn. 1151 Es ward mit so viel Thränen nie eine Sühne mehr Gestiftet unter Freunden. Sie schmerzt’ ihr Schade sehr. Doch verzieh sie allen bis auf den Einen Mann: Niemand hätt ihn erschlagen, hätt es Hagen nicht gethan. 1152 Nun währt’ es nicht mehr lange, so stellten sie es an, Daß die Königstochter den großen Hort gewann Vom Nibelungenlande und bracht ihn an den Rhein: Ihre Morgengabe war es und must ihr billig eigen sein. 1153 Nach diesem fuhr da Geiselher und auch Gernot. Achtzighundert Mannen Frau Kriemhild gebot, Daß sie ihn holen sollten, wo er verborgen lag Und sein der Degen Alberich mit seinen besten Freunden pflag. 1154 Als man des Schatzes willen vom Rhein sie kommen sah, Alberich der kühne sprach zu den Freunden da: "Wir dürfen ihr wohl billig den Hort nicht entziehn, Da sein als Morgengabe heischt die edle Künigin. 1155 "Dennoch sollt es nimmer," sprach Alberich, "geschehn, Müsten wir nicht leider uns verloren sehn Die gute Tarnkappe mit Siegfried zumal, Die immer hat getragen der schönen Kriemhild Gemahl. 1156 "Nun ist es Siegfrieden leider schlimm bekommen, Daß die Tarnkappe der Held uns hat genommen, Und daß ihm dienen muste all dieses Land." Da gieng dahin der Kämmerer, wo er die Schlüßel liegen fand.
1157 Da standen vor dem Berge, die Kriemhild gesandt, Und mancher ihrer Freunde: man ließ den Schatz zur Hand Zu dem Meere bringen an die Schiffelein Und führt’ ihn auf den Wellen bis zu Berg in den Rhein. 1158 Nun mögt ihr von dem Horte Wunder hören sagen: Zwölf Leiterwagen konnten ihn kaum von dannen tragen In vier Tag und Nächten aus des Berges Schacht, Hätten sie des Tages den Weg auch dreimal gemacht. 1159 Es war auch nichts anders als Gestein und Gold. Und hätte man die ganze Welt erkauft mit diesem Gold, Um keine Mark vermindern möcht es seinen Werth. Wahrlich Hagen hatte nicht ohne Grund sein begehrt. 1160 Der Wunsch lag darunter, ein golden Rüthelein: Wer es hätt erkundet, der möchte Meister sein Auf der weiten Erde wohl über jeden Mann. Von Albrichs Freunden zogen mit Gernot Viele hinan. 1161 Als Gernot der Degen und der junge Geiselher Des Horts sich unterwanden, da wurden sie auch Herr Des Landes und der Burgen und der Recken wohlgestalt: Die musten ihnen dienen zumal durch Furcht und Gewalt. 1162 Als sie den Hort gewannen in König Gunthers Land, Und sich darob die Königin der Herrschaft unterwand, Kammern und Thürme die wurden voll getragen; Man hörte nie von Schätzen so große Wunder wieder sagen. 1163 Und wären auch die Schätze noch größer tausendmal, Und wär der edle Siegfried erstanden von dem Fall, Gern wäre bei ihm Kriemhild geblieben hemdebloß. Nie war zu einem Helden eines Weibes Treue so groß. 1164 Als sie den Hort nun hatte, da brachte sie ins Land Viel der fremden Recken; wohl gab der Frauen Hand, Daß man so große Milde nie zuvor gesehn. Sie übte hohe Güte: das muste man ihr zugestehn. 1165 Den Armen und den Reichen zu geben sie begann. Hagen sprach zum König: "Läßt man sie so fortan Noch eine Weile schalten, so wird sie in ihr Lehn So manchen Degen bringen, daß es uns übel muß ergehn." 1166 Da sprach König Gunther: "Ihr gehört das Gut: Wie darf ich mich drum kümmern, was sie mit ihm thut? Ich konnt es kaum erlangen, daß sie mir wurde hold; Nicht frag ich, wie sie theilet ihr Gestein und rohes Gold." 1167 Hagen sprach zum König: "Es vertraut ein kluger Mann Doch solche Schätze billig keiner Frauen an: Sie bringt es mit Gaben wohl noch an den Tag, Da es sehr gereuen die kühnen Burgunden mag." 1168 Da sprach König Gunther: "Ich schwur ihr einen Eid, Daß ich ihr nie wieder fügen wollt ein Leid, Und will es künftig meiden: sie ist die Schwester mein." Da sprach wieder Hagen: "Laßt mich den Schuldigen sein." 1169 Sie nahmen ihre Eide meistens schlecht in Hut: Da raubten sie der Witwe das mächtige Gut. Hagen aller Schlüßel dazu sich unterwand. Ihr Bruder Gernot zürnte, als ihm das wurde bekannt. 1170 Da sprach der junge Geiselher: "Viel Leides ist geschehn Von Hagen meiner Schwester: dem sollt ich widerstehn: Wär er nicht mein Blutsfreund, es gieng’ ihm an den Leib." Wieder neues Weinen begann da Siegfriedens Weib. 1171 Da sprach König Gernot: "Eh wir solche Pein Um dieses Gold erlitten, wir solltens in den Rhein All versenken laßen: so gehört’ es Niemand an." Sie kam mit Klaggebärde da zu Geiselher heran. 1172 Sie sprach: "Lieber Bruder, du sollst gedenken mein, Lebens und Gutes sollst du ein Vogt mir sein." Da sprach er zu der Schwester: "Gewiss, es soll geschehn, Wenn wir wiederkommen: eine Fahrt ist zu bestehn." 1173 Gunther und seine Freunde räumten das Land, Die allerbesten drunter, die man irgend fand; Hagen nur alleine verblieb um seinen Haß, Den er Kriemhilden hegte: ihr zum Schaden that er das. 1174 Eh der reiche König wieder war gekommen, Derweil hatte Hagen den ganzen Schatz genommen: Er ließ ihn bei dem Loche versenken in den Rhein. Er wähnt’, er sollt ihn nutzen; das aber konnte nicht sein. 1175 Bevor von Tronje Hagen den Schatz also verbarg, Da hatten sie’s beschworen mit Eiden hoch und stark, Daß er verhohlen bliebe, so lang sie möchten leben: So konnten sie’s sich selber noch auch Jemand anders geben. 1176 Die Fürsten kamen wieder, mit ihnen mancher Mann. Kriemhild den großen Schaden zu klagen da begann Mit Mägdlein und Frauen; sie hatten Herzensnoth. Da stellten sich die Degen, als sännen sie auf seinen Tod. 1177 Sie sprachen einhellig: "Er hat nicht wohlgethan." Bis er zu Freunden wieder die Fürsten sich gewann, Entwich er ihrem Zorne: sie ließen ihn genesen; Aber Kriemhild konnt ihm wohl nicht feinder sein gewesen. 1178 Mit neuem Leide wieder belastet war ihr Muth, Erst um des Mannes Leben und nun, da sie das Gut Ihr so gar benahmen: da ruht’ auch ihre Klage, So lang sie lebte, nimmer bis zu ihrem jüngsten Tage. 1179 Nach Siegfriedens Tode, das ist alles wahr, Lebte sie im Leide noch dreizehen Jahr, Daß ihr der Tod des Recken stäts im Sinne lag: Sie wahrt’ ihm immer Treue; das rühmen ihr die Meisten nach. 1180 Eine reiche Fürstenabtei hatte Frau Ute Nach Dankrats Tod gestiftet von ihrem Gute Mit großen Einkünften, die es noch heute zieht: Dort zu Lorsch das Kloster, das man in hohen Ehren sieht. 1181 Dazu gab auch Kriemhild hernach ein großes Theil Um Siegfriedens Seele und aller Seelen Heil Gold und Edelsteine mit williger Hand; Getreuer Weib auf Erden ward uns selten noch bekannt. 1182 Seit Kriemhild König Gunthern wieder schenkte Huld Und dann doch den großen Hort verlor durch seine Schuld, Ihres Herzeleides ward da noch viel mehr: Da zöge gern von dannen die Fraue edel und hehr. 1183 Nun war Frau Uten ein Sedelhof bereit Zu Lorsch bei ihrem Kloster, reich, groß und weit, Dahin von ihren Kindern sie zog und sich verbarg, Wo noch die hehre Königin begraben liegt in einem Sarg. 1184 Da sprach die Königswitwe: "Liebe Tochter mein, Hier magst du nicht verbleiben: bei mir denn sollst du sein, Zu Lorsch in meinem Hause, und läst dein Weinen dann." Kriemhild gab zur Antwort: "Wo ließ’ ich aber meinen Mann?" 1185 "Den laß nur hier verbleiben," sprach Frau Ute. "Nicht woll es Gott vom Himmel," sprach da die Gute. "Nein, liebe Mutter, davor will ich mich wahren: "Ein Mann muß von hinnen in Wahrheit auch mit mir fahren." 1186 Da schuf die Jammersreiche, daß man ihn erhub Und sein Gebein, das edle, wiederum begrub Zu Lorsch bei dem Münster mit Ehren mannigfalt: Da liegt im langen Sarge noch der Degen wohlgestalt. 1187 Zu denselben Zeiten, da Kriemhild gesollt Zu ihrer Mutter ziehen, wohin sie auch gewollt, Da muste sie verbleiben, weil es nicht sollte sein: Das schufen neue Mären, die da kamen über Rhein. Abenteuer 20
Wie König Etzel um Kriemhilden sandte
1188 Das war in jenen Zeiten, als Frau Helke starb Und der König Etzel um andre Frauen warb, Da riethen seine Freunde in Burgundenland Zu einer stolzen Witwe, die war Frau Kriemhild genannt. 1189 Seit ihm die schöne Helke erstarb, die Königin, Sie sprachen: "Sinnt ihr wieder auf edler Frau Gewinn, Der höchsten und der besten, die je ein Fürst gewann, So nehmet Kriemhilden; der starke Siegfried war ihr Mann." 1190 Da sprach der reiche König: "Wie gienge das wohl an? Ich bin ein Heide, ein ungetaufter Mann, Sie jedoch ist Christin sie thut es nimmermehr. Ein Wunder müst es heißen, käm sie jemals hieher." 1191 Die Schnellen sprachen wieder: "Vielleicht, daß sie es thut Um euern hohen Namen und euer großes Gut. Man soll es doch versuchen bei dem edeln Weib: Euch ziemte wohl zu minnen ihren wonniglichen Leib." 1192 Da sprach der edle König: "Wem ist nun bekannt Unter euch am Rheine das Volk und auch das Land?" Da sprach von Bechlaren der gute Rüdiger: "Kund von Kindesbeinen sind mir die edeln Könige hehr, 1193 "Gunther und Gernot, die edeln Ritter gut; Der dritte heißt Geiselher: ein Jeglicher thut, Was er nach Zucht und Ehren am besten mag begehn: Auch ist von ihren Ahnen noch stäts dasselbe geschehn." 1194 Da sprach wieder Etzename = "note" "Freund, nun sage mir, Ob ihr wohl die Krone ziemt zu tragen hier; Und hat sie solche Schöne, wie man sie zeiht, Meinen besten Freunden sollt es nimmer werden leid." 1195 "Sie vergleicht sich an Schöne wohl der Frauen mein, Helke der reichen: nicht schöner könnte sein Auf der weiten Erde eine Königin: Wen sie erwählt zum Freunde, der mag wohl trösten den Sinn." 1196 Er sprach: "So wirb sie, Rüdiger, so lieb als ich dir sei. Und darf ich Kriemhilden jemals liegen bei, Das will ich dir lohnen, so gut ich immer kann; Auch hast du meinen Willen mit großer Treue gethan. 1197 "Von meinem Kammergute laß ich so viel dir geben, Daß du mit den Gefährten in Freude mögest leben; Von Rossen und von Kleidern, was ihr nur begehrt, Des wird zu der Botschaft euch die Genüge gewährt." 1198 Zur Antwort gab der Markgraf, der reiche Rüdiger: "Begehrt’ ich deines Gutes, das ziemte mir nicht sehr. Ich will dein Bote gerne werden an den Rhein Mit meinem eignen Gute; ich hab es aus den Händen dein." 1199 Da sprach der reiche König: "Wann denkt ihr zu fahren Nach der Minniglichen? So soll euch Gott bewahren Dabei an allen Ehren und auch die Fraue mein; Und möge Glück mir helfen, daß sie uns gnädig möge sein." 1200 Da sprach wieder Rüdiger: "Eh wir räumen dieses Land, Müßen wir uns rüsten mit Waffen und Gewand, Daß wir vor den Königen mit Ehren dürfen stehn: Ich will zum Rheine führen fünfhundert Degen ausersehn. 1201 "Wenn man bei den Burgunden mich und die Meinen seh, Daß dann einstimmig das Volk im Land gesteh, Es habe nie ein König noch so manchen Mann So fern daher gesendet, als du zum Rheine gethan. 1202 "Und wiß, edler König, stehst du darob nicht an, Sie war dem besten Manne, Siegfrieden unterthan, Siegmundens Sohne; du hast ihn hier gesehn: Man mocht ihm große Ehre wohl in Wahrheit zugestehn." 1203 Da sprach der König Etzename = "note" "War sie dem Herrn vermählt, Sie war so hohes Namens der edle Fürst erwählt, Daß ich nicht verschmähen darf die Königin. Ob ihrer großen Schönheit gefällt sie wohl meinem Sinn." 1204 Da sprach der Markgraf wieder: "Wohlan, ich will euch sagen, Wir heben uns von hinnen in vierundzwanzig Tagen. Ich entbiet es Gotelinden, der lieben Fraue mein, Daß ich zu Kriemhilden selber wolle Bote sein." 1205 Hin gen Bechelaren sandte Rüdiger Boten seinem Weibe, der Markgräfin hehr, Er werbe für den König um eine Königin: Der guten Helke dachte sie da mit freundlichem Sinn. 1206 Als die Botenkunde die Markgräfin gewann, Leid war es ihr zum Theile, zu sorgen hub sie an, Ob sie wohl eine Herrin gewänne so wie eh. Gedachte sie an Helke, das that ihr inniglich weh. 1207 Nach sieben Tagen Rüdiger ritt aus Heunenland, Worüber frohgemuthet man König Etzeln fand. Man fertigte die Kleider in der Stadt zu Wien; Da wollt er mit der Reise auch nicht länger mehr verziehn. 1208 Zu Bechlaren harrte sein Frau Gotelind Und die junge Markgräfin, Rüdigers Kind, Sah ihren Vater gerne und Die ihm unterthan; Da ward ein liebes Harren von schönen Frauen gethan. 1209 Eh der edle Rüdiger aus der Stadt zu Wien Ritt nach Bechlaren, da waren hier für ihn Kleider und Gewaffen auf Säumern angekommen. Sie fuhren solcherweise, daß ihnen wenig ward genommen. 1210 Als sie zu Bechlaren kamen in die Stadt, Für seine Heergesellen um Herbergen bat Der Wirth mit holden Worten: die gab man ihnen da. Gotelind die reiche den Wirth gar gerne kommen sah. 1211 Auch seine liebe Tochter, die Marfgräfin jung, Ob ihres Vaters Kommen war sie froh genung, Aus Heunenland die Helden, wie gern sie die sah! Mit lachendem Muthe sprach die edle Jungfrau da: 1212 "Willkommen sei mein Vater und Die ihm unterthan." Da ward ein schönes Danken von manchem werthen Mann Freundlich geboten der jungen Markgräfin. Wohl kannte Frau Gotlind des edeln Rüdiger Sinn. 1213 Als sie des Nachts nun bei Rüdigern lag, Mit holden Worten fragte die Markgräfin nach, Wohin ihn denn gesendet der Fürst von Heunenland? "Meine Frau Gotlind," sprach er, "ich mach es gern euch bekannt. 1214 "Meinem Herren werben soll ich ein ander Weib, Da ihm ist erstorben der schönen Helke Leib. Nun will ich nach Kriemhilden reiten an den Rhein: Die soll hier bei den Heunen gewaltge Königin sein." 1215 "Das wollte Gott!" sprach Gotlind, "möcht uns dies Heil geschehn, Da wir so hohe Ehren ihr hören zugestehn. Sie ersetzt uns Helken vielleicht in alten Tagen; Wir mögen bei den Heunen sie gerne sehen Krone tragen." 1216 Da sprach Markgraf Rüdiger: "Liebe Fraue mein, Die mit mir reiten sollen von hinnen an den Rhein, Denen sollt ihr freundlich bieten euer Gut: Wenn Helden reichlich leben, so tragen sie hohen Muth." 1217 Sie sprach: "Da ist nicht Einer, wenn er es gerne nähm, Ich wollt ihm willig bieten, was Jeglichem genehm, Eh ihr von hinnen scheidet und Die euch unterthan." Da sprach der Markgraf wieder: "Ihr thut mir Liebe daran." 1218 Hei! was man reicher Zeuge von ihrer Kammer trug! Da ward den edeln Recken Gewand zu Theil genug Mit allem Fleiß gefüttert vom Hals bis auf die Sporen; Die ihm davon gefielen, hatte Rüdger sich erkoren. 1219 Am siebenten Morgen von Bechlaren ritt Der Wirth mit seinen Degen. Sie führten Waffen mit Und Kleider auch die Fülle durch der Baiern Land. Sie wurden auf der Straße von Räubern selten angerannt. 1220 Binnen zwölf Tagen kamen sie an den Rhein. Da konnte diese Märe nicht lang verborgen sein: Dem König und den Seinen ward es kund gethan, Es kämen fremde Gäste. Der Wirth zu fragen begann, 1221 Ob sie Jemand kennte? das sollte man ihm sagen. Man sah die Saumrosse schwere Lasten tragen: Wie reich die Helden waren, ward daran erkannt. Herberge schuf man ihnen in der weiten Stadt zuhand. 1222 Als die Gäste waren in die Stadt gekommen, Ihres Aufzugs hatte man mit Neugier wahrgenommen. Sie wunderte, von wannen sie kämen an den Rhein. Der Wirth fragte Hagen, wer die Herren möchten sein? 1223 Da sprach der Held von Tronje: "Ich sah sie noch nicht; Wenn ich sie erschaue, mag ich euch Bericht Wohl geben, von wannen sie ritten in dies Land. Sie wären denn gar fremde, so sind sie gleich mir bekannt." 1224 Herbergen hatten die Gäste nun empfahn. Der Bote hatte reiche Gewänder angethan Mit seinen Heergesellen, als sie zu Hofe ritten. Sie trugen gute Kleider, die waren zierlich geschnitten. 1225 Da sprach der schnelle Hagen: "So viel ich mag verstehn, Da ich seit langen Tagen den Herrn nicht hab ersehn, So sind sie so zu schauen, als wär es Rüdiger Aus der Heunen Lande, dieser Degen kühn und hehr." 1226 "Wie sollt ich das glauben," der König sprachs zuhand, "Daß der von Bechelaren kam in dieses Land?" Kaum hatte König Gunther das Wort gesprochen gar, So nahm der kühne Hagen den guten Rüdiger wahr. 1227 Er und seine Freunde liefen ihm entgegen: Da sprangen von den Rossen fünfhundert schnelle Degen. Wohl empfangen wurden die von Heunenland; Niemals trugen Boten wohl so herrlich Gewand. 1228 Da rief von Tronje Hagen mit lauter Stimme Schalname = "note" "Nun sei’n uns hochwillkommen diese Degen all, Der Vogt von Bechelaren mit seiner ganzen Schar." Man empfieng mit Ehren die schnellen Heunen fürwahr. 1229 Des Königs nächste Freunde drängten sich heran: Da hub von Metzen Ortewein zu Rüdigern an: "Wir haben lange Tage hier nicht mehr gesehn Also liebe Gäste, das muß ich wahrlich gestehn!" 1230 Sie dankten des Empfanges den Recken allzumal. Mit dem Heergesinde giengen sie zum Saal, Wo sie den König fanden bei manchem kühnen Mann. Der stand empor vom Sitze: das ward aus höfscher Zucht gethan. 1231 Wie freundlich dem Boten er entgegengieng Und allen seinen Degen! Gernot auch empfieng Den Gast mit hohen Ehren und Die ihm unterthan. Den guten Rüdger führte der König an der Hand heran. 1232 Er bracht’ ihn zu dem Sitze, darauf er selber saß. Den Gästen ließ er schenken (gerne that man das) Von dem guten Methe und von dem besten Wein, Den man mochte finden in den Landen um den Rhein. 1233 Geiselher und Gere waren auch gekommen, Dankwart und Volker, die hatten bald vernommen Von den werthen Gästen. Sie waren wohlgemuth: Sie empfiengen vor dem König die Ritter edel und gut. 1234 Da sprach von Tronje Hagen zu Gunthern seinem Herrn: "Mit Dienst vergelten sollten stäts eure Degen gern, Was uns der Markgraf zu Liebe hat gethan; Des sollte Lohn empfangen der schönen Gotlinde Mann." 1235 Da sprach der König Gunther: "Ich laße nicht das Fragen: Wie beide sich gehaben, das sollt ihr mir sagen, Etzel und Frau Helke in der Heunen Land?" Der Markgraf gab zur Antwort: "Ich mach es gern euch bekannt." 1236 Da erhob er sich vom Sitze und Die ihm unterthan Und sprach zu dem König: "Laßt mich Erlaub empfahn, Daß ich die Märe sage, um die mich hat gesandt Etzel der König hieher in der Burgunden Land." 1237 Er sprach: "Was man uns immer durch euch entboten hat, Erlaub ich euch zu sagen ohne der Freunde Rath. Die Märe laßt vernehmen mich und die Degen mein: Euch soll nach allen Ehren zu werben hier gestattet sein." 1238 Da sprach der biedre Bote: "Euch entbietet an den Rhein Seine treuen Dienste der große König mein, Dazu den Freunden allen, die euch zugethan; Auch wird euch diese Botschaft mit großer Treue gethan. 1239 "Euch läßt der edle König klagen seine Noth: Sein Volk ist ohne Freude, meine Frau die ist todt, Helke die reiche, meines Herrn Gemahname = "note" An der sind schöne Jungfraun nun verwaist in großer Zahl, 1240 "Edler Fürsten Kinder, die sie erzogen hat; Darum hat im Lande nun große Trauer Statt: Sie haben leider Niemand mehr, der sie so treulich pflegt, Drum wähn ich auch, daß selten des Königs Sorge sich legt." 1241 "Nun lohn ihm Gott," sprach Gunther, "daß er die Dienste sein So williglich entbietet mir und den Freunden mein. Ich hörte gern die Grüße, die ihr mir kund gethan; Auch wollen sie verdienen Die mir treu und unterthan." 1242 Da sprach von Burgunden der edle Gernot: "Die Welt mag wohl beklagen der schönen Helke Tod Um manche höfsche Tugend, der sie gewohnt zu pflegen." Das bestätigte Hagen und mancher andre Degen. 1243 Da sprach wieder Rüdiger, der edle Bote hehr: "Erlaubt ihr mir, Herr König, so sag ich euch noch mehr, Was mein lieber Herre euch hieher entbot: Er lebt in großem Kummer seit der Königin Helke Tod. 1244 "Man sagte meinem Herren, Kriemhild sei ohne Mann, Da Siegfried gestorben: und sprach man wahr daran, Und wollt ihr ihrs vergönnen, so soll sie Krone tragen Vor König Etzels Recken: das gebot mein Herr ihr zu sagen." 1245 Da sprach König Gunther mit wohlgezognem Muth: "Sie hört meinen Willen, wenn sie es gerne thut. Das will ich euch berichten von heut in dreien Tagen: Wenn sie es nicht weigert, wie sollt ichs Etzel versagen?" 1246 Man ließ Gemach bescheiden den Gästen allzuhand. Sie fanden solche Pflege, daß Rüdiger gestand, Er habe gute Freunde in König Gunthers Lehn. Gerne dient’ ihm Hagen: ihm war einst Gleiches geschehn. 1247 So verweilte Rüdiger bis an den dritten Tag. Der Fürst berief die Räthe, wie er weislich pflag, Und fragte seine Freunde, ob sie es gut gethan Däuchte, daß Kriemhild Herrn Etzeln nähme zum Mann. 1248 Da riethen sie es alle; nur Hagen stands nicht an. Er sprach zu König Gunther, diesem kühnen Mann: "Habt ihr kluge Sinne, so seid wohl auf der Hut, Wenn sie auch folgen wollte, daß ihr doch nimmer es thut." 1249 "Warum," sprach da Gunther, "ließ’ ich es nicht ergehn? Was künftig noch der Königin Liebes mag geschehn, Will ich ihr gerne gönnen: sie ist die Schwester mein. Wir müsten selbst drum werben, sollt es ihr zur Ehre sein." 1250 Da sprach aber Hagen: "Das sprecht ihr unbedacht. Wenn ihr Etzeln kenntet wie ich und seine Macht, Und ließt ihr sie ihn minnen, wie ich euch höre sagen, Das müstet ihr vor Allen mit großem Rechte beklagen." 1251 "Warum?" sprach da Gunther, "leicht vermeid ich das, Ihm je so nah zu kommen, daß ich durch seinen Haß Leid zu befahren hätte, würd er auch ihr Mann." Da sprach wieder Hagen: "Mich dünkt es nimmer wohlgethan." 1252 Da lud man Gernoten und Geiselhern heran, Ob die Herren beide däuchte wohlgethan, Wenn Frau Kriemhild nähme den mächtgen König hehr. Noch widerrieth es Hagen und auch anders Niemand mehr. 1253 Da sprach von Burgunden Geiselher der Degen: "Nun mögt ihr, Freund Hagen, noch der Treue pflegen: Entschädigt sie des Leides, das ihr ihr habt gethan. Was ihr noch mag gelingen, das säht ihr billig neidlos an." 1254 "Wohl habt ihr meiner Schwester gefügt so großes Leid," Sprach da wieder Geiselher, der Degen allbereit, "Ihr hättets wohl verschuldet, wäre sie euch gram: Noch Niemand einer Frauen so viel der Freuden benahm." 1255 "Daß ich das wohl erkenne, das sei euch frei bekannt. Und soll sie Etzeln nehmen und kommt sie in sein Land, Wie sie es fügen möge, viel Leid thut sie uns an. Wohl kommt in ihre Dienste da mancher waidliche Mann." 1256 Dawider sprach zu Hagen der kühne Gernot: "Es mag dabei verbleiben bis an Beider Tod, Daß wir niemals kommen in König Etzels Land. Laßt uns ihr Treue leisten: zu Ehren wird uns das gewandt." 1257 Da sprach Hagen wieder: "Das laß ich mir Niemand sagen; Und soll die edle Kriemhild Helkens Krone tragen, Viel Leid wird sie uns schaffen, wo sie’s nur fügen kann: Ihr sollt es bleiben laßen, das ständ euch Recken beßer an." 1258 Im Zorn sprach da Geiselher, der schönen Ute Kind: "Wir wollen doch nicht alle meineidig sein gesinnt. Was ihr geschieht zu Ehren, laßt uns froh drum sein. Was ihr auch redet, Hagen, ich dien ihr nach der Treue mein." 1259 Als das Hagen hörte, da trübte sich sein Muth. Geiselher und Gernot, die stolzen Ritter gut, Und Gunther der reiche vereinten endlich sich, Wenn es Kriemhild wünsche, sie wolltens dulden williglich. 1260 Da sprach Markgraf Gere: "So geh ich ihr zu sagen, Daß sie den König Etzel sich laße wohlhagen. Dem ist so mancher Recke mit Furchten unterthan, Er mag ihr wohl vergüten, was sie je Leides gewann." 1261 Hin gieng der schnelle Degen, wo er Kriemhilden sah. Sie empfieng ihn gütlich; wie balde sprach er da: "Ihr mögt mich gern begrüßen und geben Botenbrot, Es will das Glück euch scheiden nun von all eurer Noth. 1262 "Es hat um eure Minne, Frau, hiehergesandt Der Allerbesten einer, der je ein Königsland Gewann mit vollen Ehren und Krone durfte tragen: Es werben edle Ritter: das läßt euch euer Bruder sagen." 1263 Da sprach die Jammerreiche: "Verbiete doch euch Gott Und allen meinen Freunden, daß sie keinen Spott Mit mir Armen treiben: was sollt ich einem Mann, Der je Herzensliebe von gutem Weibe gewann?" 1264 Sie widersprach es heftig. Da traten zu ihr her Gernot ihr Bruder und der junge Geiselher. Sie baten sie in Minne zu trösten ihren Mut. Und nehme sie den König, es gerath ihr wahrlich gut. 1265 Bereden mochte Niemand doch die Königin Noch einen Mann zu minnen auf Erden fürderhin. Da baten sie die Degen: "So laßt es doch geschehn, Wenn ihr denn nicht anders wollt, daß euch der Bote möge sehn." 1266 "Das will ich nicht versagen," sprach die Fraue hehr. Ich empfange gerne den guten Rüdiger Ob seiner höfschen Sitte: wär er nicht hergesandt, Jedem andern Boten, dem blieb’ ich immer unbekannt." 1267 Sie sprach: "So schickt den Degen morgen früh heran Zu meiner Kemenate. Ich bescheid ihn dann: Wes ich mich berathen, will ich ihm selber sagen." So war ihr jetzt erneuert das große Weinen und Klagen. 1268 Da wünschte sich auch anders nichts der edle Rüdiger, Als daß er schauen dürfte die Königin hehr. Er wuste sich so weise: könnt es irgend sein, So müst er sie bereden, diesen Recken zu frein. 1269 Früh des andern Morgens nach dem Messgesang Kamen die edeln Boten; da hub sich großer Drang. Die mit Rüdigeren zu Hofe sollten gehn, Die sah man wohlgekleidet, manchen Degen ausersehn. 1270 Kriemhilde die arme, in traurigem Muth Harrte sie auf Rüdiger, den edeln Boten gut. Er fand sie in dem Kleide, das sie für täglich trug: Dabei hatt ihr Gesinde reicher Kleider genug. 1271 Sie gieng ihm entgegen zu der Thüre hin Und empfieng Etzels Recken mit gütlichem Sinn. Nur selbzwölfter trat er herein zu der Fraun; Man bot ihm große Ehre; wer möcht auch beßre Boten schaun? 1272 Man hieß den Herren sitzen und Die in seinem Lehn. Die beiden Markgrafen sah man vor ihr stehn, Eckewart und Gere, die edeln Ritter gut. Um der Hausfrau willen sahn sie Niemand wohlgemuth. 1273 Sie sahen vor ihr sitzen manche schöne Maid. Da hatte Frau Kriemhild Jammer nur und Leid. Ihr Kleid war vor den Brüsten von heißen Thränen naß. Das sah der edle Markgraf, der nicht länger vor ihr saß. 1274 Er sprach in großen Züchten: "Viel edles Königskind, Mir und den Gefährten, die mit mir kommen sind, Sollt ihr, Frau, erlauben, daß wir vor euch stehn Und euch melden, weshalb unsre Reise sei geschehn." 1275 "Ich will euch gern erlauben," sprach die Königin, "Was ihr wollt, zu reden; also steht mein Sinn, Daß ich es gerne höre: ihr seid ein Bote gut." Da merkten wohl die Andern ihren abgeneigten Muth. 1276 Da sprach von Bechelaren der Markgraf Rüdiger: "Euch läßt entbieten, Herrin, Etzel der König hehr Große Lieb und Treue hierher in dieses Land; Er hat um eure Minne viel gute Recken gesandt. 1277 "Er entbeut euch freundlich Liebe sonder Leid; Er sei stäter Freundschaft nun euch hinfort bereit Wie Helken einst, der Königin, die ihm am Herzen lag: Ihr sollt die Krone tragen, deren sie vor Zeiten pflag." 1278 Da sprach zu ihm die Königin: "Markgraf Rüdiger, Wenn meines Herzeleides Jemand kundig war, Der würde mir nicht rathen zu einem zweiten Mann: Ich verlor der Besten Einen, die je ein Weib noch gewann." 1279 "Was tröstet mehr im Leide", sprach der kühne Mann, "Als freundliche Liebe? Wer die gewähren kann Und hat sich den erkoren, der ihm zu Herzen kommt, Der erfährt wohl, daß im Leide nichts so sehr als Liebe frommt. 1280 "Und geruht ihr zu minnen den edeln Herren mein, Zwölf reicher Kronen sollt ihr gewaltig sein. Dazu von dreißig Fürsten giebt euch mein Herr das Land, Die alle hat bezwungen seine vielgewaltge Hand. 1281 "Ihr sollt auch Herrin werden über manchen werthen Mann, Die meiner Frauen Helke waren unterthan, Und viel der schönen Maide, einst ihrem Dienst gesellt, Von hoher Fürsten Stamme," sprach der hochbeherzte Held. 1282 "Dazu giebt euch der König, gebot er euch zu sagen, Wenn ihr geruht die Krone bei meinem Herrn zu tragen, Gewalt die allerhöchste, die Helke je gewann: Alle Mannen Etzels werden euch da unterthan." 1283 "Wie möchte jemals wieder," sprach die Königin, "Eines Helden Weib zu werden gelüsten meinem Sinn? Mir hat der Tod an Einem so bittres Leid gethan, Daß ichs bis an mein Ende nimmermehr verschmerzen kann." 1284 Die Heunen sprachen wieder: Viel reiche Königin, Das Leben geht bei Etzeln so herrlich euch dahin, Daß ihr in Wonnen schwebet, weigert ihr es nicht; Mancher ziere Degen steht in des reichen Königs Pflicht. 1285 "Helkens Jungfrauen und eure Mägdelein, Sollten die beisammen je Ein Gesinde sein, Dabei möchten Recken wohl werden wohlgemuth. Laßt es euch rathen, Fraue, es bekommt euch wahrlich gut." 1286 Sie sprach mit edler Sitte: "Nun laßt die Rede sein Bis morgen in der Frühe, dann tretet zu mir ein, Daß ich auf die Werbung euch gebe den Bescheid." Da musten Folge leisten die kühnen Degen allbereit. 1287 Als zu den Herbergen sie kamen allzumal, Nach Geiselhern zu senden die edle Frau befahl Und nach ihrer Mutter: den Beiden sagte sie, Ihr gezieme nur zu weinen und alles Andere nie. 1288 Da sprach ihr Bruder Geiselher: "Mir ahnt, Schwester mein, Und gerne mag ichs glauben, dein Leid und deine Pein Wird König Etzel wenden; und nimmst du ihn zum Mann, Was Jemand anders rathe, so dünkt es mich wohlgethan." 1289 "Er mag dirs wohl ersetzen," sprach wieder Geiselher. "Vom Rotten bis zum Rheine, von der Elbe bis ans Meer Weiß man keinen König gewaltiger als ihn. Du magst dich höchlich freuen, heischt er dich zur Königin." 1290 Sie sprach: "Lieber Bruder, wie räthst du mir dazu? Weinen und Klagen das käm mir eher zu. Wie sollt ich vor den Recken da zu Hofe gehn? Hatt ich jemals Schönheit, um die ists lange geschehn." 1291 Da redete Frau Ute der lieben Tochter zu: "Was deine Brüder rathen, liebes Kind, das thu. Folge deinen Freunden, so mag dirs wohlergehn. Hab ich dich doch so lange in großem Jammer gesehn." 1292 Da bat sie, daß vom Himmel ihr würde Rath gesandt: Denn hätte sie zu geben Gold, Silber und Gewand Wie einst, da er noch lebte, ihr Mann der Degen hehr, Sie erlebe doch nicht wieder so frohe Stunden nachher. 1293 Sie dacht in ihrem Sinne: "Und sollt ich meinen Leib Einem Heiden geben? Ich bin ein Christenweib; Des müst ich billig Schelte von aller Welt empfahn; Gäb er mir alle Reiche, es bliebe doch ungethan." 1294 Da ließ sie es bewenden. Die Nacht bis an den Tag Die Frau in ihrem Bette voll Gedanken lag. Ihre lichten Augen trockneten ihr nicht, Bis sie hin zur Mette wieder gieng beim Morgenlicht. 1295 Nun waren auch die Könige zur Messezeit gekommen. Sie hatten ihre Schwester an die Hand genommen Und riethen ihr zu minnen den von Heunenland. Niemand doch die Fraue ein wenig fröhlicher fand. 1296 Da ließ man zu ihr bringen, die Etzel hingesandt, Die nun mit Urlaub wollten räumen Gunthers Land, Wie es gerathen möge, mit Nein oder Ja! Da kam zu Hofe Rüdiger: die Gefährten mahnten ihn da, 1297 Recht zu erforschen des edeln Fürsten Muth Und zeitig das zu leisten; das dauchte Jeden gut; Ihre Wege wären ferne wieder in ihr Land. Man brachte Rüdigeren hin, wo er Kriemhilden fand. 1298 Da bat alsbald der Recke die edle Königin Mit minniglichen Worten, zu künden ihren Sinn, Was sie entbieten wolle in König Etzels Land. Der Held mit seinem Werben bei ihr nur Weigerung fand. 1299 "Sie wolle nimmer wieder minnen einen Mann." Dawider sprach der Markgraf: "Das wär nicht recht gethan: Was wolltet ihr verderben so minniglichen Leib? Ihr werdet noch mit Ehren eines werthen Recken Weib." 1300 Nichts half es, was sie baten, bis daß Rüdiger Insgeheim gesprochen mit der Königin hehr, Er hoff ihr zu vergüten all ihr Ungemach. Da ließ zuletzt ein wenig ihre hohe Trauer nach. 1301 Er sprach zu der Königin: "Laßt euer Weinen sein; Hättet ihr bei den Heunen Niemand als mich allein, Meine getreuen Freunde und Die mir unterthan, Er sollt es schwer entgelten, hätt euch Jemand Leid gethan." 1302 Davon ward erleichtert der Frauen wohl der Muth. Sie sprach: "So schwört mir, Rüdiger, was mir Jemand thut, Ihr wollt der Erste werden, der rächen will mein Leid." Da sprach zu ihr der Markgraf: "Dazu bin ich, Frau, bereit." 1303 Mit allen seinen Mannen schwur ihr da Rüdiger, Ihr immer treu zu dienen, und daß die Recken hehr Ihr nichts versagen wollten in König Etzels Land, Was ihre Ehre heische: das gelobt’ ihr Rüdigers Hand. 1304 Da gedachte die Getreue: "Wenn ich gewinnen kann So viel stäter Freunde, so seh ichs wenig an, Was auch die Leute reden, in meines Jammers Noth. Vielleicht wird noch gerochen meines lieben Mannes Tod." 1305 Sie gedachte: "Da Herr Etzel der Recken hat so viel, Denen ich gebiete, so thu ich, was ich will. Er hat auch solche Schätze, daß ich verschenken kann; Mich hat der leide Hagen meines Gutes ohne gethan." 1306 Sie sprach zu Rüdigeren: "Hätt ich nicht vernommen, Daß er ein Heide wäre, so wollt ich gerne kommen, Wohin er geböte, und nähm ihn zum Mann." Da sprach der Markgraf wieder: "Steht darauf, Herrin, nicht an. 1307 "Er ist nicht gar ein Heide, des dürft ihr sicher sein: Er ist getauft gewesen, der liebe Herre mein, Wenn er auch zu den Heiden wieder übertrat: Wollt ihr ihn, Herrin, minnen, so wird darüber noch Rath. 1308 "Ihm dienen so viel Recken in der Christenheit, Daß euch bei dem König nie widerfährt ein Leid. Ihr mögt auch leicht erlangen, daß der König gut Zu Gott wieder wendet so die Seele wie den Muth." 1309 Da sprachen ihre Brüder: "Verheißt es, Schwester mein, Und all euern Kummer laßt in Zukunft sein." Des baten sie so lange, bis sie mit Trauer drein Vor den Helden willigte, den König Etzel zu frein. 1310 Sie sprach: "Ich muß euch folgen, ich arme Königin! Ich fahre zu den Heunen, wann es geschehe, hin, Wenn ich Freunde finde, die mich führen in sein Land." Darauf bot vor den Helden die schöne Kriemhild die Hand. 1311 Der Markgraf sprach: "Zwei Recken stehn in eurem Lehn, Dazu hab ich noch manchen: so kann es wohl geschehn, Daß wir euch mit Ehren bringen überrhein, Ich laß euch nun nicht länger hier bei den Burgunden sein. 1312 "Fünfhundert Mannen hab ich und der Freunde mein: Die sollen euch zu Diensten hier und bei Etzeln sein, Was ihr auch gebietet; ich selber steh euch bei Und will michs nimmer schämen, mahnt ihr mich künftig meiner Treu. 1313 "Eure Pferdedecken haltet euch bereit; Was Rüdiger gerathen hat, wird euch nimmer leid. Und sagt es euern Mägdlein, die ihr euch gesellt, Uns begegnet unterwegs mancher auserwählte Held." 1314 Sie hatten noch Geschmeide, das sie zu Siegfrieds Zeit Beim Reiten getragen, daß sie mit mancher Maid Mit Ehren reisen mochte, so sie wollt hindann. Hei! was man guter Sättel den schönen Frauen gewann! 1315 Hatten sie schon immer getragen reich Gewand, So wurde des zur Reise die Fülle nun zur Hand, Weil ihnen von dem König so viel gepriesen ward; Sie schloßen auf die Kisten, so lang versperrt und gespart. 1316 Sie waren sehr geschäftig wohl fünftehalben Tag Und suchten aus dem Einschlag, so viel darinne lag. Ihre Kammer zu erschließen hub da Kriemhild an, Sie Alle reich zu machen, Die Rüdigern unterthan. 1317 Sie hatte noch des Goldes von Nibelungenland: Das sollte bei den Heunen vertheilen ihre Hand. Sechshundert Mäule mochten es nicht von dannen tragen. Die Märe hörte Hagen da von Kriemhilden sagen. 1318 Er sprach: "Mir wird Kriemhild doch nimmer wieder hold: So muß auch hier verbleiben Siegfriedens Gold. Wie ließ’ ich meinen Feinden wohl so großes Gut? Ich weiß gar wohl, was Kriemhild noch mit diesem Schatze thut. 1319 "Brächte sie ihn von hinnen, ich glaube sicherlich, Sie würd ihn nur vertheilen, zu werben wider mich. Sie hat auch nicht die Rosse, um ihn hinwegzutragen: Behalten will ihn Hagen, das soll man Kriemhilden sagen." 1320 Als sie vernahm die Märe, das schuf ihr grimme Pein. Es ward auch den Königen gemeldet allen drein: Sie gedachten es zu wenden. Als das nicht geschah, Rüdiger der edle sprach mit frohem Muthe da: 1321 "Reiche Königstochter, was klagt ihr um das Gold? Euch ist König Etzel so zugethan und hold, Ersehn euch seine Augen, er giebt euch solchen Hort, Daß ihr ihn nie verschwendet; das verbürgt euch, Frau, mein Wort." 1322 Da sprach zu ihm die Königin: "Viel edler Rüdiger, Nie gewann der Schätze eine Königstochter mehr Als die, deren Hagen mich ohne hat gethan." Da kam ihr Bruder Gernot zu ihrer Kammer heran. 1323 Mit des Königs Macht den Schlüßel stieß er in die Thür. Kriemhildens Schätze reichte man herfür, An dreißigtausend Marken oder wohl noch mehr, Daß es die Gäste nähmen: des freute Gunther sich sehr. 1324 Da sprach von Bechelaren der Gotelinde Mann: "Und gehörten all die Schätze noch Kriemhilden an, Die man jemals brachte von Nibelungenland, Nicht berühren sollt es mein noch der Königin Hand. 1325 "Heißt es aufbewahren, da ichs nicht haben will. Ich bracht aus unserm Lande des Meinen her so viel, Wir mögens unterweges entrathen wohl mit Fug: Wir haben zu der Reise genug und übergenug." 1326 Zwölf Schreine hatten noch ihre Mägdelein Des allerbesten Goldes, das irgend mochte sein, Bewahrt aus alten Zeiten: das nun verladen ward Und viel der Frauenzierde, die sie brauchten auf der Fahrt. 1327 Die Macht des grimmen Hagen bedauchte sie zu stark. Des Opfergoldes hatte sie wohl noch tausend Mark: Das gab sie für die Seele von ihrem lieben Mann. Das dauchte Rüdigeren mit großen Treuen gethan. 1328 Da sprach die arme Königin: "Wo sind die Freunde mein, Die da mir zu Liebe im Elend wollen sein Und mit mir reiten sollen in König Etzels Land? Die nehmen meines Goldes und kaufen Ross’ und Gewand." 1329 Alsbald gab ihr Antwort der Markgraf Eckewart: "Seit ich als Ingesinde euch zugewiesen ward, Hab ich euch stäts getreulich gedient," sprach der Degen, "Und will bis an mein Ende des Gleichen immer bei euch pflegen. 1330 "Ich führ auch mit der Meinen fünfhundert Mann, Die biet ich euch zu Dienste mit rechten Treuen an. Wir bleiben ungeschieden, es thu es denn der Tod." Der Rede dankt’ ihm Kriemhild, da ers so wohl ihr erbot. 1331 Da brachte man die Rosse: sie wollten aus dem Land. Wohl huben an zu weinen die Freunde all zur Hand. Ute die reiche und manche schöne Maid Bezeigten, wie sie trugen um Kriemhilden Herzeleid. 1332 Hundert schöner Mägdelein führte sie aus dem Land; Die wurden wohl gekleidet, jede nach ihrem Stand. Aus lichten Augen fielen, die Thränen ihnen nieder; Manche Freud erlebten sie auch bei König Etzel wieder. 1333 Da kam der junge Geiselher und König Gernot, Mit ihrem Heergesinde, wie es die Zucht gebot: Die liebe Schwester wollten sie begleiten durch das Land; Sie hatten im Gefolge wohl tausend Degen auserkannt. 1334 Da kam der schnelle Gere und auch Ortewein; Rumold der Küchenmeister der ließ sie nicht allein. Sie schufen Nachtlager der Frauen auf den Wegen: Als Marschall sollte Volker ihrer Herberge pflegen. 1335 Bei Abschiedsküssen hatte man Weinen viel vernommen, Eh sie zu Felde waren von der Burg gekommen. Ungebeten gaben Viele Geleit ihr durch das Land. Vor der Stadt schon hatte sich König Gunther gewandt. 1336 Eh sie vom Rheine führen, hatten sie vorgesandt Ihre schnellen Boten in der Heunen Land, Dem Könige zu melden, daß ihm Rüdiger Zum Gemahl geworben die edle Königin hehr. 1337 Die Boten fuhren schnelle: Eil war ihnen Noth Um die große Ehre und das reiche Botenbrot. Als sie mit ihren Mären waren heimgekommen, Da hatte König Etzel so Liebes selten vernommen. 1338 Der frohen Kunde willen ließ der König geben Den Boten solche Gaben, daß sie wohl mochten leben Immerdar in Freuden hernach bis an den Tod: Mit Wonne war verschwunden des Königs Kummer und Noth. Abenteuer 21
Wie Kriemhild zu den Heunen fuhr
1339 Die Boten laßt reiten, so thun wir euch bekannt, Wie die Königstochter fuhr durch das Land, Und wo von ihr Geiselher schied mit Gernot; Sie hatten ihr gedienet, wie ihre Treue gebot. 1340 Sie kamen an die Donau gen Bergen nun geritten. Da begannen sie um Urlaub die Königin zu bitten, Weil sie wieder wollten reiten an den Rhein. Da mocht es ohne Weinen von guten Freunden nicht sein. 1341 Geiselher der schnelle sprach zu der Schwester sein: "Schwester, wenn du jemals bedürfen solltest mein, Was immer dich gefährde, so mach es mir bekannt, Dann reit ich dir zu dienen hin in König Etzels Land." 1342 Die Verwandten alle küsste sie auf den Mund. Minniglich sich scheiden sah man da zur Stund Die schnellen Burgunden von Rüdigers Geleit. Da zog mit der Königin manche wohlgethane Maid, 1343 Hundert und viere; sie trugen schön Gewand Von buntgewebten Zeugen; manch breiten Schildesrand Führte man der Königin nach auf ihren Wegen. Da bat auch um Urlaub Volker der zierliche Degen. 1344 Ueber die Donau kamen sie jetzt gen Baierland: Da sagte man die Märe, es kämen angerannt Viel unkunder Gäste. Wo noch ein Kloster steht Und der Innfluß mündend in die Donau niedergeht, 1345 In der Stadt zu Paßau saß ein Bischof. Herbergen leerten sich und auch des Fürsten Hof: Den Gästen entgegen giengs auf durch Baierland, Wo der Bischof Pilgerin die schöne Kriemhild fand. 1346 Den Recken in dem Lande war es nicht zu leid, Als sie ihr folgen sahen so manche schöne Maid. Da kos’ten sie mit Augen manch edeln Ritters Kind. Gute Herberge wies man den Gästen geschwind. 1347 Dort zu Pledelingen schuf man ihnen Ruh; Das Volk allenthalben ritt auf sie zu. Man gab, was sie bedurften, williglich und froh: Sie nahmen es mit Ehren; so that man bald auch anderswo. 1348 Der Bischof mit der Nichte ritt auf Paßau an. Als es da den Bürgern der Stadt ward kund gethan, Das Schwesterkind des Fürsten, Kriemhild wolle kommen, Da ward sie wohl mit Ehren von den Kaufherrn aufgenommen. 1349 Als der Bischof wähnte, sie blieben nachts ihm da, Sprach Eckewart der Markgraf: "Unmöglich ist das ja: Wir müßen abwärts reiten in Rüdigers Land: Viel Degen harren unser: ihnen allen ist es bekannt." 1350 Nun wust auch wohl die Märe die schöne Gotelind: Sie rüstete sich fleißig und auch ihr edel Kind. Ihr hatt entboten Rüdiger, ihn bedünk es gut, Wenn sie der Königstochter damit tröstete den Muth 1351 Und ihr entgegenritte mit seiner Mannen Schar Hinauf bis zur Ense. Als das im Werke war, Da sah man allenthalben erfüllt die Straßen stehn: Sie wollten ihren Gästen entgegen reiten und gehn. 1352 Nun war gen Everdingen die Königin gekommen. Man hatt im Baierlande von Schächern wohl vernommen, Die auf den Straßen raubten, wie es ihr Gebrauch: So hätten sie die Gäste mögen schädigen auch. 1353 Das hatte wohl verhütet der edle Rüdiger: Er führte tausend Ritter oder wohl noch mehr. Da kam auch Gotelinde, Rüdigers Gemahl, Mit ihr in stolzem Zuge kühner Recken große Zahl. 1354 Ueber die Traune kamen sie bei Ense auf das Feld; Da sah man aufgeschlagen Hütten und Gezelt, Daß gute Ruhe fänden die Gäste bei der Nacht. Für ihre Kost zu sorgen war der Markgraf bedacht. 1355 Von den Herbergen ritt ihrer Frau entgegen Gotelind die schöne. Da zogen auf den Wegen Mit klingenden Zäumen viel Pferde wohlgethan. Sie wurde wohl empfangen; lieb that man Rüdigern daran. 1356 Die sie zu beiden Seiten begrüßten auf dem Feld Mit kunstvollem Reiten, das war mancher Held. Sie übten Ritterspiele; das sah manch schöne Maid. Auch war der Dienst der Helden den schönen Frauen nicht leid. 1357 Als zu den Gästen kamen Die in Rüdigers Lehn, Viel Schaftsplitter sah man in die Lüfte gehn Von der Recken Händen nach ritterlichen Sitten. Da wurde wohl zu Danke vor den Frauen geritten. 1358 Sie ließen es bewenden. Da grüßte mancher Mann Freundlich den andern. Nun führten sie heran Die schöne Gotelinde, wo sie Kriemhild sah. Die Frauen dienen konnten, hatten selten Muße da. 1359 Der Vogt von Bechelaren ritt zu Gotlinden hin. Wenig Kummer schuf es der edeln Markgräfin, Daß sie wohl geborgen ihn sah vom Rheine kommen. Ihr war die meiste Sorge mit großer Freude benommen. 1360 Als sie ihn hatt empfangen, hieß er sie auf das Feld Mit den Frauen steigen, die er ihr sah gestellt. Da zeigte sich geschäftig mancher edle Mann: Den Frauen wurden Dienste mit großem Fleiße gethan. 1361 Da ersah Frau Kriemhild die Markgräfin stehn Mit ihrem Ingesinde: sie ließ nicht näher gehn: Sie zog mit dem Zaume das Ross an, das sie trug, Und ließ sich aus dem Sattel heben schleunig genug. 1362 Den Bischof sah man führen seiner Schwester Kind, Ihn und Eckewarten, hin zu Frau Gotelind. Es muste vor ihr weichen, wer im Wege stund. Da küsste die Fremde die Markgräfin auf den Mund. 1363 Da sprach mit holden Worten die edle Markgräfin: "Nun wohl mir, liebe Herrin, daß ich so glücklich bin, Hier in diesem Lande mit Augen euch zu sehn: Mir könnt in diesen Zeiten nimmer lieber geschehn." 1364 "Nun lohn euch Gott," sprach Kriemhild, "viel edle Gotelind. So ich gesund verbleibe mit Botlungens Kind, Mag euch zu Gute kommen, daß ihr mich habt gesehn." Noch ahnten nicht die Beiden, was später muste geschehn. 1365 Mit Züchten zu einander gieng da manche Maid; Zu Diensten waren ihnen die Recken gern bereit. Sie setzten nach dem Gruße sich nieder auf den Klee: Da lernten sich kennen, die sich fremd gewesen eh. 1366 Man ließ den Frauen schenken. Es war am hohen Tag; Das edle Ingesinde der Ruh nicht länger pflag. Sie ritten, bis sie fanden viel breiter Hütten stehn: Da konnten große Dienste den edeln Gästen geschehn. 1367 Ueber Nacht da pflegen sollten sie der Ruh. Die von Bechelaren schickten sich dazu, Nach Würden zu bewirthen so manchen werthen Mann. So hatte Rüdiger gesorgt, es gebrach nicht viel daran. 1368 Die Fenster an den Mauern sah man offen stehn; Man mochte Bechelaren weit erschloßen sehn. Da ritten ein die Gäste, die man gerne sah; Gut Gemach schuf ihnen der edle Rüdiger da. 1369 Des Markgrafen Tochter mit dem Gesinde gieng Dahin, wo sie die Königin minniglich empfieng. Da war auch ihre Mutter, Rüdigers Gemahname = "note" Liebreich empfangen wurden die Jungfrauen allzumal. 1370 Sie fügten ihre Hände in Eins und giengen dann Zu einem weiten Saale, der war gar wohlgethan, Vor dem die Donau unten die Flut vorübergoß. Da saßen sie im Freien und hatten Kurzweile groß. 1371 Ich kann euch nicht bescheiden, was weiter noch geschah. Daß sie so eilen müsten, darüber klagten da Die Recken Kriemhildens; wohl war es ihnen leid. Was ihnen guter Degen aus Bechlarn gaben Geleit! 1372 Viel minnigliche Dienste der Markgraf ihnen bot. Da gab die Königstochter zwölf Armspangen roth Der Tochter Gotlindens und also gut Gewand, Daß sie kein beßres brachte hin in König Etzels Land. 1373 Obwohl ihr war benommen der Nibelungen Gold, Alle, die sie sahen, machte sie sich hold Noch mit dem kleinen Gute, das ihr verblieben war. Dem Ingesind des Wirthes bot sie große Gaben dar. 1374 Dafür erwies Frau Gotlind den Gästen von dem Rhein Auch so hohe Ehre mit Gaben groß und klein, Daß man da der Fremden wohl selten einen fand, Der nicht von ihr Gesteine trug oder herrlich Gewand. 1375 Als man nach dem Imbiß fahren sollt hindann, Ihre treuen Dienste trug die Hausfrau an Mit minniglichen Worten Etzels Gemahl. Die liebkos’te scheidend der schönen Jungfrau zumal. 1376 Da sprach sie zu der Königin: "Dünkt es euch nun gut, So weiß ich, wie gern es mein lieber Vater thut, Daß er mich zu euch sendet in der Heunen Land." Daß sie ihr treu gesinnt war, wie wohl Frau Kriemhild das fand! 1377 Die Rosse kamen aufgezäumt vor Bechelaren an. Als die edle Königin Urlaub hatt empfahn Von Rüdigers Weibe und von der Tochter sein, Da schieden auch mit Grüßen viel der schönen Mägdelein. 1378 Sie sahn einander selten mehr nach diesen Tagen. Aus Medelick auf Händen brachte man getragen Manch schönes Goldgefäße angefüllt mit Wein Den Gästen auf die Straße und hieß sie willkommen sein. 1379 Ein Wirth war da geseßen, Astold genannt, Der wies sie die Straße ins Oesterreicherland Gegen Mautaren an der Donau nieder: Da ward viel Dienst erboten der reichen Königin wieder. 1380 Der Bischof mit Liebe von seiner Nichte schied. Daß sie sich wohl gehabe, wie sehr er ihr das rieth, Und sich Ehr erwerbe, wie Helke einst gethan. Hei! was sie großer Ehren bald bei den Heunen gewann! 1381 An die Traisem kamen die Gäst in kurzer Zeit. Sie zu pflegen fliß sich Rüdigers Geleit, Bis daß man die Heunen sah reiten über Land: Da ward der Königstochter erst große Ehre bekannt. 1382 Bei der Traisem hatte der Fürst von Heunenland Eine reiche Veste, im Lande wohl bekannt, Mit Namen Traisenmauer: einst wohnte Helke da Und pflag so hoher Milde, als wohl nicht wieder geschah, 1383 Es sei denn von Kriemhilden; die mochte gerne geben. Sie durfte wohl die Freude nach ihrem Leid erleben, Daß ihre Güte priesen, die Etzeln unterthan. Das Lob sie bei den Helden in der Fülle bald gewann. 1384 König Etzels Herrschaft war so weit erkannt, Daß man zu allen Zeiten an seinem Hofe fand Die allerkühnsten Recken, davon man je vernommen Bei Christen oder Heiden; die waren all mit ihm gekommen. 1385 Bei ihm war allerwegen, so sieht mans nimmermehr, So christlicher Glaube als heidnischer Verkehr. Wozu nach seiner Sitte sich auch ein Jeder schlug, Das schuf des Königs Milde, man gab doch Allen genug. Abenteuer 22
Wie Kriemhild bei den Heunen empfangen ward
1386 Sie blieb zu Traisenmauer bis an den vierten Tag. Der Staub in den Straßen derweil nicht stille lag: Aufstob er allenthalben wie in hellem Brand. Da ritten Etzels Leute durch das Oesterreicherland. 1387 Es war dem König Etzel gemeldet in der Zeit, Daß ihm vor Gedanken schwand sein altes Leid, Wie herrlich Frau Kriemhild zöge durch das Land. Da eilte hin der König, wo er die Minnigliche fand. 1388 Von gar manchen Sprachen sah man auf den Wegen Vor König Etzeln reiten viel der kühnen Degen, Von Christen und von Heiden manches breite Heer. Als sie die Herrin fanden, sie zogen fröhlich einher. 1389 Von Reußen und von Griechen ritt da mancher Mann; Die Polen und Walachen zogen geschwind heran Auf den guten Rossen, die sie herrlich ritten. Da zeigte sich ein Jeder in seinen heimischen Sitten. 1390 Aus dem Land zu Kiew ritt da mancher Mann Und die wilden Peschenegen. Mit Bogen hub man an Zu schießen nach den Vögeln, die in den Lüften flogen; Mit Kräften sie die Pfeile bis zu des Bogens Ende zogen. 1391 Eine Stadt liegt an der Donau im Oesterreicherland, Die ist geheißen Tulna. Da ward ihr bekannt Manche fremde Sitte, die sie noch niemals sah. Da empfiengen sie gar Viele, denen noch Leid von ihr geschah. 1392 Es ritt dem König Etzel ein Ingesind voran, Fröhlich und prächtig, höfisch und wohlgethan, Wohl vierundzwanzig Fürsten, mächtig und hehr: Ihre Königin zu schauen, sie begehrten sonst nichts mehr. 1393 Ramung, der Herzog aus Walachenland, Mit siebenhundert Mannen kam er vor sie gerannt. Wie fliegende Vögel sah man sie alle fahren. Da kam der Fürst Gibeke mit viel herrlichen Scharen. 1394 Hornbog der schnelle ritt mit tausend Mann Von des Königs Seite zu seiner Fraun heran. Sie prangten und stolzierten nach ihres Landes Sitten. Von den Heunenfürsten ward auch da herrlich geritten. 1395 Da kam vom Dänenlande der kühne Hawart Und Iring der schnelle, vor allem Falsch bewahrt; Von Thüringen Irnfried, ein waidlicher Mann: Sie empfiengen Kriemhilden, daß sie viel Ehre gewann, 1396 Mit zwölfhundert Mannen, die zählte ihre Schar. Da kam der Degen Blödel mit dreitausend gar, König Etzels Bruder aus dem Heunenland: Der ritt in stolzem Zuge, bis er die Königin fand. 1397 Da kam der König Etzel und Herr Dieterich Mit seinen Helden allen. Da sah man ritterlich Manchen edeln Ritter bieder und auch gut. Davon ward Kriemhilden gar wohl erhoben der Muth. 1398 Da sprach zu der Königin der edle Rüdiger: "Frau, euch will empfangen hier der König hehr. Wen ich euch küssen heiße, dem sei der Kuss gegönnt: Wißt, daß ihr Etzels Recken nicht alle gleich empfangen könnt." 1399 Da hob man von der Mähre die Königin hehr. Etzel der reiche nicht säumt’ er länger mehr: Er schwang sich von dem Rosse mit manchem kühnen Mann; Voller Freuden kam er zu Frau Kriemhilden heran. 1400 Zwei mächtige Fürsten, das ist uns wohlbekannt, Giengen bei der Frauen und trugen ihr Gewand, Als der König Etzel ihr entgegen gieng Und sie den edlen Fürsten mit Küssen gütlich empfieng. 1401 Sie schob hinauf die Binden: ihre Farbe wohlgethan Erglänzt’ aus dem Golde. Da sagte mancher Mann, Frau Helke könne schöner nicht gewesen sein. Da stand in der Nähe des Königs Bruder Blödelein. 1402 Den rieth ihr zu küssen Rüdiger der Markgraf reich Und den König Gibeke, Dietrichen auch zugleich: Zwölf der Recken küsste Etzels Königin; Da blickte sie mit Grüßen noch zu manchem Ritter hin. 1403 Während König Etzel bei Kriemhilden stand, Thaten junge Degen wie Sitte noch im Land: Waffenspiele wurden schön vor ihr geritten; Das thaten Christenhelden und Heiden nach ihren Sitten. 1404 Wie ritterlich die Degen in Dietrichens Lehn Die splitternden Schäfte in die Lüfte ließen gehn Hoch über Schilde aus guter Ritter Hand! Vor den deutschen Gästen brach da mancher Schildesrand. 1405 Von der Schäfte Krachen vernahm man lauten Schall. Da waren aus dem Lande die Recken kommen all Und auch des Königs Gäste, so mancher edle Mann: Da gieng der reiche König mit der Königin hindann. 1406 Sie fanden in der Nähe ein herrlich Gezelt. Erfüllt war von Hütten rings das ganze Feld; Da war nach den Beschwerden Rast für sie bereit. Da geleiteten die Helden darunter manche schöne Maid 1407 Zu Kriemhild der Königin, die dort darnieder saß Auf reichem Stuhlgewande; der Markgraf hatte das So prächtig schaffen laßen, sie fandens schön und gut. Da stand dem König Etzel in hohen Freuden der Muth. 1408 Was sie zusammen redeten, das ist mir unbekannt; In seiner Rechten ruhte ihre weiße Hand. So saßen sie in Minne, als Rüdiger der Degen Dem König nicht gestattete, Kriemhildens heimlich zu pflegen.
1409 Da ließ man unterbleiben das Kampfspiel überall; Mit Ehren ward beendet der laute Freudenschall. Da giengen zu den Hütten Die Etzeln unterthan; Herberge wies man ihnen ringsum allenthalben an. 1410 Den Abend und nachtüber fanden sie Ruhe da, Bis man den lichten Morgen wieder scheinen sah. Da kamen hoch zu Rosse viel Helden ausersehn; Hei! was sah man Kurzweil zu des Königs Ehren geschehn! 1411 Nach Würden es zu schaffen der Fürst die Heunen bat. Da ritten sie von Tulna gen Wien in die Stadt. In schönem Schmucke fand man da Frauen ohne Zahl. Sie empfiengen wohl mit Ehren König Etzels Gemahl. 1412 In Ueberfluß und Fülle war da für sie bereit, Wes sie nur bedurften. Viel Degen allbereit Sahn froh dem Fest entgegen. Herbergen wies man an; Die Hochzeit des Königs mit hohen Freuden begann. 1413 Man mochte sie nicht alle herbergen in der Stadt: Die nicht Gäste waren, Rüdiger die bat, Daß sie Herberge nahmen auf dem Land. Wohl weiß ich, daß man immer den König bei Kriemhilden fand. 1414 Dietrich der Degen und mancher andre Held Die hatten ihre Muße mit Arbeit eingestellt, Auf daß sie den Gästen trösteten den Muth; Rüdger und seine Freunde hatten Kurzweile gut. 1415 Die Hochzeit war gefallen auf einen Pfingstentag, Wo der König Etzel bei Kriemhilden lag In der Stadt zu Wiene. Fürwahr so manchen Mann Bei ihrem ersten Manne sie nicht zu Diensten gewann. 1416 Durch Gabe ward sie Manchem, der sie nicht kannte, kund. Darüber zu den Gästen hub Mancher an zur Stund: "Wir wähnten, Kriemhilden benommen wär ihr Gut, Die nun mit ihren Gaben hier so große Wunder thut." 1417 Diese Hochzeit währte siebzehn Tage lang. Von keinem andern König weiß der Heldensang, Der solche Hochzeit hielte: es ist uns unbekannt. Alle, die da waren, die trugen neues Gewand. 1418 Sie hatte nie geseßen daheim in Niederland Vor so manchem Recken; auch ist mir wohlbekannt, War Siegfried reich an Schätzen, so hatte er doch nicht So viel der edeln Recken, als sie hier sah in Etzels Pflicht. 1419 Wohl gab auch nie ein König bei seiner Hochzeit So manchen reichen Mantel, lang, tief und weit, Noch so gute Kleider, als man hier gewann, Die Kriemhildens willen alle wurden vertan. 1420 Ihre Freunde wie die Gäste hatten Einen Muth: Sie dachten nichts zu sparen, und wärs das beste Gut. Was Einer wünschen mochte, man war dazu bereit; Da Standen viel der Degen vor Milde bloß und ohne Kleid. 1421 Wenn sie daran gedachte, wie sie am Rheine saß Bei ihrem edeln Manne, ihre Augen wurden naß; Doch hehlte sie es immer, daß es Niemand sah, Da ihr nach manchem Leide so viel der Ehren geschah. 1422 Was Einer that aus Milde, das war doch gar ein Wind Gegen Dietrichen: was Botlungens Kind Ihm gegeben hatte, das wurde gar verwandt. Da begieng auch große Wunder des milden Rüdiger Hand. 1423 Auch aus Ungarlande der Degen Blödelein Ließ da ledig machen manchen Reiseschrein Von Silber und von Golde: das ward dahin gegeben. Man sah des Königs Helden so recht fröhlich alle leben. 1424 Des Königs Spielleute, Werbel und Schwemmelein, Wohl an tausend Marken nahm Jedweder ein Bei dem Hofgelage (oder mehr als das), Als die schöne Kriemhild bei Etzeln unter Krone saß. 1425 Am achtzehnten Morgen von Wien die Helden ritten. In Ritterspielen wurden der Schilde viel verschnitten Von Speren, so da führten die Recken an der Hand: So kam der König Etzel mit Freuden in der Heunen Land. 1426 In Heimburg der alten verblieb man über Nacht. Da konnte Niemand wißen recht des Volkes Macht, Mit welchen Heerkräften sie ritten durch das Land. Hei! was schöner Frauen man in seiner Heimat fand! 1427 In Misenburg der reichen fieng man zu segeln an. Verdeckt ward das Wasser von Ross und auch von Mann, Als ob es Erde wäre, was man doch fließen sah. Die wegemüden Frauen mochten sich wohl ruhen da. 1428 Zusammen war gebunden manches Schifflein gut, Daß ihnen wenig schaden Woge mocht und Flut; Darüber ausgebreitet manch köstlich Geleit, Als ob sie noch immer beides hatten, Land und Feld. 1429 Nun ward auch in Etzelnburg die Märe kund gethan: Da freute sich darinnen beides, Weib und Mann. Etzels Ingesinde, des einst Frau Helke pflag, Erlebte bei Kriemhilden noch manchen fröhlichen Tag. 1430 Da stand ihrer harrend gar manche edle Maid, Die seit Helkens Tode getragen Herzeleid. Sieben Königstöchter Kriemhild noch da fand; Durch die so ward gezieret König Etzels ganzes Land. 1431 Herrat die Jungfrau noch des Gesindes pflag, Helkens Schwestertochter, in der viel Tugend lag, Dietrichs Verlobte, eines edeln Königs Sproß, Die Tochter Nentweinens, die noch viel Ehren genoß. 1432 Auf der Gäste Kommen freute sich ihr Muth; Auch war dazu verwendet viel kostbares Gut. Wer könnt euch des bescheiden, wie der König saß seitdem? Den Heunen ward nicht wieder eine Königin so genehm. 1433 Als der Fürst mit seinem Weibe geritten kam vom Strand, Wer eine Jede führte, das ward da wohl benannt Kriemhild der edeln: sie grüßte desto mehr. Wie saß an Helkens Stelle sie bald gewaltig und hehr! 1434 Getreulichen Dienstes ward ihr viel bekannt. Die Königin vertheilte Gold und Gewand, Silber und Gesteine: was sie des überrhein Zum Heunenlande brachte, das muste gar vergeben sein. 1435 Auch wurden ihr mit Diensten ergeben allzumal Die Freunde des Königs und denen er befahl, Daß Helke nie die Königin so gewaltiglich gebot, Als sie ihr dienen musten bis an Kriemhildens Tod. 1436 Da stand in solchen Ehren der Hof und auch das Land, Daß man zu allen Zeiten die Kurzweile fand, Wonach einem Jeden verlangte Herz und Muth; Das schuf des Königs Liebe, dazu der Königin Gut. Abenteuer 23
Wie Kriemhild ihr Leid zu rächen gedachte
1437 In so hohen Ehren, das ist alles wahr, Wohnten sie beisammen bis an das siebte Jahr. Eines Sohns war genesen derweil die Königin: Das schien König Etzel der allergröste Gewinn. 1438 Bis sie es erlangte, ließ sie nicht ab davon, Die Taufe must empfangen König Etzels Sohn Nach christlichem Brauche: Ortlieb ward er genannt. Darob war große Freude über Etzels ganzem Land. 1439 Der Zucht, deren jemals zuvor Frau Helke pflag, Fliß sich Frau Kriemhild darauf gar manchen Tag. Es lehrte sie die Sitte Herrat die fremde Maid; Die trug noch in der Stille um Helke schmerzliches Leid. 1440 Vor Heimischen und Fremden gestanden allesamt Beßer und milder hab eines Königs Land Nie eine Frau beseßen: das hielten sie für wahr. Des rühmten sie die Heunen bis an das dreizehnte Jahr. 1441 Nun wuste sie, daß Niemand ihr feindlich sei gesinnt, Wie oft wohl Königinnen der Fürsten Recken sind, Und daß sie täglich mochte zwölf Könge vor sich sehn. Sie vergaß auch nicht des Leides, das ihr daheim war geschehn. 1442 Sie gedacht auch noch der Ehren in Nibelungenland, Die ihr geboten worden und die ihr Hagens Hand Mit Siegfriedens Tode hatte gar benommen, Und ob ihm das nicht jemals noch zu Leide sollte kommen. 1443 "Es geschäh, wenn ich ihn bringen möcht in dieses Land." Ihr träumte wohl, ihr gienge bei Etzel an der Hand Geiselher ihr Bruder; sie küsst’ ihn allezeit In ihrem sanften Schlafe: das ward zu schmerzlichem Leid. 1444 Der üble Teufel war es wohl, der Kriemhilden rieth, Daß sie in Freundschaft von König Gunther schied Und ihn zur Sühne küsste in Burgundenland. Aufs Neu begann zu triefen von heißen Thränen ihr Gewand. 1445 Es lag ihr an dem Herzen beides, spat und fruh, Wie man mit Widerstreben sie doch gebracht dazu, Daß sie minnen muste einen heidnischen Mann: Die Noth hatt ihr Hagen und Herr Gunther angethan. 1446 Wie sie das rächen möchte, dachte sie alle Tage: "Ich bin nun wohl so mächtig, wem es auch missbehage, Daß ich meinen Feinden mag schaffen Herzeleid: Dazu wär ich dem Hagen von Tronje gerne bereit. 1447 "Nach den Getreuen jammert noch oft die Seele mein; Doch die mir Leides thaten, möcht ich bei denen sein, So würde noch gerochen meines Friedels Tod. Kaum kann ich es erwarten," sprach sie in des Herzens Noth. 1448 Es liebten sie Alle, die dem König unterthan, Die Recken Kriemhildens; das war wohlgethan. Ihr Kämmerer war Eckewart: drum ward er gern gesehn: Kriemhildens Willen konnte Niemand widerstehn. 1449 Sie gedacht auch alle Tage: "Ich will den König bitten," Er möcht ihr vergönnen mit gütlichen Sitten, Daß man ihre Freunde brächt in der Heunen Land. Den argen Willen Niemand an der Königin verstand. 1450 Als eines Nachts Frau Kriemhild bei dem König lag, Umfangen mit den Armen hielt er sie, wie er pflag Der edeln Frau zu kosen, sie war ihm wie sein Leib, Da gedachte ihrer Feinde dieses herrliche Weib. 1451 Sie sprach zu dem König: "Viel lieber Herre mein, Ich wollt euch gerne bitten, möcht es mit Hulden sein, Daß ihr mich sehen ließet, ob ich verdient den Sold, Daß ihr meinen Freunden wäret inniglich hold." 1452 Da sprach der mächtge König, arglos war sein Muth: "Des sollt ihr inne werden: was man den Helden thut Zu Ehren und zu Gute, mir geschieht ein Dienst daran, Da ich von Weibesminne nie beßre Freunde gewann." 1453 Noch sprach zu ihm die Königin: "Ihr wißt so gut wie ich, Ich habe hohe Freunde: darum betrübt es mich, Daß mich die so selten besuchen hier im Land: Ich bin allen Leuten hier nur als freundlos bekannt." 1454 Da sprach der König Etzename = "note" "Viel liebe Fraue mein, Däucht’ es sie nicht zu ferne, so lüd ich überrhein, Die ihr da gerne sähet, hieher zu meinem Land." Sie freute sich der Rede, als ihr sein Wille ward bekannt. 1455 Sie sprach: "Wollt ihr mir Treue leisten, Herre mein, So sollt ihr Boten senden gen Worms überrhein. So entbiet ich meinen Freunden meinen Sinn und Muth: So kommen uns zu Lande viel Ritter edel und gut." 1456 Er sprach: "Wenn ihr gebietet, so laß ich es geschehn. Ihr könntet eure Freunde nicht so gerne sehn, Der edeln Ute Kinder, als ich sie sähe gern: Es ist mir ein Kummer, daß sie so fremd uns sind und fern." 1457 Er sprach: "Wenn dirs gefiele, viel liebe Fraue mein, Wollt ich als Boten senden zu den Freunden dein Meine Fiedelspieler gen Burgundenland." Die guten Spielleute ließ man bringen gleich zur Hand. 1458 Die Knappen kamen beide, wo sie den König sahn Sitzen bei der Königin. Da sagt’ er ihnen an, Sie sollten Boten werden nach Burgundenland. Auch ließ er ihnen schaffen reiches herrliches Gewand. 1459 Vierundzwanzig Recken schnitt man da das Kleid. Ihnen ward auch von dem König gegeben der Bescheid, Wie sie Gunthern laden sollten und Die ihm unterthan. Frau Kriemhild mit ihnen geheim zu sprechen begann. 1460 Da sprach der reiche König: "Nun hört, wie ihr thut: Ich entbiete meinen Freunden alles, was lieb und gut, Daß sie geruhn zu reiten hieher in mein Land. Ich habe noch gar selten so liebe Gäste gekannt. 1461 "Und wenn sie meinen Willen gesonnen sind zu thun, Kriemhilds Verwandte, so mögen sie nicht ruhn Und mir zu Liebe kommen zu meinem Hofgelag, Da meiner Schwäger Freundschaft mich so sehr erfreuen mag." 1462 Da sprach der Fiedelspieler, der stolze Schwemmelein: "Wann soll euer Gastgeber in diesen Landen sein? Daß wirs euern Freunden am Rhein mögen sagen." Da sprach der König Etzename = "note" "In der nächsten Sonnenwende Tagen." 1463 "Wir thun, was ihr gebietet," sprach da Werbelein. Kriemhild ließ die Boten zu ihrem Kämmerlein Führen in der Stille und besprach mit ihnen da, Wodurch noch manchem Degen bald wenig Liebes geschah. 1464 Sie sprach zu den Boten: "Ihr verdient groß Gut, Wenn ihr besonnen meinen Willen thut Und sagt, was ich entbiete heim in unser Land: Ich mach euch reich an Gute und geb euch herrlich Gewand. 1465 "Wen ihr von meinen Freunden immer möget sehn Zu Worms an dem Rheine, dem sollt ihrs nie gestehn, Daß ihr mich immer sähet betrübt in meinem Muth; Und entbietet meine Grüße diesen Helden kühn und gut. 1466 "Bittet sie zu leisten, was mein Gemahl entbot, Und mich dadurch zu scheiden von all meiner Noth. Ich scheine hier den Heunen freundlos zu sein. Wenn ich ein Ritter hieße ich käme manchmal an den Rhein. 1467 "Und sagt auch Gernoten, dem edeln Bruder mein, Daß ihm auf Erden Niemand holder möge sein: Bittet, daß er mir bringe hierher in dieses Land Unsre besten Freunde: so wird uns Ehre bekannt. 1468 "Sagt auch Geiselheren, ich mahn ihn daran, Daß ich mit seinem Willen nie ein Leid gewann: Drum sähn ihn hier im Lande gern die Augen mein; Auch will ich all mein Leben ihm zu Dienst verpflichtet sein. 1469 "Sagt auch meiner Mutter, wie mir Ehre hier geschieht; Und wenn von Tronje Hagen der Reise sich entzieht, Wer ihnen zeigen solle die Straßen durch das Land? Die Wege zu den Heunen sind von frühauf ihm bekannt." 1470 Nun wusten nicht die Boten, warum das möge sein, Daß sie diesen Hagen von Tronje nicht am Rhein Bleiben laßen sollten. Bald ward es ihnen leid: Durch ihn war manchem Degen mit dem grimmen Tode gedräut. 1471 Botenbrief und Siegel ward ihnen nun gegeben; Sie fuhren reich an Gute und mochten herrlich leben. Urlaub gab ihnen Etzel und sein schönes Weib; Ihnen war auch wohlgezieret mit guten Kleidern der Leib. Abenteuer 24
Wie Werbel und Schwemmel die Botschaft brachten
1472 Als Etzel seine Fiedler hin zum Rheine sandte, Da flogen diese Mären von Lande zu Lande: Mit schnellen Abgesandten bat er und entbot Zu seinem Hofgelage; da holte Mancher sich den Tod. 1473 Die Boten ritten hinnen aus der Heunen Land Zu den Burgunden, wohin man sie gesandt Zu dreien edeln Königen und ihrer Mannen Heer: Daß sie zu Etzeln kämen; da beeilten sie sich sehr. 1474 Zu Bechlaren ritten schon die Boten ein. Ihnen diente man da gerne und ließ auch das nicht sein: Ihre Grüße sandten Rüdger und Gotelind Den Degen an dem Rheine und auch des Markgrafen Kind. 1475 Sie ließen ohne Gaben die Boten nicht hindann, Daß desto sanfter führen Die Etzeln unterthan. Uten und ihren Söhnen entbot da Rüdiger, Ihnen so gewogen hätten sie keinen Markgrafen mehr. 1476 Sie entboten auch Brunhilden Alles, was lieb und gut, Ihre stäte Treue und dienstbereiten Muth. Da wollten nach der Rede die Boten weiter ziehn; Gott bat sie zu bewahren Gotlind die edle Markgräfin. 1477 Eh noch die Boten völlig durchzogen Baierland, Werbel der Schnelle den guten Bischof fand. Was der da seinen Freunden hin an den Rhein entbot, Davon hab ich nicht Kunde; jedoch sein Gold also roth 1478 Gab er den Boten milde. Als sie wollten ziehn, "Sollt ich sie bei mir schauen," sprach Bischof Pilgerin, "So wär mir wohl zu Muthe, die Schwestersöhne mein: Ich mag leider selten zu ihnen kommen an den Rhein." 1479 Was sie für Wege fuhren zum Rhein durch das Land, Kann ich euch nicht bescheiden. Ihr Gold und ihr Gewand Blieb ihnen unbenommen; man scheute Etzels Zorn: So gewaltig herrschte der edle König wohlgeborn. 1480 Binnen zwölf Tagen kamen sie an den Rhein, Gen Worms in die Veste, Werbel und Schwemmelein. Da sagte mans dem König und seinen Mannen an, Es kämen fremde Boten; Gunther zu fragen begann. 1481 Da sprach der Vogt vom Rheine: "Wer macht uns bekannt, Von wannen diese Gäste ritten in das Land?" Davon wuste Niemand, bis die Boten sah Hagen von Tronje: der begann zu Gunthern da: 1482 "Wir hören Neues heute, dafür will ich euch stehn: Etzels Fiedelspieler die hab ich hier gesehn; Die hat eure Schwester gesendet an den Rhein: Ihres Herren Willen sollen sie uns willkommen sein." 1483 Sie ritten ohne Weilen zu dem Saal heran: So herrlich fuhr wohl nimmer eines Fürsten Fiedelmann. Des Königs Ingesinde empfieng sie gleich zur Hand; Herberge gab man ihnen und bewahrte ihr Gewand. 1484 Ihre Reisekleider waren reich und so wohlgethan, Sie mochten wohl mit Ehren sich so dem König nahn; Doch wollten sie nicht länger sie dort am Hofe tragen. "Ob Jemand sie begehre?" ließen da die Boten fragen. 1485 Da waren auch bedürftige Leute bei der Hand, Die sie gerne nahmen: denen wurden sie gesandt. Da schmückten mit Gewanden so reich die Gäste sich, Wie es Königsboten herrlich stand und wonniglich. 1486 Da gieng mit Urlaube hin, wo der König saß Etzels Ingesinde: gerne sah man das. Herr Hagen gleich den Boten vom Sitz entgegen sprang, Sie freundlich zu begrüßen: des sagten ihm die Knappen Dank. 1487 Da hub er um die Kunde sie zu befragen an, Wie Etzel sich gehabe und Die ihm unterthan. Da sprach der Fiedelspieler: "Nie beßer stands im Land, Das Volk war niemals froher, das sei euch wahrlich bekannt." 1488 Er führte sie dem Wirthe zu; der Königssaal war volname = "note" Da empfieng man die Gäste, wie man immer soll Boten freundlich grüßen in andrer Könge Land. Werbel der Recken viel bei König Gunthern fand. 1489 Der König wohlgezogen zu grüßen sie begann: "Willkommen, beide Fiedler, die Etzeln unterthan, Mit euern Heergesellen: wozu hat euch gesandt Etzel der reiche zu der Burgunden Land?" 1490 Sie neigten sich dem König. Da sprach Werbelein: "Euch entbietet seine Dienste der liebe Herre mein Und Kriemhild eure Schwester hieher in dieses Land: Sie haben uns euch Recken auf gute Treue gesandt." 1491 Da sprach der reiche König: "Der Märe bin ich froh. Wie gehabt sich Etzel," der Degen fragte so, "Und Kriemhild meine Schwester in der Heunen Land?" Da sprach der Fiedelspieler: "Das mach ich gern euch bekannt. 1492 "Beßer wohl gehabten sich Könge nirgend mehr Und fröhlicher, das wißet, als die Fürsten hehr Und ihre Degen alle, Freund und Untertan. Sie freuten sich der Reise, da wir schieden hindann," 1493 "Nun Dank ihm für die Dienste, die er mir entbeut, Ihm und meiner Schwester: gern erfahr ich heut, Daß sie in Freuden leben, der König und sein Lehn; Meine Frage war nach ihnen in großen Sorgen geschehn." 1494 Die beiden jungen Könige waren auch gekommen, Die hatten diese Märe eben erst vernommen. Geiselher der junge die Boten gerne sah Aus Liebe zu der Schwester; gar minniglich sprach er da: 1495 "Ihr Boten sollt uns beide hochwillkommen sein; Kämet ihr geritten nur öfter an den Rhein, Ihr fändet hier der Freunde, die ihr gerne möchtet sehn. Euch sollte hier zu Lande wenig Leides geschehn." 1496 "Wir versehn uns alles Guten zu euch," sprach Schwemmelein; "Ich könnt euch nicht bedeuten mit den Worten mein, Wie minnigliche Grüße euch Etzel hat gesandt Und eure edle Schwester, die da in hohen Ehren stand. 1497 "An eure Lieb und Treue mahnt euch die Königin Und daß ihr stäts gewogen war euer Herz und Sinn. Zuvörderst euch, Herr König, sind wir hieher gesandt, Daß ihr geruht zu reiten zu ihnen in der Heunen Land. 1498 "Es soll auch mit euch reiten euer Bruder Gernot. Etzel der reiche euch Allen das entbot, Wenn ihr nicht kommen wolltet, eure Schwester sehn, So möcht er doch wohl wißen, was euch von ihm war geschehn, 1499 "Daß ihr ihn also meidet und auch sein Reich und Land. Wär euch auch die Königin fremd und unbekannt, So möcht er selbst verdienen, ihr kämet ihn zu sehn: Wenn ihr das leisten wolltet, so wär ihm Liebes geschehn." 1500 Da sprach der König Gunther: "Nach der siebten Nacht Will ich euch bescheiden, wes ich mich bedacht Hab im Rath der Freunde; geht derweilen hin Zu eurer Herberge und findet gute Ruh darin." 1501 Da sprach wieder Werbename = "note" "Könnt es nicht geschehn, Daß wir unsre Fraue, die reiche Ute, sehn, Eh wir müden Degen fragten nach der Ruh?" Da sprach wohlgezogen der edle Geiselher dazu: 1502 "Das soll euch Niemand wehren; wollt ihr vor sie gehn, So ist auch meiner Mutter Will und Wunsch geschehn, Denn sie sieht euch gerne um die Schwester mein, Frau Kriemhilde: ihr sollt ihr willkommen sein." 1503 Geiselher sie brachte hin, wo er Uten fand. Die sah die Boten gerne aus der Heunen Land Und empfieng sie freundlich mit wohlgezognem Muth. Da sagten ihr die Märe die Boten höfisch und gut. 1504 "Meine Frau läßt euch entbieten," sprach da Schwemmelein, "Dienst und stäte Treue, und wenn es möchte sein, Daß sie euch öfter sähe, so glaubet sicherlich, Wohl keine andre Freude auf Erden wünschte sie sich." 1505 Da sprach die Königin Ute: "Dass kann nun nicht sein. So gern ich öfter sähe die liebe Tochter mein, So wohnt zu fern uns leider die edle Königin: Nun geh ihr immer selig die Zeit mit Etzeln dahin. 1506 "Ihr sollt mich wißen laßen, eh ihr von hinnen müßt, Wenn ihr reiten wollet; ich sah in langer Frist Boten nicht so gerne, als ich euch gesehn." Da gelobten ihr die Knappen, ihr Wille solle geschehn. 1507 Zu den Herbergen giengen Die von Heunenland. Der reiche König hatte die Freunde nun besandt. Gunther der edle fragte Mann für Mann, Was sie darüber dächten? Wohl Manche huben da an, 1508 Er möge wohl reiten in König Etzels Land. Das riethen ihm die Besten, die er darunter fand. Hagen nur alleine, dem war es grimmig leid. Zum König sprach er heimlich: "Mit euch selbst seid ihr im Streit. 1509 Ihr habt doch nicht vergeßen, was ihr von uns geschehn: Vor Kriemhilden müßen wir stäts in Sorge stehn. Ich schlug ihr zu Tode den Mann mit meiner Hand: Wie dürften wir wohl reiten hin in König Etzels Land?" 1510 Da sprach der reiche König: "Meiner Schwester Zürnen schwand. Mit minniglichem Kusse, eh sie verließ dieß Land, Hat sie uns verziehen, was wir an ihr gethan, Es wäre denn, sie stände bei euch, Herr Hagen, noch an." 1511 "Nun laßt euch nicht betrügen," sprach Hagen, "was auch sagen Diese Heunenboten: wollt ihrs mit Kriemhild wagen, Da verliert ihr zu der Ehre Leben leicht und Leib: Sie weiß wohl nachzutragen, dem König Etzel sein Weib!" 1512 Da sprach vor dem Rathe der König Gernot: "Ihr mögt aus guten Gründen fürchten dort den Tod In heunischen Reichen; ständen wir drum an Und mieden unsre Schwester, das wär übel gethan." 1513 Da sprach zu dem Degen der junge Geiselher: "Da ihr euch, Freund Hagen, schuldig wißt so sehr, So bleibt hier im Lande, euer Heil zu weisen; Nur laßt, die sichs getrauen, mit uns zu den Heunen fahren." 1514 Darob begann zu zürnen von Tronje der Held: "Ich will nicht, daß euch Jemand sei bei der Fahrt gesellt, Der an den Hof zu reiten sich mehr getraut als ich: Wollt ihrs nicht bleiben laßen, ich beweis’ es euch sicherlich." 1515 Da sprach der Küchenmeister Rumold der Degen: "Der Heimischen und Fremden mögt ihr zu Hause pflegen Nach euerm Wohlgefallen: da habt ihr vollen Rath; Ich glaube nicht, daß Hagen euch noch je vergeiselt hat. 1516 "Wollt ihr nicht Hagen folgen, so räth euch Rumold, Der ich euch dienstlich gewogen bin und hold, Daß ihr im Lande bleibet nach dem Willen mein Und laßt den König Etzel dort bei Kriemhilden sein. 1517 "Wo könntet ihr auf Erden so gut als hier gedeihn? Ihr mögt vor euern Feinden daheim geborgen sein, Ihr sollt mit guten Kleidern zieren euern Leib, Des besten Weines trinken und minnen manches schöne Weib. 1518 "Dazu giebt man euch Speise, so gut sie in der Welt Ein König mag gewinnen. Euer Land ist wohl bestellt: Der Hochzeit Etzels mögt ihr euch mit Ehren wohl begeben Und hier mit euern Freunden in guter Kurzweile leben. 1519 "Und hättet ihr nichts Anderes davon zu zehren hier, Ich gab euch Eine Speise die Fülle für und für, In Oel gesottne Schnitten. Das ist, was Rumold räth, Da es gar so ängstlich, ihr Herrn, dort bei den Heunen steht. 1520 "Hold wird euch Frau Kriemhild doch nimmer, glaubet mir; Auch habt ihr und Hagen es nicht verdient an ihr. Und wollt ihr nicht verbleiben, wer weiß, wie ihrs beklagt: Ihr werdets noch erkennen, ich hab euch Wahrheit gesagt. 1521 "Drum rath ich euch zu bleiben. Reich ist euer Land: Ihr könnt hier beßer lösen, was ihr gabt zu Pfand, Als dort bei den Heunen: wer weiß, wie es da steht? Verbleibt hier, ihr Herren: das ist, was Rumold euch rath." 1522 "Wir wollen nun nicht bleiben," sprach da Gernot. "Da es meine Schwester so freundlich uns entbot Und Etzel der reiche, was führen wir nicht hin? Die nicht mit uns wollen, mögen bleiben immerhin." 1523 "In Treuen," sprach da Rumold, "ich will der Eine sein, Der um Etzels Hofgelag kommt nimmer überrhein. Wie setzt’ ich wohl das Beßre aufs Spiel, das ich gewann? Ich will mich selbst so lange am Leben laßen, als ich kann." 1524 "So denk ichs auch zu reiten," sprach Ortwein der Degen: "Ich will der Geschäfte zu Hause mit euch pflegen." Da sprachen ihrer Viele, sie wollten auch nicht fahren: "Gott woll euch, liebe Herren, bei den Heunen wohl bewahren." 1525 Der König Gunther zürnte, als er ward gewahr, Sie wollten dort verbleiben, der Ruhe willen zwar: "Wir wollens drum nicht laßen, wir müßen an die Fahrt; Der waltet guter Sinne, der sich allezeit bewahrt." 1526 Zur Antwort gab da Hagen: "Laßt euch zum Verdruß Meine Rede nicht gereichen: was auch geschehen muß, Das rath ich euch in Treuen, wenn ihr euch gern bewahrt, Daß ihr nur wohlgerüstet zu dem Heunenlande fahrt. 1527 "Wenn ihrs euch unterwindet, so entbietet euer Heer, Die Besten, die ihr findet und irgend wißt umher, Aus ihnen Allen wähl ich dann tausend Ritter gut: So mag euch nicht gefährden der argen Kriemhilde Muth." 1528 "Dem Rathe will ich folgen," sprach der König gleich. Da sandt er seine Boten umher in seinem Reich. Bald brachte man der Helden dreitausend oder mehr. Sie dachten nicht zu finden so großes Leid und Beschwer. 1529 Sie ritten hohes Muthes durch König Gunthers Land. Sie verhießen Allen Ross’ und Gewand, Die ihnen geben wollten zum Heunenland Geleit. Da fand viel gute Ritter der König zu der Fahrt bereit. 1530 Da ließ von Tronje Hagen Dankwart den Bruder sein Achtzig ihrer Recken führen an den Rhein. Sie kamen stolz gezogen; Harnisch und Gewand Brachten viel die schnellen König Gunthern in das Land. 1531 Da kam der kühne Volker, ein edler Spielmann, Mit dreißig seiner Degen zu der Fahrt heran. Ihr Gewand war herrlich, ein König mocht es tragen. Er wollte zu den Heunen, ließ er dem Könige sagen. 1532 Wer Volker sei gewesen, das sei euch kund gethan. Es war ein edler Herre; ihm waren unterthan Viel der guten Recken in Burgundenland; Weil er fiedeln konnte, war er der Spielmann genannt. 1533 Hagen wählte tausend, die waren ihm bekannt; Was sie in starken Stürmen gefrommt mit ihrer Hand Und sonst begangen hatten, das hatt er oft gesehn: Auch alle Andern musten ihnen Ehre zugestehn. 1534 Die Boten Kriemhildens der Aufenthalt verdroß; Die Furcht vor ihrem Herren war gewaltig groß: Sie hielten alle Tage um den Urlaub an. Den gönnt’ ihnen Hagen nicht: das ward aus Vorsicht gethan. 1535 Er sprach zu seinem Herren: "Wir wollen uns bewahren, Daß wir sie reiten laßen, bevor wir selber fahren Sieben Tage später in König Etzels Land: Trägt man uns argen Willen, das wird so beßer gewandt. 1536 "So mag sich auch Frau Kriemhild bereiten nicht dazu, Daß uns nach ihrem Rathe Jemand Schaden thu. Will sie es doch versuchen, so fährt sie übel an: Wir führen zu den Herren manchen auserwählten Mann." 1537 Die Sättel und die Schilde und all ihr Gewand, Das sie führen wollten in König Etzels Land, War nun bereit und fertig für manchen kühnen Mann. Etzels Spielleute rief man zu Gunthern heran. 1538 Da die Boten kamen, begann Herr Gernot: "Der König will leisten, was Etzel uns entbot. Wir wollen gerne kommen zu seiner Lustbarkeit Und unsre Schwester sehen; daß ihr des außer Zweifel seid." 1539 Da sprach der König Gunther: "Wißt ihr uns zu sagen, Wann das Fest beginnt, oder zu welchen Tagen Wir erwartet werden?" Da sprach Schwemmelein: "Zur nächsten Sonnenwende da soll es in Wahrheit sein." 1540 Der König erlaubte das, war noch nicht geschehn, Wenn sie Frau Brunhilden wünschten noch zu sehn, Daß sie mit seinem Willen sprächen bei ihr an. Dem widerstrebte Volker: da war ihr Liebes gethan. 1541 "Es ist ja Frau Brunhild nun nicht so wohlgemuth, Daß ihr sie schauen möchtet," sprach der Ritter gut. "Wartet bis morgen, so läßt man sie euch sehn." Sie wähnten sie zu schauen, da konnt es doch nicht geschehn. 1542 Da ließ der reiche König, er war den Boten hold, Aus eigner hoher Milde daher von seinem Gold Auf breiten Schilden bringen; wohl war er reich daran. Ihnen ward auch reiche Schenkung von seinen Freunden gethan. 1543 Geiselher und Gernot, Gere und Ortewein, Wie sie auch milde waren, das leuchtete wohl ein: So reiche Gaben boten sie den Boten an, Daß sie’s vor ihrem Herren nicht getrauten zu empfahn. 1544 Da sprach zu dem König der Bote Werbelein: "Herr König, laßt die Gaben nur hier im Lande sein. Wir könnens nicht verführen, weil uns der Herr verbot, Daß wir Geschenke nähmen: auch thut es uns wenig Noth." 1545 Da ward der Vogt vom Rheine darüber ungemuth, Daß sie verschmähen wollten so reichen Königs Gut. Da musten sie empfahen sein Gold und sein Gewand, Daß sie es mit sich führten heim in König Etzels Land. 1546 Sie wollten Ute schauen vor ihrer Wiederkehr. Die Spielleute brachte der junge Geiselher Zu Hof vor seine Mutter; sie entbot der Königin, Wenn man ihr Ehre biete, so bedünk es sie Gewinn. 1547 Da ließ die Königswitwe ihre Borten und ihr Gold Vertheilen um Kriemhildens, denn der war sie hold, Und König Etzels Willen an das Botenpaar. Sie mochtens wohl empfahen: getreulich bot sie es dar. 1548 Urlaub genommen hatten nun von Weib und Mann Die Boten Kriemhildens; sie fuhren froh hindann Bis zum Schwabenlande: dahin ließ Gernot Seine Helden sie begleiten, daß sie nirgend litten Noth. 1549 Als die von ihnen schieden, die sie sollten pflegen, Gab ihnen Etzels Herschaft Frieden auf den Wegen, Daß ihnen Niemand raubte ihr Ross noch ihr Gewand. Sie ritten sehr in Eile wieder in der Heunen Land. 1550 Wo sie Freunde wusten, da machten sie es kund, In wenig Tagen kämen die Helden von Burgund Vom Rhein hergezogen in der Heunen Land. Pilgerin, dem Bischof, ward auch die Märe bekannt. 1551 Als sie vor Bechlaren die Straße niederzogen, Da ward um die Märe Rüdger nicht betrogen, Noch Frau Gotelinde, die Markgräfin hehr. Daß sie sie schauen sollten, des freuten beide sich sehr. 1552 Die Spielleute spornten die Rosse mächtig an. Sie sanden König Etzeln in seiner Stadt zu Gran, Gruß über Grüße, die man ihm her entbot, Brachten sie dem Könige: vor Liebe ward er freudenroth. 1553 Als Kriemhild der Königin die Märe ward bekannt, Ihre Brüder wollten kommen in ihr Land, Da ward ihr wohl zu Muthe: sie gab den Boten Lohn Mit reichlichen Geschenken; sie hatte Ehre davon. 1554 Sie sprach: "Nun sagt mir beide, Werbel und Schwemmelein, Wer will von meinen Freunden beim Hofgelage sein, Von den höchsten, die wir luden hieher in dieses Land? Sagt an, was sprach wohl Hagen, als ihm die Mähre ward bekannt?" 1555 "Er kam zu ihrem Rathe an einem Morgen fruh; Wenig gute Sprüche redet’ er dazu, Als sie die Fahrt gelobten nach dem Heunenland: Die hat der grimme Hagen die Todesreise genannt. 1556 "Es kommen eure Brüder, die Könge alle drei, In herrlichem Muthe. Wer mehr mit ihnen sei, Darüber ich des Weitern euch nicht bescheiden kann. Es will mit ihnen reiten Volker der kühne Fiedelmann." 1557 "Des mag ich leicht entbehren," sprach die Königin, "Daß ich auch Volkern sähe her zu Hofe ziehn; Hagen bin ich gewogen, der ist ein Degen gut: Daß wir ihn schauen sollen, des hab ich fröhlichen Muth." 1558 Hin gieng die Königstochter, wo sie den König sah. Wie ininnigliche Worte sprach Frau Kriemhild da: "Wie gefallen euch die Mären, viel lieber Herre mein? Wes mich je verlangte, das soll nun bald vollendet sein." 1559 "Dein Will ist meine Freude," der König sprach da so: "Ich wär der eignen Freunde nicht so von Herzen froh, Wenn sie kommen sollten hieher in unser Land. Durch deiner Freunde Liebe viel meiner Sorge verschwand." 1560 Des Königs Amtleute befahlen überall Mit Gestühl zu schmücken Pallas und Saal Für die lieben Gäste, die da sollten kommen. Durch die ward bald dem König viel hoher Freude benommen. Abenteuer 25
Wie die Könige zu den Heunen fuhren
1561 Wie man dort gebarte, vernahmt ihr nun genug. Wohl kamen nie gefahren in solchem stolzen Zug So hochgemuthe Degen in eines Königs Land; Sie hatten, was sie wollten, beides, Waffen und Gewand. 1562 Der Vogt vom Rheine kleidete aus seinem Heergeleit Der Degen tausend sechzig, so gab man uns Bescheid, Und neuntausend Knechte zu dem Hofgelag; Die sie zu Hause ließen, beweinten es wohl hernach. 1563 Da trug man ihr Geräthe zu Worms übern Hof. Wohl sprach da von Speier ein alter Bischof Zu der schönen Ute: "Unsre Freunde wollen fahren Zu dem Gastgebote: möge Gott sie da bewahren." 1564 Da sprach zu ihren Söhnen Ute, die Fraue gut: "Ihr solltet hier verbleiben, Helden hochgemuth. Geträumt hat mir heute von ängstlicher Noth, Wie all das Gevögel in diesem Lande wäre todt." 1565 "Wer sich an Träume wendet," sprach dawider Hagen, "Der weiß noch die rechte Kunde nicht zu sagen, Wie es mög am Besten um seine Ehre stehn: Es mag mein Herr nur immer mit Urlaub hin zu Hofe gehn. 1566 "Wir wollen gerne reiten in König Etzels Land: Da mag wohl Köngen dienen guter Helden Hand, So wir da schauen sollen Kriemhildens Hochzeit." Hagen rieth die Reise; doch ward es später ihm leid. 1567 Er hätt es widerrathen, nur daß Gernot Mit ungefügen Reden ihm Spott entgegenbot. Er mahnt’ ihn an Siegfried, Frau Kriemhildens Mann: Er sprach: "Darum steht Hagen die große Reise nicht an." 1568 Da sprach von Tronje Hagen: "Nicht Furcht ist’s, daß ich’s thu. Gebietet ihr es, Helden, so greift immer zu: Gern will ich mit euch reiten in König Etzels Land." Bald ward von ihm zerhauen mancher Helm und Schildesrand. 1569 Die Schiffe standen fertig zu fahren überrhein; Was sie an Kleidern hatten, trugen sie darein. Sie fanden viel zu schaffen bis zur Abendzeit; Sie huben sich von Hause zur Reise freudig bereit. 1570 Sie schlugen auf im Grase sich Hütten und Gezelt Jenseits des Rheines, wo das Lager war bestellt. Da bat noch zu verweilen Gunthern sein schönes Weib; Sie herzte nachts noch einmal des Mannes waidlichen Leib. 1571 Flöten und Posaunen erschollen morgens fruh Den Aufbruch anzukündigen: da griff man bald dazu. Wem Liebes lag im Arme, herzte des Freundes Leib; Mit Leid trennte Viele des König Etzel Weib. 1572 Der schönen Ute Söhne die hatten einen Mann, Der kühn war und bieder; als man die Fahrt begann, Sprach er zu dem Könige geheim nach seinem Muth. Er sprach: "Ich muß wohl trauern, daß ihr die Hofreise thut." 1573 Er war geheißen Rumold, ein Degen auserkannt. Er sprach: "Wem wollt ihr laßen Leute nun und Land? Daß Niemand doch euch Recken wenden mag den Muth! Die Mären Kriemhildens dauchten mich niemals gut." 1574 "Das Land sei dir befohlen und auch mein Söhnelein; Und diene wohl den Frauen: das ist der Wille mein. Wen du weinen siehest, dem tröste Herz und Sinn; Es wird uns nichts zu Leide Kriemhild thun, die Königin." 1575 Eh man schied von dannen, berieth der König hehr Sich mit den höchsten Mannen; er ließ nicht ohne Wehr Das Land und die Burgen: die ihrer sollten pflegen, Zum Schutze ließ er denen manchen auserwählten Degen. 1576 Die Rosse standen aufgezäumt den Mannen wie den Herrn: Mit minniglichem Kusse zog da Mancher fern, Dem noch in hohem Muthe lebte Seel und Leib; Das muste bald beweinen manches waidliche Weib. 1577 Wehruf und Weinen hörte man genug; Auf dem Arm die Königin ihr Kind dem König trug: "Wie wollt ihr so verwaisen uns beide auf ein Mal? Verbleibet uns zu Liebe," sprach sein jammerreich Gemahl. 1578 "Frau, ihr sollt nicht weinen um den Willen mein, Ihr mögt hier ohne Sorgen in hohem Muthe sein: Wir kommen bald euch wieder mit Freuden wohl gesund." Sie schieden von den Freunden minniglich zur selben Stund. 1579 Als man die schnellen Recken sah zu den Rossen gehn, Fand man viel der Frauen in hoher Trauer stehn. Daß sie auf ewig schieden, sagt’ ihnen wohl der Muth: Zu großem Schaden kommen, das thut Niemanden gut. 1580 Die schnellen Burgunden begannen ihren Zug. Da ward in dem Lande das Treiben groß genug; Beiderseits des Rheines weinte Weib und Mann. Wie auch das Volk gebarte, sie fuhren fröhlich hindann. 1581 Niblungens Helden zogen mit ihnen aus In tausend Halsbergen: die hatten dort zu Haus Viel schöne Fraun gelaßen und sahn sie nimmermehr. Siegfriedens Wunden die schmerzten Kriemhilden sehr. 1582 Nur schwach in jenen Zeiten war der Glaube noch: Es sang ihnen Messe ein Kaplan jedoch: Der kam gesund zurücke, obwohl aus großer Noth; Die andern blieben alle dort im Heunenlande todt.
1583 Da lenkten mit der Reise auf den Mainstrom an Hinauf durch Ostfranken Die Gunthern unterthan. Hagen war ihr Führer, der war da wohlbekannt. Ihr Marschall war Dankwart, der Held von Burgundenland. 1584 Da sie von Ostfranken durch Schwalefelde ritten, Da konnte man sie kennen an den herrlichen Sitten, Die Fürsten und die Freunde, die Helden lobesam. An dem zwölften Morgen der König an die Donau kam. 1585 Da ritt von Tronje Hagen den andern all zuvor: Er hielt den Nibelungen zumal den Muth empor. Bald sprang der kühne Degen nieder auf den Strand, Wo er sein Ross in Eile fest an einem Baume band. 1586 Die Flut war ausgetreten, die Schifflein verborgen: Die Nibelungen kamen da in große Sorgen, Wie sie hinüber sollten: das Wasser war zu breit. Da schwang sich zur Erde mancher Ritter allbereit. 1587 "Uebel," sprach da Hagen, "mag dir wohl hier geschehn, König an dem Rheine; du magst es selber sehn: Das Wasser ist ergoßen, zu stark ist seine Flut: Ich fürchte, wir verlieren noch heute manchen Recken gut." 1588 "Hagen, was verweist ihr mir?" sprach der König hehr, "Um eurer Hofzucht willen erschreckt uns nicht noch mehr. Ihr sollt die Furt uns suchen hinüber an das Land, Daß wir von hinnen bringen beides, Ross’ und Gewand." 1589 "Mir ist ja noch," sprach Hagen, "mein Leben nicht so leid, Daß ich mich möcht ertränken in diesen Wellen breit: Erst soll von meinen Händen ersterben mancher Mann In König Etzels Landen, wozu ich gute Lust gewann. 1590 "Bleibet bei dem Wasser, ihr stolzen Ritter gut. So geh ich und suche die Fergen bei der Flut, Die uns hinüber bringen in Gelfratens Land." Da nahm der kühne Hagen seinen festen Schildesrand. 1591 Er war wohl bewaffnet: den Schild er bei sich trug; Sein Helm war aufgebunden und glänzte hell genug. Ueberm Harnisch führt’ er eine breite Waffe mit, Die an beiden Schärfen aufs allergrimmigste schnitt. 1592 Er suchte hin und wieder nach einem Schiffersmann. Da hört’ er Wasser rauschen; zu lauschen hub er an. In einem schönen Brunnen that das manch weises Weib: Die gedachten da im Bade sich zu kühlen den Leib. 1593 Hagen ward ihrer inne, da schlich er leis heran; Sie eilten schnell von hinnen, als sie den Helden sahn. Daß sie ihm entrannen, des freuten sie sich sehr. Da nahm er ihre Kleider und schadet’ ihnen nicht mehr. 1594 Da sprach das eine Meerweib, Hadburg war sie genannt: "Hagen, edler Ritter, wir machen euch bekannt, Wenn ihr uns dagegen die Kleider wiedergebt, Was ihr auf dieser Reise bei den Heunen erlebt." 1595 Sie schwammen wie die Vögel schwebend auf der Flut. Da daucht ihn ihr Wißen von den Dingen gut: So glaubt’ er um so lieber, was sie ihm wollten sagen. Sie beschieden ihn darüber, was er begann sie zu fragen. 1596 Sie sprach: "Ihr mögt wohl reiten in König Etzels Land: Ich setz euch meine Treue dafür zum Unterpfand: Niemals fuhren Helden noch in ein fremdes Reich Zu so hohen Ehren: in Wahrheit, ich sag es euch." 1597 Der Rede war da Hagen im Herzen froh und hehr! Die Kleider gab man ihnen und säumte sich nicht mehr. Als sie umgezogen ihr wunderbar Gewand, Vernahm er erst die Wahrheit von der Fahrt in Etzels Land. 1598 Da sprach das andre Meerweib mit Namen Siegelind: "Ich will dich warnen, Hagen, Aldrianens Kind. Meine Muhme hat dich der Kleider halb belogen: Und kommst du zu den Heunen, so bist du übel betrogen. 1599 "Wieder umzukehren, wohl wär es an der Zeit, Dieweil ihr kühnen Helden also geladen seid, Daß ihr müßt ersterben in der Heunen Land: Wer da hinreitet, der hat den Tod an der Hand." 1600 Da sprach aber Hagen: "Ihr trügt mich ohne Noth: Wie sollte das sich fügen, daß wir alle todt Blieben bei dem Hofgelag durch Jemandes Groll?" Da sagten sie dem Degen die Märe deutlich und voll. 1601 Da sprach die Eine wieder: "Es muß nun so geschehn, Keiner wird von euch allen die Heimat wiedersehn Als der Kaplan des Königs: das ist uns wohlbekannt, Der kommt geborgen wieder heim in König Gunthers Land." 1602 Ingrimmen Muthes sprach der kühne Hagen: "Das ließen meine Herren schwerlich sich sagen, Wir verlören bei den Heunen Leben all und Leib; Nun zeig uns übers Wasser, allerweisestes Weib." 1603 Sie sprach: "Willst du nicht anders und soll die Fahrt geschehn, So siehst du überm Wasser eine Herberge stehn: Darin ist ein Ferge und sonst nicht nah noch fern." Weiter nachzufragen, des begab er nun sich gern. 1604 Dem unmuthsvollen Recken rief noch die Eine nach: "Nun wartet, Herr Hagen, euch ist auch gar zu jach; Vernehmt noch erst die Kunde, wie ihr kommt durchs Land. Der Herr dieser Marke der ist Else genannt. 1605 "Sein Bruder ist geheißen Gelfrat der Held, Ein Herr im Baierlande: nicht so leicht es hält, Wollt ihr durch seine Marke: ihr mögt euch wohl bewahren Und sollt auch mit dem Fergen gar bescheidentlich verfahren. 1606 "Der ist so grimmes Muthes, er läßt euch nicht gedeihn, Wollt ihr nicht verständig bei dem Helden sein. Soll er euch überholen, so bietet ihm den Sold; Er hütet dieses Landes und ist Gelfraten hold. 1607 "Und kommt er nicht bei Zeiten, so ruft über Flut Und sagt, ihr heißet Amelrich; das war ein Degen gut, Der seiner Feinde willen räumte dieses Land: So wird der Fährmann kommen, wird ihm der Name genannt." 1608 Der übermüthge Hagen dankte den Frauen hehr Des Raths und der Lehre; kein Wörtlein sprach er mehr. Dann gieng er bei dem Wasser hinauf an dem Strand, Wo er auf jener Seite eine Herberge fand. 1609 Laut begann zu rufen der Degen über Flut: "Nun hol mich über, Ferge," sprach der Degen gut, "So geb ich dir zum Lohne eine Spange goldesroth; Mir thut das Ueberfahren, das wiße, wahrhaftig Noth." 1610 Es brauchte nicht zu dienen der reiche Schiffersmann, Lohn nahm er selten von Jemandem an; Auch waren seine Knechte zumal von stolzem Muth. Noch immer stand Hagen dießseits allein bei der Flut. 1611 Da rief er so gewaltig, der ganze Strom erscholl Von des Helden Stärke, die war so groß und volname = "note" "Mich Amelrich hol über; ich bin es, Elses Mann, Der vor starker Feindschaft aus diesen Landen entrann." 1612 Hoch an seinem Schwerte er ihm die Spange bot, Die war schön und glänzte von lichtem Golde roth, Daß er ihn überbrächte in Gelfratens Land. Der übermüthge Ferge nahm selbst das Ruder an die Hand. 1613 Auch hatte dieser Ferge habsüchtgen Sinn: Die Gier nach großem Gute bringt endlich Ungewinn; Er dachte zu verdienen Hagens Gold so roth, Da litt er von dem Degen hier den schwertgrimmen Tod. 1614 Der Ferge zog gewaltig hinüber an den Strand. Welcher ihm genannt war, als er den nicht fand, Da hub er an zu zürnen: als er Hagen sah, Mit grimmem Ungestüme zu dem Helden sprach er da: 1615 "Ihr mögt wohl sein geheißen mit Namen Amelrich; Doch seht ihr dem nicht ähnlich, des ich versehen mich. Von Vater und von Mutter war er der Bruder mein: Nun ihr mich betrogen habt, so müßt ihr dießhalben sein." 1616 "Nein! um Gotteswillen," sprach Hagen dagegen. "Ich bin ein fremder Recke, besorgt um andre Degen. So nehmet denn freundlich hin meinen Sold Und fahrt uns hinüber: ich bin euch wahrhaftig hold." 1617 Da sprach der Ferge wieder: "Das kann einmal nicht sein. Viel der Feinde haben die lieben Herren mein. Drum fahr ich keinen Fremden hinüber in ihr Land: Wenn euch das Leben lieb ist, so tretet aus an den Strand." 1618 "Das thu ich nicht," sprach Hagen, "traurig ist mein Muth. Nehmt zum Gedächtniß die goldne Spange gut Und fahrt uns über, tausend Ross’ und auch so manchen Mann." Da sprach der grimme Ferge: "Das wird nimmer gethan." 1619 Er hob ein starkes Ruder, mächtig und breit, Und schlug es auf Hagen (es ward ihm später leid), Daß er im Schiffe nieder strauchelt’ auf die Knie. Solchen grimmen Fergen fand der von Tronje noch nie. 1620 Noch stärker zu erzürnen den kühnen Fremdling, schwang Er seine Ruderstange, daß sie gar zersprang, Auf das Haupt dem Hagen; er war ein starker Mann: Davon Elses Ferge bald großen Schaden gewann. 1621 Mit grimmigem Muthe griff Hagen gleich zur Hand Zur Seite nach der Scheide, wo er ein Waffen fand: Er schlug das Haupt ihm nieder und warf es auf den Grund. Bald wurden diese Mären den stolzen Burgunden kund. 1622 Im selben Augenblicke, als er den Fährmann schlug, Glitt das Schiff zur Strömung; das war ihm leid genug. Eh er es richten konnte, fiel ihn Ermüdung an: Da zog am Ruder kräftig König Gunthers Unterthan. 1623 Er versucht’ es umzukehren mit manchem schnellen Schlag, Bis ihm das starke Ruder in der Hand zerbrach. Er wollte zu den Recken sich wenden an den Strand; Da hatt er keines weiter: wie bald er es zusammen band 1624 Mit seinem Schildriemen, einer Borte schmal. Hin zu einem Walde wandt er das Schiff zu Thal. Da fand er seinen Herren sein harren an dem Strand; Es giengen ihm entgegen viel der Degen auserkannt. 1625 Mit Gruß ihn wohl empfiengen die edeln Ritter gut: Sie sahen in dem Schiffe rauchen noch das Blut Von einer starken Wunde, die er dem Fergen schlug: Darüber muste Hagen fragen hören genug. 1626 Als der König Gunther das heiße Blut ersah In dem Schiffe schweben, wie bald sprach er da: "Wo ist denn, Herr Hagen, der Fährmann hingekommen? Eure starken Kräfte haben ihm wohl das Leben benommen." 1627 Da sprach er mit Verläugnen: "Als ich das Schifflein fand Bei einer wilden Weide, da löst’ es meine Hand. Ich habe keinen Fergen heute hier gesehn; Leid ist auch Niemand von meinen Händen geschehn." 1628 Da sprach von Burgunden der König Gernot: "Heute muß ich bangen um lieber Freunde Tod, Da wir keinen Schiffmann hier am Strome sehn: Wie wir hinüber kommen, darob muß ich in Sorgen stehn." 1629 Laut rief da Hagen: "Legt auf den Boden her, Ihr Knechte, das Geräthe: ich gedenke, daß ich mehr Der allerbeste Ferge war, den man am Rheine fand: Ich bring euch hinüber gar wohl in Gelfratens Land." 1630 Daß sie desto schneller kämen über Flut, Trieb man hinein die Mähren; ihr Schwimmen ward so gut, Daß ihnen auch nicht eines der starke Strom benahm. Einige trieben ferner, als sie Ermüdung überkam. 1631 Sie trugen zu dem Schiffe ihr Gut und ihre Wehr, Nun einmal ihre Reise nicht zu vermeiden mehr. Hagen fuhr sie über; da bracht er an den Strand Manchen zieren Recken in das unbekannte Land. 1632 Zum ersten fuhr er über tausend Ritter hehr Und seine sechzig Degen; dann kamen ihrer mehr: Neuntausend Knechte, die bracht er an das Land. Des Tags war unmüßig des kühnen Tronejers Hand. 1633 Das Schiff war ungefüge, stark und weit genug: Fünfhundert oder drüber es leicht auf einmal trug Ihres Volks mit Speise und Waffen über Flut: Am Ruder muste ziehen des Tages mancher Ritter gut. 1634 Da er sie wohlgeborgen über Flut gebracht, Da war der fremden Märe der schnelle Held bedacht, Die ihm verkündet hatte das wilde Meerweib: Dem Kaplan des Königs gieng es da schier an Leben und Leib. 1635 Bei seinem Weihgeräthe er den Pfaffen fand, Auf dem Heiligthume sich stützend mit der Hand: Das kam ihm nicht zu Gute, als Hagen ihn ersah; Der unglückselge Priester, viel Beschwerde litt er da. 1636 Er schwang ihn aus dem Schiffe mit jäher Gewalt. Da riefen ihrer Viele: "Halt, Hagen, halt!" Geiselher der junge hub zu zürnen an; Er wollt es doch nicht laßen, bis er ihm Leides gethan. 1637 Da sprach von Burgunden der König Gernot: "Was hilft euch wohl, Herr Hagen, des Kaplanes Tod? Thät dieß anders Jemand, es sollt ihm werden leid. Was verschuldete der Priester, daß ihr so wider ihn seid?" 1638 Der Pfaffe schwamm nach Kräften: er hoffte zu entgehn, Wenn ihm nur Jemand hülfe: das konnte nicht geschehn, Denn der starke Hagen, gar zornig war sein Muth, Stieß ihn zu Grunde wieder; das dauchte Niemanden gut. 1639 Als der arme Pfaffe hier keine Hülfe sah, Da wandt er sich ans Ufer; Beschwerde litt er da. Ob er nicht schwimmen konnte, doch half ihm Gottes Hand, Daß er wohlgeborgen hinwieder kam an den Strand. 1640 Da stand der arme Priester und schüttelte sein Kleid. Daran erkannte Hagen, ihm habe Wahrheit, Unmeidliche, verkündet das wilde Meerweib. Er dachte: "Diese Degen verlieren Leben und Leib." 1641 Als sie das Schiff entladen und ans Gestad geschafft, Was darauf beseßen der Könge Ritterschaft, Schlug Hagen es in Stücke und warf es in die Flut; Das wunderte gewaltig die Recken edel und gut. 1642 "Bruder, warum thut ihr das?" sprach da Dankwart, "Wie sollen wir hinüber bei unsrer Wiederfahrt, Wenn wir von den Heunen reiten an den Rhein?" Hernach sagt’ ihm Hagen, das könne nimmermehr sein. 1643 Da sprach der Held von Tronje: "Ich thats mit Wohlbedacht: Haben wir einen Feigen in dieses Land gebracht, Der uns entrinnen möchte in seines Herzens Noth, Der muß an diesen Wogen leiden schmählichen Tod." 1644 Sie führten bei sich Einen aus Burgundenland, Der ein gar behender Held und Volker ward genannt. Der redete da launig nach seinem kühnen Muth: Was Hagen je begangen, den Fiedler dauchte das gut. 1645 Als der Kaplan des Königs das Schiff zerschlagen sah, Ueber das Wasser zu Hagen sprach er da: "Ihr Mörder ohne Treue, was hatt ich euch gethan, Daß mich unschuldgen Pfaffen eur Herz zu ertranken sann?" 1646 Zur Antwort gab ihm Hagen: "Die Rede laßt beiseit: Mich kümmert, meiner Treue, daß ihr entkommen seid Hier von meinen Händen, das glaubt ohne Spott." Da sprach der arme Priester: "Dafür lob ich ewig Gott. 1647 "Ich fürcht euch nun wenig, des dürft ihr sicher sein: Fahrt ihr zu den Heunen, so will ich über Rhein. Gott laß euch nimmer wieder nach dem Rheine kommen, Das wünsch ich euch von Herzen: schier das Leben habt ihr mir genommen." 1648 Da sprach König Gunther zu seinem Kapellan: "Ich will euch alles büßen, was Hagen euch gethan Hat in seinem Zorne, komm ich an den Rhein Mit meinem Leben wieder: des sollt ihr außer Sorge sein. 1649 Fahrt wieder heim zu Lande; es muß nun also sein. Ich entbiete meine Grüße der lieben Frauen mein Und meinen andern Freunden, wie ich billig solname = "note" Sagt ihnen liebe Märe, daß wir noch alle fuhren wohl." 1650 Die Rosse standen harrend, die Säumer wohl geladen; Sie hatten auf der Reise bisher noch keinen Schaden Genommen, der sie schmerzte, als des Königs Kaplan: Der must auf seinen Füßen sich zum Rheine suchen Bahn. Abenteuer 26
Wie Dankwart Gelfraten erschlug
1651 Als sie nun alle waren gekommen an den Strand, Da fragte König Gunther: "Wer soll uns durch das Land Die rechten Wege weisen, daß wir nicht irre gehn?" Da sprach der kühne Volker: "Laßt mich das Amt nur versehn." 1652 "Nun haltet an," sprach Hagen, "sei’s Ritter oder Knecht: Man soll Freunden folgen, das bedünkt mich recht. Eine ungefüge Märe mach ich euch bekannt: Wir kommen nimmer wieder heim in der Burgunden Land. 1653 "Das sagten mir zwei Meerfraun heute morgen fruh, Wir kämen nimmer wieder. Nun rat ich, was man thu: Waffnet euch, ihr Helden, ihr sollt euch wohl bewahren: Wir finden starke Feinde und müßen drum wehrhaft fahren. 1654 "Ich wähnt auf Lug zu finden die weisen Meerfraun: Sie sagten mir, nicht Einer werde wiederschaun Die Heimat von uns Allen bis auf den Kapellan; Drum hätt ich ihm so gerne heut den Tod angethan." 1655 Da flogen diese Mären von Schar zu Schar einher. Bleich vor Schrecken wurden Degen kühn und hehr, Als sie die Sorge faßte vor dem herben Tod Auf dieser Hofreise: das schuf ihnen wahrlich Noth. 1656 Bei Möringen waren sie über Flut gekommen, Wo dem Fährmann Elsen das Leben ward benommen. Da sprach Hagen wieder: "Da ich mir so gewann Unterwegs der Feinde, so greift man ehstens uns an. 1657 "Ich erschlug den Fährmann heute morgen fruh; Sie wißen nun die Kunde. Drum eilt und greifet zu, Wenn Gelfrat und Elsen heute hier besteht Unser Ingesinde, daß es ihnen übel ergeht. 1658 "Sie sind gar kühn, ich weiß es, es wird gewiss geschehn. Drum laßt nur die Rosse in sanftem Schritte gehn, Daß nicht Jemand wähne, wir flöhn vor ihrem Heer." "Dem Rathe will ich folgen," sprach der junge Geiselher. 1659 "Wer zeigt nun dem Gesinde die Wege durch das Land?" Sie sprachen: "Das soll Volker: dem sind hie wohlbekannt Die Straßen und die Steige, dem stolzen Fiedelmann." Eh mans von ihm verlangte, kam er gewaffnet heran. 1660 Der schnelle Fiedelspieler: den Helm er überband; Von herrlicher Farbe war all sein Streitgewand. Am Schaft ließ er flattern ein Zeichen, das war roth. Bald kam er mit den Königen in eine furchtbare Noth. 1661 Gewisse Kunde hatte Gelfrat nun bekommen Von des Fergen Tode; da hatt es auch vernommen Else der starke: beiden war es leid. Sie besandten ihre Helden: die traf man balde bereit. 1662 Darauf in kurzen Zeiten, nun hört mich weiter an, Sah man zu ihnen reiten, denen Schade war gethan, In starkem Kriegszuge ein ungefüges Heer: Wohl siebenhundert stießen zu Gelfrat oder noch mehr. 1663 Als das den grimmen Feinden nachzuziehn begann, Die Herren, die es führten, huben zu jagen an Den kühnen Gästen hinterdrein. Sie wollten Rache haben: Da musten sie der Freunde hernach noch manchen begraben. 1664 Hagen von Tronje richtete das ein (Wie konnte seiner Freunde ein beßrer Hüter sein?), Daß er die Nachhut hatte und Die ihm unterthan Mit Dankwart seinem Bruder; das war gar weislich gethan. 1665 Ihnen war der Tag zerronnen, den hatten sie nicht mehr. Er bangte vor Gefahren für seine Freunde sehr. Sie ritten unter Schilden durch der Baiern Land: Darnach in kurzer Weile die Helden wurden angerannt. 1666 Beiderseits der Straße und hinter ihnen her Vernahm man Hufe schlagen; die Haufen eilten sehr. Da sprach der kühne Dankwart: "Gleich fallen sie uns an: Bindet auf die Helme, das dünkt mich räthlich gethan." 1667 Sie hielten ein mit Reiten, als es muste sein. Da sahen sie im Dunkel der lichten Schilde Schein. Nicht länger stille schweigen mochte da der Hagen: "Wer verfolgt uns auf der Straße?" Das muste Gelfrat ihm sagen. 1668 Da sprach zu ihm der Markgraf aus der Baiern Land: "Wir suchen unsre Feinde, denen sind wir nachgerannt. Ich weiß nicht, wer mir heute meinen Fergen schlug: Das war ein schneller Degen; mir ist leid um ihn genug." 1669 Da sprach von Tronje Hagen: "War der Ferge dein? Er wollt uns nicht fahren; alle Schuld ist mein: Ich erschlug den Recken; fürwahr, es that mir Noth: Ich hatte von dem Degen schier selbst den grimmigen Tod. 1670 "Ich bot ihm zum Lohne Gold und Gewand, Daß er uns überführe, Held, in euer Land. Darüber zürnt’ er also, daß er nach mir schlug Mit starker Ruderstange: da ward ich grimmig genug. 1671 "Ich griff nach dem Schwerte und wehrte seinem Zorn Mit einer schweren Wunde: da war der Held verlorn. Ich steh euch hier zur Sühne, wie es euch dünke gut." Da gieng es an ein Streiten: sie hatten zornigen Muth. 1672 "Ich wuste wohl," sprach Gelfrat, "als hier mit dem Geleit Gunther zog vorüber, uns geschäh ein Leid Von Hagens Uebermuthe. Nun büßt ers mit dem Leben: Für des Fergen Ende soll er selbst hier Bürgschaft geben." 1673 Ueber die Schilde neigten da zum Stich den Sper Gelfrat und Hagen; sich zürnten beide schwer. Dankwart und Else zusammen herrlich ritten; Sie erprobten, wer sie waren: da wurde grimmig gestritten. 1674 Wer je versuchte kühner sich und die Gunst des Glücks? Von einem starken Stoße sank Hagen hinterrücks Von der Mähre nieder durch Gelfratens Hand. Der Brustriem war gebrochen: so ward im Fallen bekannt. 1675 Man hört’ auch beim Gesinde krachender Schäfte Schall. Da erholte Hagen sich wieder von dem Fall, Den er auf das Gras gethan von des Gegners Sper: Da zürnte der von Tronje wider Gelfraten sehr. 1676 Wer ihnen hielt die Rosse, das ist mir unbekannt. Sie waren aus den Sätteln gekommen auf den Sand, Hagen und Gelfrat: nun liefen sie sich an. Ihre Gesellen halfen, daß ihnen Streit ward kund gethan. 1677 Wie heftig auch Hagen zu Gelfraten sprang, Ein Stück von Ellenlänge der edle Markgraf schwang Ihm vom Schilde nieder; das Feuer stob hindann. Da wäre schier erstorben König Gunthers Unterthan. 1678 Er rief mit lauter Stimme Dankwarten an: "Hilf mir, lieber Bruder, ein schneller starker Mann Hat mich hier bestanden: der läßt mich nicht gedeihn." Da sprach der kühne Dankwart: "So will ich denn Schiedsmann sein." 1679 Da sprang der Degen näher und schlug ihm solchen Schlag Mit einer scharfen Waffe, daß er todt da lag. Else wollte Rache nehmen für den Mann: Doch er und sein Gesinde schied mit Schaden hindann. 1680 Sein Bruder war erschlagen, selber ward er wund. Wohl achtzig seiner Degen wurden gleich zur Stund Des grimmen Todes Beute: da muste wohl der Held Gunthers Mannen räumen in geschwinder Flucht das Feld. 1681 Als Die vom Baierlande wichen aus dem Wege, Man hörte nachhallen die furchtbaren Schläge: Da jagten die von Tronje ihren Feinden nach; Die es nicht büßen wollten, die hatten wenig Gemach. 1682 Da sprach beim Verfolgen Dankwart der Degen: "Kehren wir nun wieder zurück auf unsern Wegen Und laßen wir sie reiten: sie sind vom Blute naß. Wir eilen zu den Freunden: in Treuen rath ich euch das." 1683 Als sie hinwieder kamen, wo der Schade war geschehn, Da sprach von Tronje Hagen: "Helden, laßt uns sehn, Wen wir hier vermissen, oder wer uns verlorn Hier in diesem Streite gieng durch Gelfratens Zorn." 1684 Sie hatten vier verloren; der Schade ließ sich tragen. Sie waren wohl vergolten; dagegen aber lagen Deren vom Baierlande mehr als hundert todt. Den Tronejern waren von Blut die Schilde trüb und roth. 1685 Ein wenig brach aus Wolken des hellen Mondes Licht; Da sprach wieder Hagen: "Hört, berichtet nicht Meinen lieben Herren, was hier von uns geschah: Bis zum Morgen komme ihnen keine Sorge nah." 1686 Als zu ihnen stießen, die da kamen von dem Streit, Da klagte das Gesinde über Müdigkeit: "Wie lange sollen wir reiten?" fragte mancher Mann. Da sprach der kühne Dankwart: "Wir treffen keine Herberg an. 1687 "Ihr müst alle reiten bis an den hellen Tag." Volker der schnelle, der des Gesindes pflag, Ließ den Marschall fragen: "Wo kehren wir heut ein? Wo rasten unsre Pferde und die lieben Herren mein?" 1688 Da sprach der kühne Dankwart: "Ich weiß es nicht zu sagen: Wir können uns nicht ruhen, bis es beginnt zu tagen; Wo wir es dann finden, legen wir uns ins Gras." Als sie die Kunde hörten, wie leid war Etlichen das! 1689 Sie blieben unverrathen vom heißen Blute roth, Bis daß die Sonne die lichten Stralen bot Dem Morgen über Berge, wo es der König sah, Daß sie gestritten hatten: sehr im Zorne sprach er da: 1690 "Wie nun denn, Freund Hagen? Verschmähtet ihr wohl das, Daß ich euch Hülfe brachte, als euch die Ringe naß Wurden von dem Blute? Wer hat euch das gethan?" Da sprach er: "Else that es: der griff nächten uns an. 1691 "Seines Fergen wegen wurden wir angerannt. Da erschlug Gelfraten meines Bruders Hand. Zuletzt entrann uns Else, es zwang ihn große Noth: Ihnen hundert, uns nur viere blieben da im Streite todt." 1692 Wir können euch nicht melden, wo man die Nachtruh fand. All den Landleuten ward es bald bekannt, Der edeln Ute Söhne zögen zum Hofgelag. Sie wurden wohl empfangen dort zu Paßau bald hernach. 1693 Der werthen Fürsten Oheim, der Bischof Pilgerin, Dem wurde wohl zu Muthe, als seine Neffen ihn Mit so viel der Recken besuchten da im Land: Daß er sie gerne sähe, ward ihnen balde bekannt. 1694 Sie wurden wohl empfangen von Freunden vor dem Ort. Nicht all verpflegen mochte man sie in Paßau dort: Sie musten übers Wasser, wo Raum sich fand und Feld: Da schlugen auf die Knechte Hütten und reich Gezelt. 1695 Sie musten da verweilen einen vollen Tag Und eine Nacht darüber. Wie schön man sie verpflag! Dann ritten sie von dannen in Rüdigers Land; Dem kamen auch die Mären: da ward ihm Freude bekannt, 1696 Als die Wegemüden Nachtruh genommen Und sie dem Lande waren näher gekommen, Sie fanden auf der Marke schlafen einen Mann, Dem von Tronje Hagen ein starkes Waffen abgewann. 1697 Eckewart geheißen war dieser Ritter gut. Der gewann darüber gar traurigen Muth, Daß er verlor das Waffen durch der Helden Fahrt. Rüdgers Grenzmarke, die fand man übel bewahrt. 1698 "O weh mir dieser Schande," sprach da Eckewart. "Schwer muß ich beklagen der Burgunden Fahrt. Als ich verlor Siegfrieden, hub all mein Kummer an; O weh, mein Herr Rüdiger, wie hab ich wider dich gethan!" 1699 Wohl hörte Hagen des edeln Recken Noth: Er gab das Schwert ihm wieder, dazu sechs Spangen roth. "Die nimm dir, Held, zu Lohne, willst du hold mir sein; Du bist ein kühner Degen, lägst du hier noch so allein." 1700 "Gott lohn euch eure Spangen," sprach da Eckewart; "Doch muß ich sehr beklagen zu den Heunen eure Fahrt. Ihr erschlugt Siegfrieden; hier trägt man euch noch Haß: Daß ihr euch wohl behütet, in Treuen rath ich euch das." 1701 "Nun, mög uns Gott behüten," sprach Hagen entgegen. "Keine andre Sorge haben diese Degen Als um die Herberge, die Fürsten und ihr Lehn, Wo wir in diesem Lande heute Nachtruh sollen sehn. 1702 "Vermüdet sind die Rosse uns auf den fernen Wegen, Die Speise gar zerronnen," sprach Hagen der Degen: "Wir findens nicht zu Kaufe: es wär ein Wirth uns Noth, Der uns heute gäbe in seiner Milde das Brot." 1703 Da sprach wieder Eckewart: "Ich zeig euch solchen Wirth, Daß Niemand euch im Hause so gut empfangen wird Irgend in den Landen, als hier euch mag geschehn, Wenn ihr schnellen Degen wollt zu Rüdigern gehn. 1704 "Der Wirth wohnt an der Straße, der beste allerwärts, Der je ein Haus beseßen. Milde gebiert sein Herz, Wie das Gras mit Blumen der lichte Maimond thut, Und soll er Helden dienen, so ist er froh und wohlgemuth." 1705 Da sprach der König Gunther: "Wollt ihr mein Bote sein, Ob uns behalten wolle bis an des Tages Schein Mein lieber Freund Rüdiger und Die mir unterthan? Das will ich stäts verdienen, so gut ich irgend nur kann." 1706 "Der Bote bin ich gerne," sprach da Eckewart, Mit gar gutem Willen erhob er sich zur Fahrt Rüdigern zu sagen, was er da vernommen. Dem war in langen Zeiten so liebe Kunde nicht gekommen. 1707 Man sah zu Bechlaren eilen einen Degen, Den Rüdger wohl erkannte; er sprach: "Auf diesen Wegen Kommt Eckewart in Eile, Kriemhildens Unterthan." Er wähnte schon, die Feinde hätten ihm ein Leid gethan. 1708 Da ging er vor die Pforte, wo er den Boten fand. Der nahm sein Schwert vom Gurte und legt’ es aus der Hand. Er sprach zu dem Degen: "Was habt ihr vernommen, Daß ihr so eilen müßet? hat uns Jemand was genommen?" 1709 "Geschadet hat uns Niemand," sprach Eckewart zuhand; "Mich haben drei Könige her zu euch gesandt, Gunther von Burgunden, Geiselher und Gernot; Jeglicher der Recken euch seine Dienste her entbot. 1710 "Das selbe thut auch Hagen, Volker auch zugleich, Mit Fleiß und rechter Treue; dazu bericht ich euch, Was des Königs Marschall euch durch mich entbot, Es sei den guten Degen eure Herberge Noth." 1711 Mit lachendem Munde sprach da Rüdiger: "Nun wohl mir dieser Märe, daß die Könige hehr Meinen Dienst verlangen: dazu bin ich bereit. Wenn sie ins Haus mir kommen, des bin ich höchlich erfreut." 1712 "Dankwart der Marschall hat euch kund gethan, Wer euch zu Hause noch heute zieht heran: Sechzig kühner Recken und tausend Ritter gut Mit neuntausend Knechten." Da ward ihm fröhlich zu Muth. 1713 "Wohl mir dieser Gäste," sprach da Rüdiger, "Daß mir zu Hause kommen diese Recken hehr, Denen ich noch selten hab einen Dienst gethan. Entgegen reitet ihnen, sei’s Freund oder Unterthan." 1714 Da eilte zu den Rossen Ritter so wie Knecht: Was sie der Herr geheißen, das dauchte Alle recht. Sie brachten ihre Dienste um so schneller dar. Noch wust es nicht Frau Gotlind, die in ihrer Kammer war. Abenteuer 27
Wie sie nach Bechlaren kamen
1715 Hin gieng der Markgraf, wo er die Frauen fand, Sein Weib und seine Tochter. Denen macht’ er da bekannt Diese liebe Märe, die er jetzt vernommen, Daß ihrer Frauen Brüder zu ihrem Hause sollten kommen. 1716 "Viel liebe Traute," sprach da Rüdiger, "Ihr sollt sie wohl empfangen, die edeln Könge hehr, Wenn sie und ihr Gesinde vor euch zu Hofe gehn; Ihr sollt auch freundlich grüßen Hagen in Gunthers Lehn. 1717 "Mit ihnen kommt auch Einer mit Namen Dankwart; Ein Andrer heißt Volker, an Ehren wohlbewahrt. Die Sechse sollt ihr küssen, ihr und die Tochter mein, Und sollt in höfschen Züchten diesen Recken freundlich sein." 1718 Das gelobten ihm die Frauen und warens gern bereit. Sie suchten aus den Kisten manch herrliches Kleid, Darin sie den Recken entgegen wollten gehn. Da mocht ein groß Befleißen von schönen Frauen geschehn. 1719 Gefälschter Frauenzierde gar wenig man da fand; Sie trugen auf dem Haupte lichtes goldnes Band, Das waren reiche Kränze, damit ihr schönes Haar Die Winde nicht verwehten; sie waren höfisch und klar. 1720 In solcher Unmuße laßen wir die Fraun. Da war ein schnelles Reiten über Feld zu schaun Von Rüdigers Freunden, bis man die Fürsten fand. Sie wurden wohl empfangen in des Markgrafen Land. 1721 Als sie der Markgraf zu sich kommen sah, Rüdiger der schnelle wie fröhlich sprach er da: "Willkommen mir, ihr Herren und Die in euerm Lehn. Hier in diesem Lande seid ihr gerne gesehn." 1722 Da dankten ihm die Recken in Treuen ohne Haß. Daß sie willkommen waren, wohl erzeigt’ er das. Besonders grüßt’ er Hagen, der war ihm längst bekannt; So that er auch mit Volkern, dem Helden aus Burgundenland. 1723 Er begrüßt’ auch Dankwarten. Da sprach der kühne Degen: "Wollt ihr uns hier versorgen, wer soll dann verpflegen Unser Ingesinde aus Worms an dem Rhein?" Da begann der Markgraf: "Diese Angst laßet sein. 1724 "All euer Gesinde und was ihr in das Land Mit euch geführet habet, Ross, Silber und Gewand, Ich schaff ihm solche Hüter, nichts geht davon verloren, Das euch zu Schaden brächte nur um einen halben Sporen. 1725 "Spannet auf, ihr Knechte, die Hütten in dem Feld; Was ihr hier verlieret, dafür leist ich Entgelt: Zieht die Zäume nieder und laßt die Rosse gehn." Das war ihnen selten von einem Wirth noch geschehn. 1726 Des freuten sich die Gäste. Als das geschehen war Und die Herrn von dannen ritten, legte sich die Schar Der Knecht im Grase nieder: sie hatten gut Gemach. Sie fandens auf der Reise nicht beßer vor oder nach. 1727 Die Markgräfin eilte vor die Burg zu gehn Mit ihrer schönen Tochter. Da sah man bei ihr stehn Die minniglichen Frauen und manche schöne Maid: Die trugen viel der Spangen und manches herrliche Kleid. 1728 Das edle Gesteine glänzte fern hindann Aus ihrem reichen Schmucke: sie waren wohlgethan. Da kamen auch die Gäste und sprangen auf den Sand. Hei! was man edle Sitten an den Burgunden fand! 1729 Sechsunddreißig Mägdelein und viel andre Fraun, Die wohl nach Wunsche waren und wonnig anzuschauen, Giengen den Herrn entgegen mit manchem kühnen Mann. Da ward ein schönes Grüßen von edeln Frauen gethan. 1730 Die Markgräfin küsste die Könge alle drei; So that auch ihre Tochter. Hagen stand dabei. Den hieß ihr Vater küssen: da blickte sie ihn an: Er dauchte sie so furchtbar, sie hätt es lieber nicht gethan. 1731 Doch muste sie es leisten, wie ihr der Wirth gebot. Gemischt ward ihre Farbe, bleich und auch roth. Auch Dankwarten küsste sie, darnach den Fiedelmann: Seiner Kraft und Kühnheit wegen ward ihm das Grüßen gethan. 1732 Die junge Markgräfin nahm bei der Hand Geiselher den jungen von Burgundenland; So nahm auch ihre Mutter Gunthern den kühnen Mann. Sie giengen mit den Helden beide fröhlich hindann. 1733 Der Wirth gieng mit Gernot in einen weiten Saal. Die Ritter und die Frauen setzten sich zumal. Man ließ alsdann den Gästen schenken guten Wein: Gütlicher bewirthet mochten Helden nimmer sein. 1734 Mit zärtlichen Augen sah da Mancher an Rüdigers Tochter, die war so wohlgethan. Wohl kost in seinem Sinne sie mancher Ritter gut; Das mochte sie verdienen: sie trug gar hoch ihren Muth. 1735 Sie gedachten, was sie wollten; nur konnt es nicht geschehn. Man sah die guten Ritter hin und wieder spähn Nach Mägdelein und Frauen: deren saßen da genug. Dem Wirth geneigten Willen der edle Fiedeler trug. 1736 Da wurden sie geschieden, wie Sitte war im Land: Zu andern Zimmern giengen Ritter und Fraun zur Hand. Man richtete die Tische in dem Saale weit Und ward den fremden Gästen zu allen Diensten bereit. 1737 Den Gästen gieng zu Liebe die edle Markgräfin Mit ihnen zu den Tischen: die Tochter ließ sie drin Bei den Mägdlein weilen, wo sie nach Sitte blieb. Daß sie die nicht mehr sahen, das war den Gästen nicht lieb. 1738 Als sie getrunken hatten und gegeßen überall, Da führte man die Schöne wieder in den Saal. Anmuthge Reden wurden nicht gescheut: Viel sprach deren Volker, ein Degen kühn und allbereit. 1739 Da sprach unverhohlen derselbe Fiedelmann: "Viel reicher Markgraf, Gott hat an euch gethan Nach allen seinen Gnaden: er hat euch gegeben Ein Weib, ein so recht schönes, dazu ein wonnigliches Leben. 1740 "Wenn ich ein König wäre," sprach der Fiedelmann, "Und sollte Krone tragen, zum Weibe nähm ich dann Eure schöne Tochter: die wünschte sich mein Muth. Sie ist minniglich zu schauen, dazu edel und gut." 1741 Der Markgraf entgegnete: "Wie möchte das Wohl sein, Daß ein König je begehrte der lieben Tochter mein? Wir sind hier beide heimatlos, ich und mein Weib, Und haben nichts zu geben: was hilft ihr dann der schöne Leib?" 1742 Zur Antwort gab ihm Gernot, der edle Degen gut: "Sollt ich ein Weib mir wählen nach meinem Sinn und Muth, So wär ich solches Weibes stäts von Herzen froh." Darauf versetzte Hagen in höfischen Züchten so: 1743 "Nun soll sich doch beweiben mein Herr Geiselher: Es ist so hohen Stammes die Markgräfin hehr, Daß wir ihr gerne dienten, ich und all sein Lehn, Wenn sie bei den Burgunden unter Krone sollte gehn." 1744 Diese Rede dauchte den Markgrafen gut Und auch Gotelinde; wohl freute sich ihr Muth. Da schufen es die Helden, daß sie zum Weibe nahm Geiselher der edle, wie er es mocht ohne Scham. 1745 Soll ein Ding sich fügen, wer mag ihm widerstehn? Man bat die Jungfraue, hin zu Hof zu gehn. Da schwur man ihm zu geben das schöne Mägdelein, Wogegen er sich erbot, die Wonnigliche zu frein. 1746 Man beschied der Jungfrau Burgen und auch Land. Da sicherte mit Eiden des edeln Königs Hand Und Gernot der Degen, es werde so gethan. Da sprach der Markgraf: "Da ich Burgen nicht gewann, 1747 "So kann ich euch in Treuen nur immer bleiben hold. Ich gebe meiner Tochter an Silber und an Gold, Was hundert Saumrosse nur immer mögen tragen, Daß es wohl nach Ehren euch Helden möge behagen." 1748 Da wurden diese beiden in einen Kreis gestellt Nach dem Rechtsgebrauche. Mancher junge Held Stand ihr gegenüber in fröhlichem Muth; Er gedacht in seinem Sinne, wie noch ein Junger gerne thut. 1749 Als man begann zu fragen die minnigliche Maid, Ob sie den Recken wolle, zum Theil war es ihr leid; Doch dachte sie zu nehmen den waidlichen Mann. Sie schämte sich der Frage, wie manche Maid hat gethan. 1750 Ihr rieth ihr Vater Rüdiger, daß sie spräche ja, Und daß sie gern ihn nähme: wie schnell war er da Mit seinen weißen Händen, womit er sie umschloß, Geiselher der junge! Wie wenig sie ihn doch genoß! 1751 Da begann der Markgraf: "Ihr edeln Könge reich, Wenn ihr nun wieder reitet heim in euer Reich, So geb ich euch, so ist es am schicklichsten, die Magd, Daß ihr sie mit euch führet." Also ward es zugesagt. 1752 Der Schall, den man hörte, der muste nun vergehn. Da ließ man die Jungfrau zu ihrer Kammer gehn Und auch die Gäste schlafen und ruhn bis an den Tag. Da schuf man ihnen Speise: der Wirth sie gütlich verpflag. 1753 Als sie gegeßen hatten und nun von dannen fahren Wollten zu den Heunen: "Davor will ich euch wahren," Sprach der edle Markgraf, "ihr sollt noch hier bestehn; So liebe Gäste hab ich lange nicht bei mir gesehn." 1754 Dankwart entgegnete: "Das kann ja nicht sein: Wo nähmt ihr die Speise, das Brot und auch den Wein, Das ihr doch haben müstet für solch ein Heergeleit?" Als das der Wirth erhörte, er sprach: "Die Rede laßt beiseit. 1755 "Meine lieben Herren, ihr dürft mir nicht versagen. Wohl geb ich euch die Speise zu vierzehen Tagen, Euch und dem Gesinde, das mit euch hergekommen. Mir hat der König Etzel noch gar selten was genommen." 1756 Wie sehr sie sich wehrten, sie musten da bestehn Bis an den vierten Morgen. Da sah man geschehn Durch des Wirthes Milde, was weithin ward bekannt: Er gab seinen Gästen beides, Ross’ und Gewand. 1757 Nicht länger mocht es währen, sie musten an ihr Ziel. Seines Gutes konnte Rüdiger nicht viel Vor seiner Milde sparen: wonach man trug Begehr, Das versagt’ er Niemand: er gab es gern den Helden hehr. 1758 Ihr edel Ingesinde brachte vor das Thor Gesattelt viel der Rosse; zu ihnen kam davor Mancher fremde Recke, den Schild an der Hand, Da sie reiten wollten mit ihnen in Etzels Land. 1759 Der Wirth bot seine Gaben den Degen allzumal, Eh die edeln Gäste kamen vor den Saal. Er konnte wohl mit Ehren in hoher Milde leben. Seine schöne Tochter hatt er Geiselhern gegeben; 1760 Da gab er Gernoten eine Waffe gut genug, Die hernach in Stürmen der Degen herrlich trug. Ihm gönnte wohl die Gabe des Markgrafen Weib; Doch verlor der gute Rüdiger davon noch Leben und Leib. 1761 Er gab König Gunthern, dem Helden ohne Gleich, Was wohl mit Ehren führte der edle König reich, Wie selten er auch Gab empfieng, ein gutes Streitgewand, Da neigte sich der König vor des milden Rüdger Hand. 1762 Gotelind bot Hagnen, sie durfte es ohne Scham, Ihre freundliche Gabe: da sie der König nahm, So sollt auch er nicht fahren zu dem Hofgelag Ohn ihre Steuer: der edle Held aber sprach: 1763 "Alles, was ich je gesehn," entgegnete Hagen, "So begehr ich nichts weiter von hinnen zu tragen Als den Schild, der dorten hängt an der Wand: Den möcht ich gerne führen mit mir in der Heunen Land." 1764 Als die Rede Hagens die Markgräfin vernahm, Ihres Leids ermahnt’ er sie, daß ihr das Weinen kam. Mit Schmerzen gedachte sie an Nudungs Tod, Den Wittich hatt erschlagen; das schuf ihr Jammer und Noth. 1765 Sie sprach zu dem Degen: "Den Schild will ich euch geben. Wollte Gott vom Himmel, daß der noch dürfte leben, Der einst ihn hat getragen! er fand im Kampf den Tod. Ich muß ihn stäts beweinen: das schafft mir armem Weibe Noth!" 1766 Da erhob sich vom Sitze die Markgräfin mild: Mit ihren weißen Händen hob sie herab den Schild Und trug ihn hin zu Hagen: der nahm ihn an die Hand. Die Gabe war mit Ehren an den Recken gewandt. 1767 Eine Hülle lichten Zeuges auf seinen Farben lag. Beßern Schild als diesen beschien wohl nie der Tag. Mit edelm Gesteine War er so besetzt, Man hätt ihn im Handel wohl auf tausend Mark geschätzt. 1768 Den Schild hinwegzutragen befahl der Degen hehr. Da kam sein Bruder Dankwart auch zu Hofe her. Dem gab reicher Kleider Rüdigers Kind genug, Die er bei den Heunen hernach mit Freuden noch trug. 1769 Wie viel sie der Gaben empfiengen insgemein, Nichts würd in ihre Hände davon gekommen sein, Wars nicht dem Wirth zu Liebe, der es so gütlich bot. Sie wurden ihm so feind hernach, daß sie ihn schlagen musten todt. 1770 Da hatte mit der Fiedel Volker der schnelle Held Sich vor Gotelinde höfisch hingestellt. Er geigte süße Töne und sang dazu sein Lied: Damit nahm er Urlaub, als er von Bechlaren schied. 1771 Da ließ die Markgräfin eine Lade näher tragen. Von freundlicher Gabe mögt ihr nun hören sagen: Zwölf Spangen, die sie aus ihr nahm, schob sie ihm an die Hand: "Die sollt ihr führen, Volker, mit euch in der Heunen Land 1772 Und sollt sie mir zu Liebe dort am Hofe tragen: Wenn ihr wiederkehret, daß man mir möge sagen, Wie ihr gedient mir habet bei dem Hofgelag." Wie sie ihn gebeten, so that der Degen hernach. 1773 Der Wirth sprach zu den Gästen: "Daß ihr nun sichrer fahrt, Will ich euch selbst geleiten: so seid ihr wohl bewahrt, Daß ihr auf der Straße nicht werdet angerannt." Seine Saumrosse die belud man gleich zur Hand. 1774 Der Wirth war reisefertig und fünfhundert Mann Mit Rossen und mit Kleidern: die führt’ er hindann Zu dem Hofgelage mit fröhlichem Muth; Nach Bechelaren kehrte nicht Einer all der Ritter gut. 1775 Mit minniglichen Küssen der Wirth von dannen schied; Also that auch Geiselher, wie ihm die Liebe rieth. Sie herzten schöne Frauen mit zärtlichem Umfahn: Das musten bald beweinen viel Jungfrauen wohlgethan. 1776 Da wurden allenthalben die Fenster aufgethan, Als mit seinen Mannen der Markgraf ritt hindann. Sie fühlten wohl im Herzen voraus das herbe Leid: Drum weinten viel der Frauen und manche waidliche Maid. 1777 Nach den lieben Freunden trug Manche groß Beschwer, Die sie in Bechelaren ersahen nimmermehr. Doch ritten sie mit Freuden nieder an dem Strand Dort im Donauthale bis in das heunische Land. 1778 Da sprach zu den Burgunden der milde Markgraf hehr, Rüdiger der edle: "Nun darf nicht länger mehr Verhohlen sein die Kunde, daß wir nach Heunland kommen. Es hat der König Etzel noch nie so Liebes vernommen." 1779 Da ritt manch schneller Bote ins Oesterreicherland: So ward es allenthalben den Leuten bald bekannt, Daß die Helden kämen von Worms über Rhein. Dem Ingesind des Königs konnt es nicht lieber sein. 1780 Die Boten vordrangen mit diesen Mären, Daß die Nibelungen bei den Heunen wären: "Du sollst sie wohl empfangen, Kriemhild, Fraue mein: Nach großen Ehren kommen dir die lieben Brüder dein." 1781 Als die Königstochter vernahm die Märe, Zum Theil wich ihr vom Herzen ihr Leid, das schwere. Aus ihres Vaters Lande zog Mancher ihr heran, Durch den der König Etzel bald großen Jammer gewann. 1782 "Nun wohl mir diese Freude," sprach da Kriemhild. "Hier bringen meine Freunde gar manchen neuen Schild Und Panzer glänzend helle: wer nehmen will mein Gold Und meines Leids gedenken, dem will ich immer bleiben hold." 1783 Sie gedachte heimlich: "Noch wird zu Allem Rath. Der mich an meinen Freuden so gar gepfändet hat, Weiß ich es zu fügen, es soll ihm werden leid Bei diesem Gastgebote: dazu bin ich gern bereit. 1784 "Ich will es also Schaffen, daß meine Rach ergeht Bei diesem Hofgelage, wie es hernach auch steht, An seinem argen Leibe, der mir hat benommen So viel meiner Wonne: des soll mir nun Entgeltung kommen." Abenteuer 28
Wie Kriemhild Hagen entpfieng
1785 Als die Burgunden kamen auf das Feld, Auf schlug man drei Königen gar herrlich Gezelt. Sie stießen ein die Fahnen von eitel Golde roth. Da wusten nicht die Herren, wie ihnen nah war der Tod. 1786 Da stieg zu den Zinnen Frau Kriemhild hinan Und sah auf dem Felde reiten manchen Mann. Des freute sich heimlich das wunderschöne Weib: "Nun endlich wird gerochen des kühnen Siegfriedes Leib, 1787 "Der mir so mörderlich zu Tode ward geschlagen; Ich kann bis an mein Ende ihn nie genug beklagen. O weh der großen Ehren, die ich muß verloren schaun: So tapfrer Mann lag nimmer noch im Arm einer Fraun. 1788 "Seine große Tugend schafft mir Herzeleid: Wenn ich daran gedenke, wie er zu jener Zeit Hin ritt mit so gesundem Leib, so mehrt sich meine Klage: Mir darf Niemand rügen das große Leid, das ich trage. 1789 "Gott hatt ihn mir zu Manne aus aller Welt erkoren. Wär Einem Mann die Tugend Tausender angeboren, Viel größere doch Siegfried ganz alleine trug." Sehr klagt’ um ihn die Königin, zu dem Herzen sie sich schlug. 1790 Alsbald ward dem Berner die Märe kund gethan. Da kam er geschwinde über den Hof heran; Er hatte Hilbranden der Sitte nach bei sich. "Viel edle Königstochter, das ließet ihr billiglich, 1791 "Daß man euch weinen sähe bei dieser Lustbarkeit. Ihr habt hieher beschieden aus fremden Landen weit Viel der werthen Recken und manchen Biedermann: Daß man euch nun weinen sieht, das steht euch gar übel an." 1792 "Ich mahne dich der Treue," sprach sie, "Hildebrand, Hast du je Gab empfangen aus meiner milden Hand, So räche mich an Hagen: ich gebe dir mein Gold Und bin mit guten Treuen bis an mein Ende dir hold." 1793 Da sprach zu ihr der Berner: "Ihr seid ein übel Weib, Daß ihr den Freunden rathet an Leben und Leib, Und habt so manchen Boten hin an den Rhein gesandt, Bis sie euch nun kamen zu Haus mit wehrlicher Hand. 1794 "Höret, Meister Hildebrand, so lieb als ich euch sei: Empfangt mir vom Rheine die Könige alle drei Und heißt sie hier zu Felde liegen bis an den Tag, So warn ich sie mit Treue, so gut ich immer vermag." 1795 Da ritt wohlgezogen Meister Hildebrand, Bis er die drei Könige von dem Rheine fand. Er sprang vom Pferde ritterlich und ließ sich auf die Knie: Die drei Könige vom Rheine so empfing und grüßt’ er sie. 1796 "Willkommen seid, Herr Gunther, König an dem Rhein; So sei auch Herr Gernot, der liebe Bruder dein, Und Geiselher der junge und Hagen, ein starker Mann, Und noch manch schneller Recke, die ich nicht alle nennen kann. 1797 "Euch entbeut der Berner, der liebe Herre mein, Seine Huld und Freundschaft und will euch hülfreich sein. Er räth euch, hier im Felde zu liegen bis zum Tag: Dann warnt er euch mit Treuen, so gut er immer vermag. 1798 "Mög euch Gott behüten hier vor aller Noth: Schon vor vierthalb Jahren war euch bereit der Tod. Geschworen hat Frau Kriemhild, eure Schwester, manchen Eid, Daß sie an euch will rächen all ihr großes Herzeleid. 1799 "Er entbeut euch, daß ihr meidet, so lieb euch sei das Leben, Den Neubau an der Donau, wo euch Herberg ist gegeben: Das sollt ihr mir glauben, und käm darein ein Heer, Ihr müstet All ersterben und Keiner käme zur Wehr. 1800 "Wißt, in drei schönen Rohren, die hohl von innen sind, Schwefel und Kohlen mischten sie falsch gesinnt: Das wird angezündet, wenn sie zu Tische gehn. Davor sollt ihr euch hüten ihr stolzen Degen ausersehn." 1801 Des erschrak der König, die Rede war ihm leid. "Nun lohne Gott dir, Hildebrand, daß du uns gabst Bescheid Und daß du hast gewarnet manch heimatlosen Mann. Ich seh, wir treffen Treue bei den Heunen wenig an." 1802 Des erlachten die Jungen und hielten es für Spott. Da sprachen die Weisen: "Davor behüt uns Gott. Wir sind in großer Treue geritten in das Land; Sie hat uns manchen Boten hin nach dem Rheine gesandt." 1803 Da sprach wohlgezogen der König Gernot: "Meine Schwester Kriemhild hat uns geladen in den Tod. Zu großer Treue ritten wir her in diese Statt, Da meine schöne Schwester uns vom Rhein geladen hat." 1804 Da sprach der Fiedelspieler, der kühne Volker: "Ich kam der Gabe willen vom Rhein geritten her. Nun will ich drauf verzichten," so sprach der Fiedelmann: "Ich fiedle mit dem Schwerte das allerbeste, das ich kann. 1805 "Erklingen meine Töne, so weichen sie zurück, Und wollen sie’s nicht laßen, so fügt es leicht das Glück, Ich schlag Einem ritterlich einen schnellen Geigenschlag, Hat er einen treuen Freund, daß es der beweinen mag." 1806 Als Hildebrand der alte von dannen wollte gehn, Geiselher der junge hieß ihn noch stille stehn. Er gab ihm einen Mantel, den er ihm zu Ehren trug; Für dreißig Mark Goldes hatt er Pfands daran genug. 1807 An sich nahm den Mantel Meister Hildebrand Und ritt hin wohlgezogen, wo er den Berner fand. "Schaut den reichen Mantel, der hier an mir zu sehn: Den gab mir Geiselher das Kind, als ich von ihm wollte gehn." 1808 Als die Burgunden kamen in das Land, Da erfuhr es von Berne der alte Hildebrand. Er sagt’ es seinem Herren. Dietrichen war es leid; Er hieß ihn wohl empfangen der kühnen Ritter Geleit. 1809 Da ließ der starke Wolfhart die Pferde führen her; Dann ritt mit dem Berner mancher Degen hehr, Sie zu begrüßen, zu ihnen auf das Feld. Sie hatten aufgeschlagen da manches herrliche Zelt. 1810 Als sie von Tronje Hagen aus der Ferne sah, Wohlgezogen sprach er zu seinen Herren da: "Nun hebt euch von den Sitzen, ihr Recken wohlgethan, Und geht entgegen denen, die euch hier wollen empfahn. 1811 "Dort kommt ein Heergesinde, das ist mir wohl bekannt; Es sind viel schnelle Degen von Amelungenland. Sie führt Der von Berne, sie tragen hoch den Muth: Laßt euch nicht verschmähen die Dienste, die man euch thut." 1812 Da sprang von den Rossen wohl nach Fug und Recht Mit Dietrichen nieder mancher Herr und Knecht. Sie giengen zu den Gästen, wo man die Helden fand, Und begrüßten freundlich Die von der Burgunden Land. 1813 Als sie der edle Dietrich ihm entgegen kommen sah, Liebes und Leides zumal ihm dran geschah. Er wuste wohl die Märe; leid war ihm ihre Fahrt: Er wähnte, Rüdger wüst es und hätt es ihnen offenbart. 1814 "Willkommen mir, ihr Herren, Gunther und Geiselher, Gernot und Hagen, Herr Volker auch so sehr, Und Dankwart der schnelle: ist euch das nicht bekannt? Schwer beweint noch Kriemhild Den von Nibelungenland." 1815 "Sie mag noch lange weinen," so sprach da Hagen: "Er liegt seit manchem Jahr schon zu Tod erschlagen. Den König der Heunen mag sie nun lieber haben: Siegfried kommt nicht wieder, er ist nun lange begraben." 1816 "Siegfriedens Wunden laßen wir nun stehn: So lange lebt Frau Kriemhild, mag Schade wohl geschehn." So redete von Berne der edle Dieterich: "Trost der Nibelungen, davor behüte du dich!" 1817 "Wie soll ich mich behüten?" sprach der König hehr. "Etzel sandt uns Boten, was sollt ich fragen mehr? Daß wir zu ihm ritten her in dieses Land. Auch hat uns manche Botschaft meine Schwester Kriemhild gesandt." 1818 "So will ich euch rathen," sprach wieder Hagen, "Laßt euch diese Märe doch zu Ende sagen Dieterich den Herren und seine Helden gut, Daß sie euch wißen laßen der Frau Kriemhilde Muth." 1819 Da giengen die drei Könige und sprachen unter sich, Herr Gunther und Gernot und Herr Dieterich: "Nun sag uns, von Berne du edler Ritter gut, Was du wißen mögest von der Königin Muth." 1820 Da sprach der Vogt von Berne: "Was soll ich weiter sagen? Als daß ich alle Morgen weinen hör und klagen Etzels Weib Frau Kriemhild in jämmerlicher Noth Zum reichen Gott vom Himmel um des starken iegfried Tod." 1821 "Es ist halt nicht zu wenden," sprach der kühne Mann, Volker der Fiedler, "was ihr uns kund gethan. Laßt uns zu Hofe reiten und einmal da besehn, Was uns schnellen Degen bei den Heunen möge geschehn." 1822 Die kühnen Burgunden hin zu Hofe ritten: Sie kamen stolz gezogen nach ihres Landes Sitten. Da wollte bei den Heunen gar mancher kühne Mann Von Tronje Hagen schauen, wie der wohl wäre gethan. 1823 Es war durch die Sage dem Volk bekannt genug, Daß er von Niederlanden Siegfrieden schlug, Aller Recken stärksten, Frau Kriemhildens Mann: Drum ward so großes Fragen bei Hof nach Hagen gethan. 1824 Der Held war wohlgewachsen, das ist gewisslich wahr. Von Schultern breit und Brüsten; gemischt war sein Haar Mit einer greisen Farbe; von Beinen war er lang Und schrecklich von Antlitz; er hatte herrlichen Gang. 1825 Da schuf man Herberge den Burgundendegen; Gunthers Ingesinde ließ man gesondert legen. Das rieth die Königstochter, die ihm viel Haßes trug: Daher man bald die Knechte in der Herberg erschlug. 1826 Dankwart, Hagens Bruder, war da Marschall; Der König sein Gesinde ihm fleißig anbefahl, Daß er es die Fülle mit Speise sollte pflegen. Das that auch gar willig und gern dieser kühne Degen. 1827 Kriemhild die schöne mit dem Gesinde gieng, Wo sie die Nibelungen mit falschem Muth empfieng: Sie küsste Geiselheren und nahm ihn bei der Hand. Als das Hagen sah von Tronje, den Helm er fester sich band. 1828 "Nach solchem Empfange," so sprach da Hagen, "Mögen wohl Bedenken die schnellen Degen tragen; Man grüßt die Fürsten ungleich und den Unterthan: Keine gute Reise haben wir zu dieser Hochzeit gethan." 1829 Sie sprach: "Seid willkommen dem, der euch gerne sieht: Eurer Freundschaft willen kein Gruß euch hier geschieht. Sagt, was ihr mir bringet von Worms überrhein, Daß ihr mir so höchlich solltet willkommen sein?" 1830 "Was sind das für Sachen," sprach Hagen entgegen, "Daß euch Gaben bringen sollten diese Degen? So reich wär ich gewesen, hätt ich das gedacht, Daß ich euch meine Gabe zu den Heunen hätt gebracht." 1831 "Nun frag ich um die Märe weiter bei euch an, Der Hort der Nibelungen, wohin ward der gethan? Der war doch mein eigen, das ist euch wohl bekannt: Den solltet ihr mir haben gebracht in König Etzels Land." 1832 "In Treuen, Frau Kriemhild, schon mancher Tag ist hin, Den Hort der Nibelungen, seit ich des ledig bin, Ihn ließen meine Herren senken in den Rhein: Da muß er auch in Wahrheit bis zum jüngsten Tage sein." 1833 Die Königin versetzte: "Ich dacht es wohl vorher. Ihr habt mir noch wenig davon gebracht hieher, Wiewohl er war mein eigen und ich sein weiland pflag; Nach ihm und seinem Herren hab ich manchen leiden Tag." 1834 "Ich bring euch den Teufel!" sprach wieder Hagen, "Ich hab an meinem Schilde so viel zu tragen Und an meinem Harnisch; mein Helm der ist licht, Das Schwert an meiner Seite: drum bring ich ihn euch nicht." 1835 "Es war auch nicht die Meinung, als verlangte mich nach Gold: So viel hab ich zu geben, ich entbehre leicht den Sold. Eines Mords und Doppelraubes, die man an mir genommen, Dafür möcht ich Arme zu lieber Entgeltung kommen." 1836 Da sprach die Königstochter zu den Recken allzumaname = "note" "Man soll keine Waffen tragen hier im Saal; Vertraut sie mir, ihr Helden, zur Verwahrung an." "In Treuen," sprach da Hagen, "das wird nimmer gethan. 1837 "Ich begehre nicht der Ehre, Fürstentochter mild, Daß ihr zur Herberge tragt meinen Schild Und ander Streitgeräthe; ihr seid hier Königin. So lehrte mich mein Vater, daß ich selbst ihr Hüter bin." 1838 "O Weh dieses Leides!" sprach da Kriemhild: "Warum will mein Bruder und Hagen seinen Schild Nicht verwahren laßen? Gewiss, sie sind gewarnt: Und wüst ich, wer es hat gethan, der Tod der hielt’ ihn umgarnt." 1839 Im Zorn gab ihr Antwort Dietrich sogleich: "Ich bin es, der gewarnt hat die edeln Fürsten reich Und Hagen den kühnen, der Burgunden Mann: Nur zu, du Braut des Teufels, du thust kein Leid mir drum an." 1840 Da schämte sich gewaltig die edle Königin: Sie fürchtete sich bitter vor Dietrichs Heldensinn. Sie gieng alsdann von dannen, kein Wort mehr sprach sie da, Nur daß sie nach den Feinden mit geschwinden Blicken sah. 1841 Da nahmen bei den Händen zwei der Degen sich, Der Eine war Hagen, der Andere Dietrich. Da sprach wohlgezogen der Degen allbereit: "Eure Reise zu den Heunen die ist in Wahrheit mir leid, 1842 "Da die Königstochter so gesprochen hat." Da sprach von Tronje Hagen: "Zu Allem wird schon Rath." So sprachen zu einander die Recken wohlgethan. Das sah der König Etzel, der gleich zu fragen begann: 1843 "Die Märe wust ich gerne," befrug der König sich, "Wer der Recke wäre, den dort Herr Dietrich So freundlich hat empfangen; er trägt gar hoch den Muth: Wie auch sein Vater heiße, er mag wohl sein ein Recke gut." 1844 Antwort gab dem König ein Kriemhildens-Mann: "Von Tronje ist er geboren, sein Vater hieß Aldrian; Wie zahm er hier gebare, er ist ein grimmer Mann: Ich laß euch das noch schauen, daß ich keine Lüge gethan." 1845 "Wie soll ich das erkennen, daß er so grimmig ist?" Noch hatt er nicht Kunde von mancher argen List, Die wider ihre Freunde die Königin spann, Daß aus dem Heunenlande ihr auch nicht Einer entrann. 1846 "Wohl kannt ich Hagen, er war mein Unterthan: Lob und große Ehre er hier bei mir gewann. Ich macht’ ihn zum Ritter und gab ihm mein Gold; Weil er sich getreu erwies, war ich immer ihm hold. 1847 "Daher ist mir von Hagen Alles wohlbekannt. Zwei edle Kinder bracht ich als Geisel in dieß Land, Ihn und von Spanien Walther: die wuchsen hier heran. Hagen sandt ich wieder heim; Walther mit Hildegund entrann." 1848 So bedacht er alter Zeiten und was vordem geschehn. Seinen Freund von Tronje hatt er hier gesehn, Der ihm in seiner Jugend oft große Dienste bot; Jetzt schlug er ihm im Alter viel lieber Freunde zu Tod. Abenteuer 29
Wie Hagen und Volker vor Kriemhildens Saal saßen
1849 Da schieden auch die beiden werthen Recken sich, Hagen von Tronje und Herr Dieterich. Ueber die Achsel blickte Gunthers Unterthan Nach einem Heergesellen, den er sich bald gewann. 1850 Neben Geiselheren sah er Volkern stehn, Den kunstreichen Fiedler: den bat er mitzugehn, Weil er wohl erkannte seinen grimmen Muth: Er war an allen Tugenden ein Ritter kühn und auch gut. 1851 Noch ließ man die Herren auf dem Hofe stehn. Die Beiden ganz alleine sah man von dannen gehn Ueber den Hof hin ferne vor einen Pallas weit: Die Auserwählten scheuten sich vor Niemandes Streit. 1852 Sie setzten vor dem Hause sich genüber einem Saal, Der war Kriemhilden, auf eine Bank zu Thal. An ihrem Leibe glänzte ihr herrlich Gewand; Gar Manche, die das sahen, hätten gern sie gekannt. 1853 Wie die wilden Thiere gaffte sie da an, Die übermüthgen Helden, mancher Heuneumann. Da sah sie durch ein Fenster Etzels Königin: Das betrübte wieder der schönen Kriemhilde Sinn. 1854 Sie gedacht ihres Leides; zu weinen hub sie an. Das wunderte die Degen, die Etzeln unterthan, Was ihr bekümmert hätte so sehr den hohen Muth? Da sprach sie: "Das that Hagen, ihr Helden kühn und auch gut." 1855 Sie sprachen zu der Frauen: "Wie ist das geschehn? Wir haben euch doch eben noch wohlgemuth gesehn. Wie kühn er auch wäre, der es euch hat gethan, Befehlt ihr uns die Rache, den Tod müst er empfahn." 1856 "Dem wollt ich immer danken, der rächte dieses Leid: Was er nur begehrte, ich wär dazu bereit. "Ich fall euch zu Füßen," so sprach des Königs Weib: "Rächt mich an Hagen: er verliere Leben und Leib." 1857 Da rüsteten die Kühnen sich, sechzig an der Zahname = "note" Kriemhild zu Liebe wollten sie vor den Saal Und wollten Hagen schlagen, diesen kühnen Mann, Dazu den Fiedelspieler; das ward einmüthig gethan. 1858 Als so gering den Haufen die Königin ersah, In grimmem Muthe sprach sie zu den Helden da: "Von solchem Unterfangen rath ich abzustehn: Ihr dürft in so geringer Zahl nicht mit Hagen streiten gehn. 1859 "So kühn auch und gewaltig Der von Tronje sei, Noch ist bei weitem stärker, der ihm da sitzet bei, Volker der Fiedler: das ist ein übler Mann: Wohl dürft ihr diesen Helden nicht zu so wenigen nahn." 1860 Als sie die Rede hörten, rüsteten sich mehr Vierhundert Recken. Der Königin hehr Lag sehr am Herzen die Rache für ihr Leid. Da wurde bald den Degen große Sorge bereit. 1861 Als sie ihr Gesinde wohlbewaffnet sah, Zu den schnellen Recken sprach die Königin da: "Nun harrt eine Weile: ihr sollt noch stille stehn. Ich will unter Krone hin zu meinen Feinden gehn. 1862 "Hört mich ihm verweisen, was mir hat gethan Hagen von Tronje, Gunthers Unterthan. Ich weiß ihn so gemuthet, er läugnets nimmermehr: So will ich auch nicht fragen, was ihm geschehe nachher." 1863 Da sah der Fiedelspieler, ein kühner Spielmann, Die edle Königstochter von der Stiege nahn, Die aus dem Hause führte. Als er das ersah, Zu seinem Heergesellen sprach der kühne Volker da: 1864 "Nun schauet, Freund Hagen, wie sie dorther naht, Die uns ohne Treue ins Land geladen hat. Ich sah mit einer Königin nie so manchen Mann Die Schwerter in den Händen also streitlustig nahn. 1865 "Wißt ihr, Freund Hagen, daß sie euch abhold sind? So will ich euch rathen, daß ihr zu hüten sinnt Des Lebens und der Ehre; führwahr, das dünkt mich gut: Soviel ich mag erkennen, ist ihnen zornig zu Muth. 1866 "Es sind auch Manche drunter von Brüsten stark und breit: Wer seines Lebens hüten will, der thu es beizeit. Ich seh sie unter Seide die festen Panzer tragen. Was sie damit meinen, das hör ich Niemanden sagen." 1867 Da sprach im Zornmuthe Hagen der kühne Mann: "Ich weiß wohl, das wird Alles wider mich gethan, Daß sie die lichten Waffen tragen an der Hand; Von denen aber reit ich noch in der Burgunden Land. 1868 "Nun sagt mir, Freund Volker, denkt ihr mir beizustehn, Wenn mit mir streiten wollen Die in Kriemhilds Lehn? Das laßt mich vernehmen, so lieb als ich euch sei. Ich steh euch mit Diensten immer wieder treulich bei." 1869 "Sicherlich, ich helf euch," so sprach da Volker. "Und säh ich uns entgegen mit seinem ganzen Heer Den König Etzel kommen, all meines Lebens Zeit Weich ich von eurer Seite aus Furcht nicht eines Fußes breit." 1870 "Nun lohn euch Gott vom Himmel, viel edler Volker! Wenn sie mit mir streiten, wes bedarf ich mehr? Da ihr mir helfen wollet, wie ich jetzt vernommen, So mögen diese Recken fein behutsam näher kommen." 1871 "Stehn wir auf vom Sitze," sprach der Fiedelmann, "Vor der Königstochter, so sie nun kommt heran. Bieten wir die Ehre der edeln Königin! Das bringt uns auch beiden an eignen Ehren Gewinn." 1872 "Nein! wenn ihr mich lieb habt," sprach dawider Hagen. "Es möchten diese Degen mit dem Wahn sich tragen, Daß ich aus Furcht es thäte und dächte wegzugehn: Von dem Sitze mein ich vor ihrer Keinem aufzustehn. 1873 "Daß wir es bleiben laßen, das ziemt uns ganz allein. Soll ich dem Ehre bieten, der mir feind will sein? Nein, ich thu es nimmer, so lang ich leben solname = "note" In aller Welt, was kümmr ich mich um Kriemhildens Groll?" 1874 Der vermeßne Hagen legte über die Schenkel hin Eine lichte Waffe, aus deren Knaufe schien Mit hellem Glanz ein Jaspis, grüner noch als Gras. Wohl erkannte Kriemhild, daß Siegfried einst sie besaß. 1875 Als sie das Schwert erkannte, das schuf ihr große Noth. Der Griff war von Golde, der Scheide Borte roth. Ermahnt war sie des Leides, zu weinen hub sie an; Ich glaube, Hagen hatt es auch eben darum gethan. 1876 Volker der kühne zog näher an die Bank Einen starken Fiedelbogen, mächtig und lang, Wie ein Schwert geschaffen, scharf dazu und breit. So saßen unerschrocken diese Recken allbereit. 1877 Die kühnen Degen beide dauchten sich so hehr, Aus Furcht vor Jemandem wollten sie nimmermehr Vom Sitz sich erheben. Ihnen schritt da vor den Fuß Die edle Königstochter und bot unfreundlichen Gruß. 1878 Sie sprach: "Nun sagt, Herr Hagen, wer hat nach euch gesandt, Daß ihr zu reiten wagtet her in dieses Land, Da ihr doch wohl wustet, was ihr mir habt gethan? Wart ihr bei guten Sinnen, ihr durftets euch nicht unterfahn." 1879 "Nach mir gesandt hat Niemand," sprach er entgegen, "Her zu diesem Lande lud man drei Degen, Die heißen meine Herren: ich steh in ihrem Lehn; Bei keiner Hofreise pfleg ich daheim zu bestehn." 1880 Sie sprach: "Nun sagt mir ferner, was thatet ihr das, Daß ihr es verdientet, wenn ich euch trage Haß? Ihr erschlugt Siegfrieden, meinen lieben Mann, Den ich bis an mein Ende nicht gut beweinen kann." 1881 "Wozu der Rede weiter?" sprach er, "es ist genug: Ich bin halt der Hagen, der Siegfrieden schlug, Den behenden Degen: wie schwer er das entgalt, Daß die Frau Kriemhild die schöne Brunhilde schalt! 1882 "Es wird auch nicht geläugnet, reiche Königin, Daß ich an all dem Schaden, dem schlimmen, schuldig bin. Nun räch es, wer da wolle, Weib oder Mann. Ich müst es wahrlich lügen, ich hab euch viel zu Leid gethan." 1883 Sie sprach: "Da hört ihr, Recken, wie er die Schuld gesteht An all meinem Leide: wie’s ihm deshalb ergeht, Darnach will ich nicht fragen, ihr Etzeln unterthan." Die übermüthgen Degen blickten all einander an. 1884 Wär da der Streit erhoben, so hätte man gesehn, Wie man den zwei Gesellen müß Ehre zugestehn: Das hatten sie in Stürmen oftmals dargethan. Was jene sich vermeßen, das gieng aus Furcht nun nicht an. 1885 Da sprach der Recken Einer: "Was seht ihr mich an? Was ich zuvor gelobte, das wird nun nicht gethan. Um Niemands Gabe laß ich Leben gern und Leib. Uns will hier verleiten dem König Etzel sein Weib." 1886 Da sprach ein Andrer wieder: "So steht auch mir der Muth. Wer mir Thürme gäbe von rothem Golde gut, Diesen Fiedelspieler wollt ich nicht bestehn Der schnellen Blicke wegen, die ich hab an ihm ersehn. 1887 "Auch kenn ich diesen Hagen von seiner Jugendzeit: Drum weiß ich von dem Recken selber wohl Bescheid. In zweiundzwanzig Stürmen hab ich ihn gesehn; Da ist mancher Frauen Herzeleid von ihm geschehn.
1888 "Er und Der von Spanien traten manchen Pfad, Da sie hier bei Etzeln thaten manche That Dem König zu Liebe. Das ist oft geschehn: Drum mag man Hagen billig große Ehre zugestehn. 1889 "Damals war der Recke an Jahren noch ein Kind, Da waren schon die Knaben wie jetzt kaum Greise sind. Nun kam er zu Sinnen und ist ein grimmer Mann; Auch trägt er Balmungen, den er übel gewann." 1890 Damit wars entschieden, Niemand suchte Streit. Das war der Königstochter im Herzen bitter leid. Die Helden giengen wieder; wohl scheuten sie den Tod Von den Helden beiden: das that ihnen wahrlich Noth. 1891 Wie oft man verzagend Manches unterläßt, Wo der Freund beim Freunde treulich steht und fest! Und hat er kluge Sinne, daß er nicht also thut, Vor Schaden nimmt sich Mancher durch Besonnenheit in Hut. 1892 Da sprach der kühne Volker: "Da wir nun selber sahn, Daß wir hie Feinde finden, wie man uns kund gethan, So laß uns zu den Königen hin zu Hofe gehn, So darf unsre Herren mit Kampfe Niemand bestehn." 1893 "Gut, ich will euch folgen," sprach Hagen entgegen. Da giengen hin die Beiden, wo sie die zieren Degen Noch harrend des Empfanges auf dem Hofe sahn. Volker der kühne hub da laut zu reden an. 1894 Er sprach zu seinen Herren: "Wie lange wollt ihr stehn Und euch drängen laßen? ihr sollt zu Hofe gehn Und von dem König hören, wie der gesonnen sei." Da sah man sich gesellen der kühnen Helden je zwei. 1895 Dietrich von Berne nahm da an die Hand Gunther den reichen von Burgundenland; Irnfried nahm Gernoten, diesen kühnen Mann; Da gieng mit seinem Schwäher Geiselher zu Hof heran. 1896 Wie bei diesem Zuge gesellt war Jeglicher, Volker und Hagen, die schieden sich nicht mehr Als noch in Einem Kampfe bis an ihren Tod. Das musten bald beweinen edle Fraun in großer Noth. 1897 Da sah man mit den Königen hin zu Hofe ziehn Ihres edeln Ingesindes tausend Degen kühn; Darüber sechzig Recken waren mitgekommen: Die hatt aus seinem Lande der kühne Hagen genommen. 1898 Hawart und Iring, zwei Degen auserkannt, Die giengen mit den Königen zu Hofe Hand in Hand; Dankwart und Wolfhart, ein theuerlicher Degen, Die sah man großer Hofzucht vor den übrigen pflegen. 1899 Als der Vogt vom Rheine in den Pallas gieng, Etzel der reiche das länger nicht verhieng: Er sprang von seinem Sitze, als er ihn kommen sah. Ein Gruß, ein so recht schöner, nie mehr von Köngen geschah. 1900 "Willkommen mir, Herr Gunther und auch Herr Gernot Und euer Bruder Geiselher, die ich hieher entbot Mit Gruß und treuem Dienste von Worms überrhein, Und eure Degen alle sollen mir willkommen sein. 1901 "Laßt euch auch Willkommen, ihr beiden Recken, sagen, Volker der kühne und dazu Herr Hagen, Mir und meiner Frauen hier in diesem Land: Sie hat euch manche Botschaft hin zum Rheine gesandt." 1902 Da sprach von Tronje Hagen: "Das haben wir vernommen. Wär ich um meine Herren gen Heunland nicht gekommen, So wär ich euch zu Ehren geritten in das Land." Da nahm der edle König die lieben Gäste bei der Hand. 1903 Und führte sie zum Sitze hin, wo er selber saß. Da schenkte man den Gästen, fleißig that man das, In weiten goldnen Schalen Meth, Moraß und Wein Und hieß die fremden Degen höchlich willkommen sein. 1904 Da sprach König Etzename = "note" "Das muß ich wohl gestehn, Mir könnt in diesen Zeiten nichts Lieberes geschehn Als durch euch, ihr Recken, daß ihr gekommen seid; Damit ist auch der Königin benommen Kummer und Leid. 1905 "Mich nahm immer Wunder, was ich euch wohl gethan, Da ich der edeln Gäste so Manche doch gewann, Daß ihr nie zu reiten geruhtet in mein Land; Nun ich euch hier ersehen hab, ist mirs zu Freuden gewandt." 1906 Da versetzte Rüdiger, ein Ritter hochgemuth: "Ihr mögt sie gern empfahen, ihre Treue die ist gut: Der wißen meiner Frauen Brüder schön zu pflegen. Sie bringen euch zu Hause manchen waidlichen Degen." 1907 Am Sonnewendenabend waren sie gekommen An Etzels Hof, des reichen. Noch selten ward vernommen, Daß ein König seine Gäste freundlicher empfieng; Darnach er zu Tische wohlgemuth mit ihnen gieng. 1908 Ein Wirth bei seinen Gästen sich holder nie betrug. Zu trinken und zu eßen bot man da genug: Was sie nur wünschen mochten, das wurde gern gewährt. Man hatte von den Helden viel große Wunder gehört. 1909 Der reiche Etzel hatte an ein Gebäude weit Viel Fleiß und Müh gewendet und Kosten nicht gescheut: Man sah Pallas und Thürme, Gemächer ohne Zahl In einer weiten Veste und einen herrlichen Saal. 1910 Den hatt er bauen laßen lang, hoch und weit, Weil ihn so viel der Recken heimsuchten jederzeit. Auch ander Ingesinde, zwölf reiche Könge hehr Und viel der werthen Degen hatt er zu allen Zeiten mehr, 1911 Als je gewann ein König, von dem ich noch vernahm. Er lebte so mit Freunden und Mannen wonnesam: Gedräng und frohen Zuruf hatte der König gut Von manchem schnellen Degen; drum stand wohl hoch ihm der Muth. Abenteuer 30
Wie Hagen und Volker Schildwacht standen
1912 Der Tag war nun zu Ende, es nahte sich die Nacht. Den reisemüden Recken war die Sorg erwacht, Wann sie ruhen sollten und zu Bette gehn. Zur Sprache bracht es Hagen: Bescheid ist ihnen geschehn. 1913 Zu dem Wirthe sprach da Gunther: "Gott laß euchs wohlgedeihn: Wir wollen schlafen gehen, mag es mit Urlaub sein. Wenn ihr das gebietet, kommen wir morgen fruh." Der Wirth entließ die Gaste wohlgemuth zu ihrer Ruh. 1914 Von allen Seiten drängen man die Gäste sah. Volker der kühne sprach zu den Heunen da: "Wie dürft ihr uns Recken so vor die Füße gehn? Und wollt ihr das nicht meiden, so wird euch übel geschehn. 1915 "So schlag ich Dem und Jenem so schweren Geigenschlag, Hat er einen Treuen, daß ders beweinen mag. Nun weicht vor uns Recken, fürwahr, mich dünkt es gut: Es heißen Alle Degen und haben doch nicht gleichen Muth." 1916 Als in solchem Zorne sprach der Fiedelmann, Hagen der kühne sich umzuschaun begann. Er sprach: "Euch räth zum Heile der kühne Fiedeler. Geht zu den Herbergen, ihr in Kriemhildens Heer. 1917 "Was ihr habt im Sinne, es fügt sich nicht dazu: Wollt ihr was beginnen, so kommt uns morgen fruh Und laßt uns Reisemüden heut in Frieden ruhn. Ich glaube, niemals werden es Helden williger thun." 1918 Da brachte man die Gäste in einen weiten Saal, Zur Nachtruh eingerichtet den Recken allzumal Mit köstlichen Betten, lang zumal und breit. Gern schuf ihnen Kriemhild das allergrößeste Leid, 1919 Schmucker Decken sah man von Arras da genug Aus lichthellem Zeuge und manchen Ueberzug Aus Arabischer Seide, so gut sie mochten sein, Verbrämt mit goldnen Borten, die gaben herrlichen Schein. 1920 Viel Bettlaken fand man von Hermelin gemacht Und von schwarzem Zobel, worunter sie die Nacht Sich Ruhe schaffen sollten bis an den lichten Tag. Ein König mit dem Volke wohl nimmer herrlicher lag. 1921 "O weh des Nachtlagers!" sprach Geiselher das Kind, "Und weh meiner Freunde, die mit uns kommen sind. Wie gut es meine Schwester uns auch hier erbot, Wir gewinnen, fürcht ich, alle von ihrem Haße den Tod." 1922 "Nun laßt euer Sorgen," sprach Hagen der Degen, "Ich will heunte selber der Schildwache pflegen Und getrau euch zu behüten bis morgen an den Tag: Seit des ohne Sorge: so entrinne, wer da mag." 1923 Da neigten sich ihm Alle und sagten ihm Dank. Sie giengen zu den Betten. Da währt’ es nicht lang, Bis in Ruhe lagen die Helden wohlgethan. Hagen der kühne sich da zu waffnen begann. 1924 Da sprach der Fiedelspieler, Volker der Degen: "Verschmäht ihrs nicht, Hagen, so will ich mit euch pflegen Heunt der Schildwache bis morgen an den Tag." Da dankte Volkeren der Degen gütlich und sprach: 1925 "Nun lohn euch Gott vom Himmel, viel lieber Volker! Zu allen meinen Sorgen wünsch ich mir Niemand mehr Als nur euch alleine, befahr ich irgend Noth. Ich will es wohl vergelten, es verwehr es denn der Tod." 1926 Da kleideten die Beiden sich in ihr licht Gewand, Jedweder faßte den Schild an seine Hand, Sie giengen aus dem Hause vor die Thüre stehn Und hüteten der Gäste; das ist mit Treuen geschehn. 1927 Volker der schnelle lehnte von der Hand Seinen Schild den guten an des Saales Wand. Dann wandt er sich zurücke, wo seine Geige war, Und diente seinen Freunden: es ziemt ihm also fürwahr. 1928 Unter des Hauses Thüre setzt’ er sich auf den Stein. Kühnrer Fiedelspieler mochte nimmer sein. Als der Saiten Tönen ihm so hold erklang, Die stolzen Heimatlosen die sagten Volkern den Dank. 1929 Da tönten seine Saiten, daß all das Haus erscholl; Seine Kraft und sein Geschicke die waren beide voll. Süßer und sanfter zu geigen hub er an: So spielt’ er in den Schlummer gar manchen sorgenden Mann. 1930 Da sie entschlafen waren und Volker das befand, Da nahm der Degen wieder den Schild an die Hand Und gieng aus dem Hause vor die Thüre stehn, Seine Freunde zu behüten vor Denen in Kriemhilds Lehn. 1931 Wohl der Nacht inmitten, wenn es erst da geschah, Volker der kühne einen Helm erglänzen sah Fernher durch das Dunkename = "note" Die Kriemhild unterthan, Hätten an den Gästen gerne Schaden gethan. 1932 Bevor diese Recken Kriemhild hatt entsandt, Sie sprach: "Wenn ihr sie findet, so seid um Gott ermahnt, Daß ihr Niemand tödtet als den einen Mann, Den ungetreuen Hagen; die Andern rühret nicht an." 1933 Da sprach der Fiedelspieler: "Nun seht, Freund Hagen, Uns ziemt, diese Sorge gemeinsam zu tragen. Gewaffnet vor dem Hause seh ich Leute stehn: So viel ich mag erkennen, kommen sie uns zu bestehn." 1934 "So schweigt," sprach da Hagen, "laßt sie erst näher her. Eh sie uns inne werden, wird ihrer Helme Wehr Zerschroten mit den Schwertern von unser Beider Hand: Sie werden Kriemhilden übel wieder heimgesandt." 1935 Der Heunenrecken Einer das gar bald ersah, Die Thüre sei behütet: wie schnell sprach er da: "Was wir im Sinne hatten, kann nun nicht geschehn: Ich seh den Fiedelspieler vor dem Hause Schildwacht stehn. 1936 "Er trägt auf dem Haupte einen Helm von lichtem Glanz, Der ist hart und lauter, stark dazu und ganz. Auch loh’n die Panzerringe ihm, wie das Feuer thut. Daneben steht auch Hagen: die Gäste sind in guter Hut." 1937 Da wandten sie sich wieder. Als Volker das ersah, Zu seinem Heergesellen in Zorn sprach er da: "Nun laßt mich von dem Hause zu den Recken gehn: So frag ich um die Märe Die in Kriemhildens Lehn." 1938 "Nein, wenn ihr mich lieb habt," sprach Hagen entgegen, "Kämt ihr aus dem Hause, diese schnellen Degen Brächten euch mit Schwertern leicht in solche Noth, Daß ich euch helfen müste, wärs aller meiner Freunde Tod. 1939 "Wenn wir dann Beide kämen in den Streit, So möchten ihrer zweie oder vier in kurzer Zeit Zu dem Hause springen und schüfen solche Noth Drinnen an den Schlafenden, daß wir bereuten bis zum Tod." 1940 Da sprach wieder Volker: "So laßt es nur geschehn, Daß sie inne werden, wir haben sie gesehn: So können uns nicht läugnen Die Kriemhild unterthan, Daß sie gerne treulos an den Gästen hätten gethan." 1941 Da rief der Fiedelspieler den Heunen entgegen: "Wie geht ihr so bewaffnet, ihr behenden Degen? Wollt ihr morden reiten, ihr Kriemhild unterthan? So nehmt mich zur Hülfe und meinen Heergesellen an," 1942 Niemand gab ihm Antwort; zornig war sein Muth: "Pfui, feige Bösewichter," sprach der Degen gut, "Im Schlaf uns zu ermorden, schlicht ihr dazu heran? Das ward so guten Helden bisher noch selten gethan." 1943 Bald ward auch die Märe der Königin bekannt Vom Abzug ihrer Boten: wie schwer sie das empfand! Da fügte sie es anders; gar grimmig war ihr Muth. Da musten bald verderben viel der Helden kühn und gut. Abenteuer 31
Wie die Herren zur Kirche giengen
1944 "Mir wird so kühl der Harnisch," sprach da Volker: "Die Nacht, wähn ich, wolle nun nicht währen mehr. Ich fühl es an den Lüften, es ist nicht weit vom Tag." Da weckten sie gar Manchen, der da im Schlafe noch lag. 1945 Da schien der lichte Morgen den Gästen in den Saal. Hagen begann zu fragen die Recken allzumal, Ob sie zum Münster wollten in die Messe heut. Nach christlichen Sitten erscholl der Glocken Geläut. 1946 Der Gesang war ungleich; kein Wunder möcht es sein, Daß Christen mit Heiden nicht stimmten überein. Da wollten zu der Kirche Die in Gunthers Lehn: Man sah sie von den Betten allzumal da erstehn. 1947 Da schnürten sich die Recken in also gut Gewand, Daß nie Helden wieder in eines Königs Land Beßre Kleider brachten. Hagen war es leid; Er sprach: "Ihr thätet beßer, ihr trügt hier anderlei Kleid. 1948 "Nun ist euch doch allen die Märe wohl bekannt: Drum statt der Rosenkränze nehmt Waffen an die Hand; Statt wohlgesteinter Hüte die lichten Helme gut, Da wir so wohl erkennen der argen Kriemhilde Muth. 1949 "Wir müßen heute streiten, das will ich euch sagen. Statt seidner Hemden sollt ihr Halsbergen tragen Und statt der reichen Mäntel gute Schilde breit: Zürnt mit euch Jemand, daß ihr wehrhaftig seid. 1950 "Meine lieben Herren, Freund und Mannen mein, Tretet in die Kirche mit lauterm Herzen ein Und klagt Gott dem reichen eure Sorg und Noth: Denn wißt unbezweifelt, es naht uns allen der Tod. 1951 "Ihr sollt auch nicht vergeßen, was je von euch geschah, Und fleht vor eurem Gotte andächtig da. Laßt euch alle warnen, gute Recken hehr: Es wend es Gott im Himmel, so hört ihr keine Messe mehr," 1952 So giengen zu dem Münster die Fürsten und ihr Lehn. Auf dem heiligen Friedhof, da hieß sie stille stehn Hagen der kühne, damit man sie nicht schied. Er sprach: "Noch weiß ja Niemand, was von den Heunen geschieht. 1953 "Setzt, meine Freunde, die Schilde vor den Fuß Und lohnt es, beut euch Jemand feindlichen Gruß, Mit tiefen Todeswunden: das ist, was euch Hagen räth. So werdet ihr befunden, wie’s euch am löblichsten steht." 1954 Volker und Hagen die beiden stellten da Sich vor das weite Münster: was darum geschah, Sie wolltens dazu bringen, daß sich die Königin Mit ihnen drängen müße; wohl war gar grimmig ihr Sinn. 1955 Da kam der Wirth des Landes und auch sein schönes Weib; Mit reichem Gewände war ihr geziert der Leib Und manchem schnellen Degen, der im Geleit ihr war. Da flog der Staub zur Höhe vor der Königin Schar, 1956 Als der reiche König so gewaffnet sah Die Fürsten und ihr Ingesind, wie bald sprach er da: "Was seh ich meine Freunde unter Helmen gehn? Leid war mir meiner Treue, wär ihnen Leid hier geschehn. 1957 "Das wollt ich ihnen büßen, wie sie es däuchte gut. Wenn ihnen wer beschwerte das Herz und den Muth, So laß ich sie wohl schauen, es sei mir wahrlich leid: Was sie gebieten mögen, dazu bin ich gern bereit." 1958 Zur Antwort gab ihm Hagen: "Uns ist kein Leid geschehn. Es ist der Herren Sitte, daß sie gewaffnet gehn Bei allen Gastgeboten zu dreien vollen Tagen. Was uns hier geschähe, wir würden es Etzeln klagen." 1959 Wohl vernahm die Königin Hagens Rede da. Wie feindlich sie dem Degen unter die Augen sah! Sie wollte doch nicht melden den Brauch in ihrem Land, Wie lang bei den Burgunden sie den auch hatte gekannt. 1960 Wie grimm und stark die Königin ihnen abhold wäre, Hätte Jemand Etzeln gesagt die rechte Märe, Er hätt es wohl gewendet, was nun doch geschah: In ihrem hohen Uebermuth verschwiegen sie es Alle da. 1961 Da schritt mit vielem Volke Kriemhild zur Kirchenthür: Doch wollten diese Beiden weichen nicht vor ihr Zweier Hände Breite: das war den Heunen leid. Da muste sie sich drängen mit den Helden allbereit. 1962 Etzels Kämmerlinge die dauchte das nicht gut: Wohl hätten sie den Recken gern erzürnt den Muth, Wenn sie es wagen dürften vor dem König hehr. Da gab es groß Gedränge und doch nichts anderes mehr. 1963 Als nach dem Gottesdienste man auf den Heimweg sann, Da kam hoch zu Rosse mancher Heunenmann. Auch war bei Kriemhilden manche schöne Maid; Wohl Siebentausend zählte der Königin Heergeleit. 1964 Kriemhild mit ihren Frauen in den Fenstern saß Bei Etzeln dem reichen; gerne sah er das. Sie wollten reiten sehen die Helden auserkannt: Hei! was man fremder Recken vor ihnen auf dem Hofe fand! 1965 Nun war auch mit den Rossen der Marschall gekommen. Der kühne Dankwart hatte mit sich genommen Der Herren Ingesinde von Burgundenland: Die Rosse wohlgesattelt man den kühnen Niblungen fand. 1966 Als zu Rossen kamen die Fürsten und ihr Herr, Da begann zu rathen der kühne Volker, Sie sollten buhurdieren nach ihres Landes Sitten. Da wurde von den Helden bald gar herrlich geritten. 1967 Was der Held gerathen, Niemanden wohl verdroß; Der Buhurd und der Waffenklang wurden beide groß. In dem weiten Hofe kam da mancher Mann; Etzel mit Kriemhild es selbst zu schauen begann. 1968 Auf den Buhurd kamen sechshundert Degen. Dietrichens Recken, den Gästen entgegen. Mit den Burgunden wollten sie sich im Spiel ergehn; Wollt es ihr Herr vergönnen, so wär es gerne geschehn. 1969 Hei! Was gute Recken ritten da heran! Dietrich dem Helden ward es kund gethan. Mit Gunthers Ingesinde das Spiel er verbot; Er schonte seiner Leute: das that ihm sicherlich Noth. 1970 Als Dietrichs Gefolge so vermied den Streit, Da kamen von Bechlaren Rüdigers Geleit, Fünfhundert unter Schilden, vor den Saal geritten. Leid wars dem Markgrafen: er hätt es gern nicht gelitten. 1971 Er kam zu ihnen eilends gedrungen durch die Schar Und sagte seinen Mannen: sie würden selbst gewahr, Daß im Unmuth wären Die Gunthern unterthan: Wenn sie das Kampfspiel ließen, so wär ihm Liebes gethan. 1972 Als von ihnen schieden die Helden allbereit, Da kamen die von Thüringen, hörten wir Bescheid, Und vom Dänenlande der Kühnen tausend Mann. Von Stichen sah man fliegen viel der Splitter hoch hinan. 1973 Irnfried und Hawart ritten zum Buhurd hin; Ihrer harrten Die vom Rheine mit hochfährtgem Sinn Zum Lanzenspiel mit Denen vom Thüringerland: Durchbohrt von Stichen wurde mancher schöne Schildesrand. 1974 Da kam der Degen Blödel, dreitausend in der Schar. Etzel und Kriemhild nahmen sein wohl war, Da vor ihnen Beiden das Ritterspiel geschah. Die Königin es gerne aus Haß der Burgunden sah. 1975 Sie gedacht in ihrem Sinne, schier wärs auch so geschehn: "Und thäten sie wem Leides, so dürft ich mich versehn, Daß es zum Ernste käme: an den Feinden mein Würd ich dann gerochen; des wollt ich ohne Sorge sein." 1976 Schrutan und Gibeke ritten zum Buhurd auch, Hornbog und Ramung, nach heunischem Gebrauch. Sie hielten vor den Helden aus Burgundenland: Die Schäfte flogen wirbelnd über des Königssaales Wand. 1977 Wie sie da Alle ritten, das war doch eitel Schall. Von Stößen auf die Schilde das Haus und den Saal Hörte man ertosen durch manchen Gunthers-Mann. Das Lob sich sein Gesinde mit großen Ehren gewann. 1978 Da ward ihre Kurzweil so stark und so groß, Daß den Satteldecken der blanke Schweiß entfloß Von den guten Rossen, so die Helden ritten. Sie versuchten an den Heunen sich mit hochfährtgen Sitten. 1979 Da sprach der kühne Volker, der edle Spielmann: "Zu feig sind diese Degen, sie greifen uns nicht an. Ich hörte immer sagen, daß sie uns abhold sein: Nun könnte die Gelegenheit ihnen doch nicht günstger sein." 1980 "Zu den Ställen wieder," sprach der König hehr, "Ziehe man die Rosse; wir reiten wohl noch mehr In den Abendstunden, wenn die Zeit erschien. Ob dann den Burgunden den Preis wohl giebt die Königin?" 1981 Da sahn sie Einen reiten so stattlich daher, Es thats von allen Heunen kein Anderer mehr. Er hatt in den Fenstern wohl ein Liebchen traut: Er ritt so wohl gekleidet als eines werthen Ritters Braut. 1982 Da sprach wieder Volker: "Wie blieb’ es ungethan? Jener Weiberliebling muß einen Stoß empfahn. Das mag hier Niemand wenden, es geht ihm an den Leib: Nicht frag ich, ob drum zürne dem König Etzel sein Weib." 1983 "Nicht doch," sprach der König, "wenn ichs erbitten kann: Es schelten uns die Leute, greifen wir sie an: Die Heunen laßt beginnen; es kommt wohl bald dahin." Noch saß König Etzel am Fester bei der Königin. 1984 "Ich will das Kampfspiel mehren," sprach Hagen jedoch: "Laßt diese Frauen und die Degen noch Sehn, wie wir reiten können: das ist wohlgethan; Man läßt des Lobs doch wenig die Recken Gunthers empfahn." 1985 Volker der schnelle ritt wieder in den Streit. Das schuf da viel der Frauen großes Herzeleid. Er stach dem reichen Heunen den Sper durch den Leib: Das sah man noch beweinen manche Maid und manches Weib. 1986 Alsbald rückt’ auch Hagen mit seinen Helden an: Mit sechzig seiner Degen zu reiten er begann Dahin, wo von dem Fiedler das Spiel war geschehn. Etzel und Kriemhild konnten Alles deutlich sehn. 1987 Da wollten auch die Könige den kühnen Fiedler gut Unter den Feinden nicht laßen ohne Hut. Da ward von tausend Helden mit großer Kunst geritten. Sie thaten, was sie lüstete, mit gar hochfährtgen Sitten. 1988 Als der reiche Heune zu Tode war geschlagen, Man hörte seiner Freunde Wehruf und Klagen. All das Gesinde fragte: "Wer hat das gethan?" "Das hat gethan der Fiedler, Volker der kühne Spielmann." 1989 Nach Schwertern und Schilden riefen gleich zur Hand Des Markgrafen Freunde von der Heunen Land: Zu Tode schlagen wollten sie den Fiedelmann. Der Wirth von seinem Fenster daher zu eilen begann. 1990 Da hob sich von den Heunen allenthalben Schall. Abstiegen mit dem Volke die Könge vor dem Saal; Zurück die Rosse stießen Die Gunthern unterthan. Da kam der König Etzel den Streit zu schlichten heran. 1991 Einem Vetter dieses Heunen, den er da bei ihm fand, Eine scharfe Waffe brach er ihm aus der Hand Und schlug sie all zurücke: er war in großem Zorn. "Wie hätt ich meine Dienste an diesen Helden verlorn! 1992 "Wenn ihr diesen Spielmann hättet drum erschlagen, Ich ließ’ euch alle hängen! das will ich euch sagen. Als er erstach den Heunen, sein Reiten wohl ich sah, Daß es wider seinen Willen nur durch Straucheln geschah. 1993 "Ihr sollt meine Gäste mit Frieden laßen ziehn." So ward er ihr Geleite. Die Rosse zog man hin Zu den Herbergen. Sie hatten manchen Knecht, Der ihnen war zu Diensten mit allem Fleiße gerecht. 1994 Der Wirth mit seinen Freunden gieng zum Saal zurück: Da regte sich kein Zürnen mehr vor seinem Blick. Man richtete die Tische, das Wasser man auch trug. Da hatten Die vom Rheine der starken Feinde genug. 1995 Unlieb war es Etzeln, doch folgte manche Schar Den Fürsten, die mit Waffen wohl versehen war, Im Unmuth auf die Gäste, als man zu Tische gieng, Den Freund bedacht zu rächen, wenn es günstge Zeit verhieng. 1996 "Daß ihr in Waffen lieber zu Tische geht als bloß," Sprach der Wirth des Landes, "die Unart ist zu groß; Wer aber an den Gästen den kleinsten Frevel wagt, Der büßt es mit dem Haupte: das sei euch Heunen gesagt." 1997 Bevor da niedersaßen die Herren, das währte lang, Weil zu sehr mit Sorgen jetzt Frau Kriemhild rang. Sie sprach: "Fürst von Berne, heute muß ich flehn Zu dir um Rath und Hülfe: meine Sachen ängstlich stehn." 1998 Zur Antwort gab ihr Hildebrand, eine Recke tugendlich: "Wer schlägt die Nibelungen, der thut es ohne mich, Wie viel man Schätze böte; es wird ihm wahrlich leid. Sie sind noch unbezwungen, die schnellen Ritter allbereit." 1999 "Es geht mir nur um Hagen, der hat mir Leid gethan, Der Siegfrieden mordete, meinen lieben Mann. Wer den von ihnen schiede, dem wär mein Gold bereit: Entgält es anders Jemand, das wär mir inniglich leid." 2000 Da sprach Meister Hildebrand: "Wie möchte das geschehn, Den ihnen zu erschlagen? Ihr solltet selber sehn: Bestünde man den Degen, leicht gäb es eine Noth, Daß Arme so wie Reiche dabei erlägen im Tod." 2001 Da sprach dazu Herr Dietrich mit zuchtreichem Sinn: "Die Rede laßt bleiben, reiche Königin; Mir ist von euern Freunden kein solches Leid geschehn, Daß ich sollt im Streite die kühnen Degen bestehn. 2002 "Die Bitte ehrt euch wenig, edel Königsweib, Daß ihr den Freunden rathet an Leben und an Leib. Sie kamen euch auf Gnade hieher in dieses Land; Siegfried bleibt ungerochen wohl von Dietrichens Hand." 2003 Als sie keine Untreu bei dem Berner fand, Alsobald gelobte sie Blödeln in die Hand Eine weite Landschaft, die Nudung einst besaß; Hernach erschlug ihn Dankwart, daß er der Gabe gar vergaß. 2004 Sie sprach: "Du sollst mir helfen, Bruder Blödelein. Hier in diesem Hause sind die Feinde mein, Die Siegfrieden schlugen, meinen lieben Mann: Wer mir das rächen hülfe, dem war ich immer unterthan." 2005 Zur Antwort gab ihr Blödel, der ihr zur Seite saß: "Ich darf euern Freunden nicht zeigen solchen Haß, Weil sie mein Bruder Etzel so gerne leiden mag: Wenn ich sie bestünde, der König säh es mir nicht nach." 2006 "Nicht also, Herr Blödel, ich bin dir immer hold: Ich gebe dir zum Lohne mein Silber und mein Gold Und eine schöne Witwe, Nudungens Weib: So magst du immer kosen ihren minniglichen Leib. 2007 "Das Land zu den Burgen, Alles geb ich dir, So lebst du, theurer Ritter, in Freuden stäts mit ihr, Wenn du die Mark gewinnest, die Nudung einst besaß. Was ich dir hier gelobe, mit Treuen leist ich dir das." 2008 Als Blödel bieten hörte des Lohnes also viel Und ihrer Schöne willen die Frau ihm wohlgefiel, Im Kampf verdienen wollt er das minnigliche Weib. Da muste dieser Recke verlieren Leben und Leib. 2009 Er sprach zu der Königin: "Geht wieder in den Saal. Eh man es inne werde, erheb ich großen Schall. Hagen muß es büßen, was er euch hat gethan: Ich bring euch gebunden König Gunthers Unterthan." 2010 "Nun waffnet euch," sprach Blödel, "ihr all in meinem Lehn, Wir wollen zu den Feinden in die Herberge gehn. Mir will es nicht erlaßen König Etzels Weib: Wir Helden müßen alle verwagen Leben und Leib." 2011 Als den Degen Blödel entließ die Königin, Daß er den Streit begänne, zu Tische gieng sie hin Mit Etzeln dem Könige und manchem Unterthan. Sie hatte schlimme Räthe wider die Gäste gethan. 2012 Wie sie zu Tische giengen, das will ich euch sagen: Man sah reiche Könige die Krone vor ihr tragen; Manchen hohen Fürsten und viel der werthen Degen Sah man großer Demuth vor der Königin pflegen. 2013 Der König wies den Gästen die Sitze überall, Den Höchsten und den Besten neben sich im Saal. Den Christen und den Heiden die Kost er unterschied; Man gab die Fülle beiden, wie es der weise König rieth. 2014 In der Herberge aß ihr Ingesind: Von Truchsäßen ward es da allein bedient; Die hatten es zu speisen großen Fleiß gepflogen. Die Bewirtung und die Freude ward bald mit Jammer aufgewogen. 2015 Da nicht anders konnte erhoben sein der Streit, Kriemhilden lag im Herzen begraben altes Leid, Da ließ sie zu den Tischen tragen Etzels Sohn: Wie könnt ein Weib aus Rache wohl entsetzlicher thun? 2016 Da kamen vier gegangen aus Etzels Ingesind Und brachten Ortlieben, das junge Königskind, Den Fürsten an die Tafel, wo auch Hagen saß. Das Kind must ersterben durch seinen mordlichen Haß. 2017 Als der reiche König seinen Sohn ersah, Zu seiner Frauen Brüdern gütlich sprach er da: "Nun schaut, meine Freunde, das ist mein einzig Kind Und das eurer Schwester, von dem ihr Frommen einst gewinnt. 2018 "Geräth er nach dem Stamme, er wird ein starker Mann, Reich dazu und edel, kühn und wohlgethan. Erleb ich es, ich geb ihm zwölf reicher Könge Land: So thut euch wohl noch Dienste des jungen Ortliebens Hand. 2019 "Darum bät ich gerne euch, lieben Freunde mein, Wenn ihr heimwärts reitet wieder an den Rhein, Daß ihr dann mit euch nehmet eurer Schwester Kind; Und seid auch dem Knaben immer gnädig gesinnt. 2020 "Erzieht ihn nach Ehren, bis er geräth zum Mann: Hat euch in den Landen Jemand ein Leid gethan, So hilft er euch es rächen, erwuchs ihm erst der Leib." Die Rede hörte Kriemhild mit an, König Etzels Weib. 2021 "Ihm sollten wohl vertrauen alle diese Degen, Wenn er zum Mann erwüchse," sprach Hagen entgegen; "Doch ist der junge König so schwächlich anzusehn: Man soll mich selten schauen nach Hof zu Ortlieben gehn." 2022 Der König blickt’ auf Hagen; die Rede war ihm leid. Wenn er auch nichts erwiederte, der König allbereit, Es betrübt’ ihn in der Seele und beschwert’ ihm den Muth. Da waren Hagens Sinne zu keiner Kurzweile gut. 2023 Es schmerzte wie den König sein fürstlich Ingesind, Was Hagen da gesprochen hatte von dem Kind. Daß sie’s vertragen sollten, gieng ihnen allen nah; Noch konnten sie nicht wißen, was von dem Recken bald geschah. 2024 Gar Manche, die es hörten und ihm trugen Groll, Hätten ihn gern bestanden; der König selber wohl, Wenn er mit Ehren dürfte: so käm der Held in Noth. Bald that ihm Hagen Aergeres, er schlug ihn ihm vor Augen todt. Abenteuer 32
Wie Blödel mit Dankwart in der Herberge stritt
2025 Blödels Recken standen gerüstet allzumal. In tausend Halsbergen erreichten sie den Saal, Wo Dankwart mit den Knechten an den Tischen saß. Da hob sich unter Helden der allergrimmigste Haß. 2026 Als der Degen Blödel vor die Tische gieng, Dankwart der Marschall ihn freundlich empfieng: "Willkommen hier im Hause, mein Herr Blödelein: Mich wundert euer Kommen: sagt, was soll die Märe sein?" 2027 "Du brauchst mich nicht zu grüßen," sprach da Blödelein, "Denn dieses mein Kommen muß dein Ende sein Um Hagen deinen Bruder, der Siegfrieden schlug. Des entgiltst du bei den Heunen und andre Helden genug." 2028 "Nicht doch, mein Herr Blödel," sprach da Dankwart, "So möchte sehr uns reuen zu Hofe diese Fahrt. Ich war ein Kind, als Siegfried Leben ließ und Leib: Nicht weiß ich, was mir wolle dem König Etzel sein Weib." 2029 "Ich weiß dir von der Märe nicht mehr zu sagen; Es thatens deine Freunde, Gunther und Hagen. Nun wehrt euch, ihr Armen, ihr könnt nicht länger leben, Ihr müßt mit dem Tode hier ein Pfand Kriemhilden geben." 2030 "Wollt ihrs nicht laßen?" sprach da Dankwart, "So gereut mich meines Flehens: hätt ich das gespart!" Der schnelle kühne Degen von dem Tische sprang, Eine scharfe Waffe zog er, die war gewaltig und lang. 2031 Damit schlug er Blödeln einen schwinden Schwertesschlag, Daß ihm das Haupt im Helme vor den Füßen lag. "Das sei die Morgengabe," sprach der schnelle Degen, "Zu Nudungens Witwe, die du mit Minne solltest pflegen. 2032 "Vermähle man sie morgen einem andern Mann: Will er den Brautschatz, wird ihm wie dir gethan." Ein getreuer Heune hatt ihm das hinterbracht, Wie die Königstochter auf ihr Verderben gedacht. 2033 Da sahen Blödels Mannen, ihr Herr sei erschlagen; Das wollten sie den Gästen länger nicht vertragen. Mit aufgehobnen Schwertern auf die Knappen ein Drangen sie mit Ingrimm: das muste Manchen gereun. 2034 Laut rief da Dankwart all die Knappen an: "Ihr seht wohl, edle Knechte, es ist um uns gethan, Nun wehrt euch, ihr Armen, wie euch zwingt die Noth, Daß ihr ohen Schanden erliegt in wehrlichem Tod." 2035 Die nicht Schwerter hatten, die griffen vor die Bank, Vom Boden aufzuheben manchen Schemel lang. Die Burgundenknechte wollten nichts vertragen: Mit schweren Stühlen sah man starker Beulen viel geschlagen. 2036 Wie grimm die armen Knappen sich wehrten in dem Strauß! Sie trieben zu dem Hause die Gewaffneten hinaus: Fünfhundert oder drüber erlagen drin dem Tod. Da war das Ingesinde vom Blute naß und auch roth. 2037 Diese schwere Botschaft drang in kurzer Zeit Zu König Etzels Recken: ihnen wars grimmig leid, Daß mit seinen Mannen Blödel den Tod gewann; Das hatte Hagens Bruder mit den Knechten gethan. 2038 Eh es vernahm der König, stand schon ein Heunenheer In hohem Zorn gerüstet, zweitausend oder mehr. Sie giengen zu den Knechten, es muste nun so sein, Und ließen des Gesindes darin nicht Einen gedeihn. 2039 Die Ungetreuen brachten vors Haus ein mächtig Heer. Die landlosen Knechte standen wohl zu Wehr. Was half da Kraft und Kühnheit? sie fanden doch den Tod. Darnach in kurzer Weile hob sich noch grimmere Noth. 2040 Nun mögt ihr Wunder hören und Ungeheures sagen: Neuntausend Knechte lagen todt geschlagen, Darüber zwölf Ritter in Dankwartens Lehn. Man sah ihn weltalleine noch bei seinen Feinden stehn. 2041 Der Lärm war beschwichtigt, das Tosen eingestellt. Ueber die Achsel blickte Dankwart der Held: Er sprach: "O weh der Freunde, die ich fallen sah! Nun steh ich leider einsam unter meinen Feinden da." 2042 Die Schwerter fielen heftig auf des Einen Leib: Das muste bald beweinen manches Helden Weib. Den Schild rückt’ er höher, der Riemen ward gesenkt: Mit rothem Blute sah man noch manchen Harnisch getränkt. 2043 "O weh mir dieses Leides!" sprach Aldrianens Kind. "Nun weicht, Heunenrecken, und laßt mich an den Wind, Daß die Lüfte kühlen mich sturmmüden Mann." Da drang er auf die Thüre unter Schlägen herrlich an. 2044 Als der Streitmüde aus dem Hause sprang, Wie manches Schwert von Neuem auf seinem Helm erklang! Die nicht gesehen hatten die Wunder seiner Hand, Die sprangen da entgegen dem aus Burgundenland. 2045 "Nun wollte Gott," sprach Dankwart, "daß mir ein Bote käm, Durch den mein Bruder Hagen Kunde vernähm, Daß ich vor diesen Recken steh in solcher Noth. Der hülfe mir von hinnen oder fände selbst den Tod." 2046 Da sprachen Heunenrecken: "Der Bote must Du sein, Wenn wir todt dich tragen vor den Bruder dein. Dann sieht erst sein Herzeleid Gunthers Unterthan. Du hast dem König Etzel hier großen Schaden gethan." 2047 Er sprach: "Nun laßt das Dräuen und weicht zurück von mir, Sonst netz ich noch Manchem mit Blut den Harnisch hier. Ich will die Märe selber hin zu Hofe tragen Und will meinen Herren meinen großen Kummer klagen." 2048 Er verleidete so sehr sich dem Volk in Etzels Lehn, Daß sie ihn mit Schwertern nicht wagten zu bestehn: Da schoßen sie der Spere so viel ihm in den Rand, Er must ihn seiner Schwere wegen laßen aus der Hand. 2049 Sie wähnten ihn zu zwingen, weil er den Schild nicht trug; Hei, was er tiefer Wunden durch die Helme schlug! Da muste vor ihm Straucheln mancher kühne Mann, Daß sich viel Lob und Ehre der kühne Dankwart gewann. 2050 Von beiden Seiten sprangen die Gegner auf ihn zu. Wohl kam ihrer Mancher in den Kampf zu fruh. Da gieng er vor den Feinden, wie ein Eberschwein Im Walde thut vor Hunden: wie möcht er wohl kühner sein? 2051 Sein Weg war stäts aufs Neue genetzt mit heißem Blut. Wie konnte je ein Recke allein wohl so gut Mit so viel Feinden streiten, als hier von ihm geschehn? Man sah Hagens Bruder herrlich hin zu Hofe gehn. 2052 Truchsäßen und Schenken vernahmen Schwerterklang: Gar mancher die Getränke aus den Händen schwang Oder auch die Speisen, die man zu Hofe trug. Da fand er vor der Stiege noch starker Feinde genug. 2053 "Wie nun, ihr Truchsäßen?" sprach der müde Degen, "Nun solltet ihr die Gäste gütlich verpflegen Und solltet den Herren die edle Speise tragen Und ließet mich die Märe meinen lieben Herren sagen." 2054 Wer da den Muth gewonnen und vor die Stieg ihm sprang, Deren schlug er etlichen so schweren Schwertesschwang, Daß ihm aus Schreck die Andern ließen freie Bahn. Da hatten seine Kräfte viel große Wunder gethan. Abenteuer 33
Wie Dankwart die Märe seinen Herren brachte
2055 Als der kühne Dankwart unter die Thüre trat Und Etzels Ingesinde zurückzuweichen bat, Mit Blut war beronnen all sein Gewand; Eine scharfe Waffe trug er bloß an seiner Hand. 2056 Gerade in der Stunde, als Dankwart trat zur Thür, Trug man Ortlieben im Saale für und für Von einem Tisch zum andern den Fürsten wohlgeboren: Durch seine schlimme Botschaft gieng das Kindlein verloren. 2057 Hellauf rief da Dankwart einem Degen zu: "Ihr sitzt, Bruder Hagen, hier zu lang in Ruh. Euch und Gott vom Himmel klag ich unsre Noth: Ritter und Knechte sind in der Herberge todt." 2058 Der rief ihn hin entgegen: "Wer hat das gethan?" "Das that der Degen Blödel und Die ihm unterthan. Auch hat ers schwer entgolten, das will ich euch sagen: Mit diesen Händen hab ich ihm sein Haupt abgeschlagen." 2059 "Das ist ein kleiner Schade," sprach Hagen unverzagt, "Wenn man solche Märe von einem Degen sagt, Daß er von Heldenhänden zu Tode sei geschlagen: Den sollen desto minder die schönen Frauen beklagen. 2060 "Nun sagt mir, lieber Bruder, wie seid ihr so roth? Ich glaube gar, ihr leidet von Wunden große Noth. Ist der wo hier im Lande, von dem das ist geschehn? Der üble Teufel helf ihm denn: sonst muß es ihm ans Leben gehn." 2061 "Ihr seht mich unverwundet: mein Kleid ist naß von Blut. Das floß nur aus Wunden andrer Degen gut, Deren ich so Manchen heute hab erschlagen, Wenn ichs beschwören sollte, ich wüste nicht die Zahl zu sagen." 2062 Da sprach er: "Bruder Dankwart, so hütet uns die Thür Und laßt von den Heunen nicht Einen Mann herfür. So red ich mit den Recken, wie uns zwingt die Noth: Unser Ingesinde liegt ohne Schuld von ihnen todt." 2063 "Soll ich Kämmrer werden?" sprach der kühne Mann, "Bei so reichen Königen steht mir das Amt wohl an: Der Stiege will ich hüten nach allen Ehren mein." Kriemhildens Recken konnte das nicht leider sein. 2064 "Nun nimmt mich doch Wunder," sprach wieder Hagen, "Was sich die Heunen hier in die Ohren sagen: Sie möchten sein entbehren, der dort die Thür bewacht Und der die Hofmären den Burgunden hat gebracht. 2065 "Ich hörte schon lange von Kriemhilden sagen, Daß sie nicht ungerochen ihr Herzleid wolle tragen. Nun trinken wir die Minne und zahlen Etzels Wein: Der junge Vogt der Heunen muß hier der allererste sein." 2066 Ortlieb das Kind erschlug da Hagen der Degen gut, Daß vom Schwerte nieder zur Hand ihm floß das Blut Und das Haupt herabsprang der Köngin in den Schoß. Da hob sich unter Degen ein Morden grimmig und groß. 2067 Darauf dem Hofmeister der des Kindes pflag, Mit beiden Händen schlug er einen schnellen Schlag, Daß vor des Tisches Füße das Haupt ihm niederflog: Es war ein jämmerlicher Lohn, den er dem Hofmeister wog. 2068 Er sah vor Etzels Tische einen Spielmann: Hagen in seinem Zorne lief zu ihm heran. Er schlug ihm auf der Geigen herab die rechte Hand. "Das habe für die Botschaft in der Burgunden Land." 2069 "Ach meine Hand," sprach Werbel, Etzels Spielmann: "Herr Hagen von Tronje, was hatt ich euch gethan? Ich kam in großer Treue in eurer Herren Land: Wie kläng ich nun die Töne, da ich verlor meine Hand?" 2070 Hagen fragte wenig, und geigt’ er nimmermehr. Da kühlt’ er in dem Hause die grimme Mordlust sehr An König Etzels Recken, deren er viel erschlug: Er bracht in dem Saale zu Tod der Recken genug. 2071 Volker sein Geselle von dem Tische sprang, Daß laut der Fiedelbogen ihm an der Hand erklang. Ungefüge siedelte Gunthers Fiedelmann: Hei! was er sich zu Feinden der kühnen Heunen gewann! 2072 Auch sprangen von den Tischen die drei Könge hehr. Sie wolltens gerne schlichten, eh Schadens würde mehr. Doch strebten ihre Kräfte umsonst dawider an, Da Volker mit Hagen so sehr zu wüten begann. 2073 Nun sah der Vogt vom Rheine, er scheide nicht den Streit: Da schlug der König selber manche Wunde weit Durch die lichten Panzer den argen Feinden sein. Der Held war behende, das zeigte hier der Augenschein. 2074 Da kam auch zu dem Streite der starke Gernot: Wohl schlug er den Heunen manchen Helden todt Mit dem scharfen Schwerte, das Rüdeger ihm gab: Damit bracht er Manche von Etzels Recken ins Grab. 2075 Der jüngste Sohn Frau Utens auch zu dem Streite sprang: Sein Gewaffen herrlich durch die Helme drang König Etzels Recken aus der Heunen Land; Da that viel große Wunder des kühnen Geiselher Hand. 2076 Wie tapfer alle waren, die Könge wie ihr Lehn, Jedennoch sah man Volkern voran all Andern stehn Bei den starken Feinden; er war ein Degen gut: Er förderte mit Wunden Manchen nieder in das Blut. 2077 Auch wehrten sich gewaltig Die in Etzels Lehn. Die Gäste sah man hauend auf und nieder gehn Mit den lichten Schwertern durch des Königs Saal. Allenthalben hörte man von Wehruf größlichen Schall. 2078 Da wollten die da draußen zu ihren Freunden drin: Sie fanden an der Thüre gar wenig Gewinn; Da wollten die da drinnen gerne vor den Saaname = "note" Dankwart ließ keinen die Stieg empor noch zu Thal. 2079 So hob sich vor den Thüren ein ungestümer Drang Und von den Schwerthieben auf Helme lauter Klang. Da kam der kühne Dankwart in eine große Noth: Das berieth sein Bruder, wie ihm die Treue gebot. 2080 Da rief mit lauter Stimme Hagen Volkern an: "Seht ihr dort, Geselle, vor manchem Heunenmann Meinen Bruder stehen unter starken Schlägen? Schützt mir, Freund, den Bruder, eh wir verlieren den Degen." 2081 Der Spielmann entgegnete: "Das soll alsbald geschehn." Dann begann er fiedelnd durch den Saal zu gehn: Ein hartes Schwert ihm öfters an der Hand erklang. Vom Rhein die Recken sagten dafür ihm größlichen Dank. 2082 Volker der kühne zu Dankwarten sprach: "Ihr habt erlitten heute großes Ungemach. Mich bat euer Bruder, ich sollt euch helfen gehn; Wollt ihr nun draußen bleiben, so will ich innerhalben stehn." 2083 Dankwart der schnelle stand außerhalb der Thür: So wehrt’ er von der Stiege, wer immer trat dafür. Man hörte Waffen hallen den Helden an der Hand; So that auch innerhalben Volker von Burgundenland. 2084 Da rief der kühne Fiedelmann über die Menge laut: "Das Haus ist wohl verschlossen, ihr, Freund Hagen, schaut Verschränkt ist so völlig König Etzels Thür, Von zweier Helden Händen gehn ihr wohl tausend Riegel für." 2085 Als von Tronje Hagen die Thüre sah in Hut, Den Schild warf zurücke der schnelle Degen gut: Nun begann er erst zu rächen seiner Freunde Leid. Seines Zornes must entgelten mancher Ritter kühn im Streit. 2086 Als der Vogt von Berne das Wunder recht ersah, Wie der starke Hagen die Helme brach allda, Der Fürst der Amelungen sprang auf eine Bank. Er sprach: "Hier schenkt Hagen den allebittersten Trank." 2087 Der Wirth war sehr in Sorgen, sein Weib in gleicher Noth. Was schlug man lieber Freunde ihm vor den Augen todt! Er selbst war kaum geborgen vor seiner Feinde Schar. Er saß in großen Aengsten: was half ihm, daß er König war? 2088 Kriemhild die reiche rief Dietrichen an: "Hilf mir mit dem Leben, edler Held, hindann, Bei aller Fürsten Tugend aus Amelungenland: Denn erreicht mich Hagen, hab ich den Tod an der Hand." 2089 "Wie soll ich euch helfen," sprach da Dietrich, "Edle Königstochter? ich sorge selbst um mich. Es sind so sehr im Zorne Die Gunthern unterthan, Daß ich zu dieser Stunde Niemand Frieden schaffen kann." 2090 "Nicht also, Herr Dietrich, edler Degen gut: Laß uns heut erscheinen deinen tugendreichen Muth Und hilf mir von hinnen, oder ich bleibe todt. Bring mich und den König aus dieser angstvollen Noth." 2091 "Ich will es versuchen, ob euch zu helfen ist, Jedoch sah ich wahrlich nicht in langer Frist In so bitterm Zorne manchen Ritter gut: Ich seh ja durch die Helme von Hieben springen das Blut." 2092 Mit Kraft begann zu rufen der Ritter auserkorn, Daß seine Stimme hallte wie ein Büffelhorn Und daß die weite Veste von seiner Kraft erscholl. Dietrichens Stärke die war gewaltig und voll. 2093 Da hörte König Gunther rufen diesen Mann In dem harten Sturme. Zu horchen hub er an: "Dietrichens Stimme ist in mein Ohr gekommen, Ihm haben unsre Degen wohl der Seinen wen benommen. 2094 "Ich seh ihn auf dem Tische winken mit der Hand. Ihr Vettern und Freunde von Burgundenland, Haltet ein mit Streiten: laßt hören erst und sehn, Was hier Dietrichen von meinen Mannen sei geschehn." 2095 Als so der König Gunther bat und auch gebot, Da senkten sie die Schwerter in des Streites Noth. Das war Gewalt bewiesen, daß Niemand da mehr schlug. Er fragte den von Berne um die Märe schnell genug. 2096 Er sprach: "Viel edler Dietrich, was ist euch geschehn Hier von meinen Freunden? Ihr sollt mich willig sehn: Zur Sühne und zur Buße bin ich euch bereit. Was euch Jemand thäte, das war mir inniglich leid." 2097 Da sprach der edle Dietrich: "Mir ist nichts geschehn! Laßt mich aus dem Hause mit euerm Frieden gehn Von diesem harten Streite mit dem Gesinde mein. Dafür will ich euch Degen stäts zu Dienst beflißen sein." 2098 "Was müßt ihr also flehen?" sprach da Wolfhart, "Es hält der Fiedelspieler die Thür nicht so verwahrt, Wir erschließen sie so mächtig, daß man ins Freie kann." "Nun schweig," sprach da Dietrich, "du hast den Teufel gethan." 2099 Da sprach der König Gunther: "Das sei euch freigestellt: Führt aus dem Hause, so viel euch gefällt, Ohne meine Feinde: die sollen hier bestehn. Von ihnen ist mir Leides bei den Heunen viel geschehn." 2100 Als das der Berner hörte, mit einem Arm umschloß Er die edle Königin; ihre Angst war groß; Da führt er an dem andern Etzeln aus dem Haus. Auch folgten Dietrichen sechshundert Degen hinaus. 2101 Da begann der Markgraf, der edle Rüdiger: "Soll aber aus dem Hause noch kommen Jemand mehr, Der euch doch gerne diente, so macht es mir kund: So walte stäter Friede in getreuer Freunde Bund." 2102 Antwort seinem Schwäher gab Geiselher zuhand: "Frieden und Sühne sei euch von uns bekannt; Ihr haltet stäte Treu, ihr und euer Lehn, Ihr sollt mit euren Freunden ohne Sorgen hinnen gehn." 2103 Als Rüdiger der Markgraf räumte Etzels Saal, Fünfhundert oder drüber folgten ihm zumal. Das ward von den Helden aus Treue gethan, Wodurch König Gunther bald großen Schaden gewann. 2104 Da sah ein Heunenrecken König Etzeln gehn Neben Dietrichen: des wollt er Frommen sehn. Dem gab der Fiedelspieler einen solchen Schlag, Daß ihm gleich am Boden das Haupt vor Etzels Füßen lag. 2105 Als der Wirth des Landes kam vor des Hauses Thor, Da wandt er sich und blickte zu Volkern empor: "O weh mir dieser Gäste: wie ist das grimme Noth, Daß alle meine Recken vor ihnen finden den Tod!" 2106 "Ach weh des Hofgelages!" sprach der König hehr: "Da drinnen ficht Einer, der heißt Volker, Wie ein wilder Eber und ist ein Fiedelmann; Ich dank es meinem Heile, daß ich dem Teufel entrann. 2107 "Seine Weisen lauten übel, sein Bogenstrich ist roth; Mir schlagen seine Töne manchen Helden todt. Ich weiß nicht, was uns Schuld giebt derselbe Fiedelmann, Daß ich in meinem Leben so leiden Gast nicht gewann." 2108 Zur Herberge giengen die beiden Recken hehr, Dietrich von Berne und Markgraf Rüdiger. Sie selber wollten gerne des Streits entledigt sein Und geboten auch den Degen, daß sie den Kampf sollten scheun. 2109 Und hätten sich die Gäste versehn der Leiden, Die ihnen werden sollten noch von den Beiden, Sie wären aus dem Hause so leicht nicht gekommen, Eh sie eine Strafe von den Kühnen hätten genommen. 2110 Sie hatten, die sie wollten, entlaßen aus dem Saaname = "note" Da hob sich innerhalben ein furchtbarer Schall. Die Gäste rächten bitter ihr Leid und ihre Schmach. Volker der kühne, hei, was der Helme zerbrach! 2111 Sich kehrte zu dem Schalle Gunther der König hehr: "Hört ihr die Töne, Hagen, die dorten Volker Mit den Heunen fiedelt, wenn wer zur Thüre trat? Es ist ein rother Anstrich, den er am Fiedelbogen hat." 2112 "Es reut mich ohne Maßen," sprach Hagen entgegen, "Daß ich je mich scheiden mußte von dem Degen. Ich war sein Geselle, er der Geselle mein, Und kehren wir je wieder heim, wir wollens noch in Treuen sein. 2113 "Nun schau, hehrer König, Volker ist dir hold: Wie will er verdienen dein Silber und dein Gold! Sein Fiedelbogen schneidet durch den harten Stahl, Er wirft von den Helmen die hellen Zierden zu Thal. 2114 "Ich sah nie Fiedelspieler noch so herrlich stehn, Als diesen Tag von Volker dem Degen ist geschehn. Seine Weisen hallen durch Helm und Schildesrand: Gute Rosse soll er reiten und tragen herrlich Gewand." 2115 So viel der Heunendegen auch waren in dem Saal, Nicht Einer blieb am Leben von ihnen allzumal. Da war der Schall beschwichtigt, als Niemand blieb zum Streit. Die kühnen Recken legten da ihre Schwerter beiseit. Abenteuer 34
Wie sie die Todten aus dem Saale warfen
2116 Da setzten sich aus Müdigkeit die Herrn und ruhten aus. Volker und Hagen die giengen vor das Haus Ueber den Schild sich lehnend in ihrem Uebermuth: Da pflagen launger Reden diese beiden Helden gut. 2117 Da sprach von Burgunden Geiselher der Degen: "Noch dürft ihr, lieben Freunde, nicht der Ruhe pflegen: Ihr sollt erst die Todten aus dem Hause tragen. Wir werden noch bestanden, das will ich wahrlich euch sagen. 2118 "Sie sollen untern Füßen uns hier nicht länger liegen, Bevor im Sturm die Heunen mögen uns besiegen, Wir haun noch manche Wunde, die gar sanft mir thut. Des hab ich," sprach da Geiselher, "einen willigen Muth." 2119 "O wohl mir solches Herren," sprach Hagen entgegen. "Der Rath geziemte Niemand als einem solchen Degen, Wie unsern jungen Herren wir heute hier gesehn: Ihr Burgunden möget all darob in Freuden stehn. 2120 Da folgten sie dem Rathe und trugen vor die Thür Siebentausend Todte, die warfen sie dafür. Vor des Saales Stiege fielen sie zu Thaname = "note" Da erhoben ihre Freunde mit Jammern kläglichen Schall. 2121 Auch war darunter Mancher nur so mäßig wund, Käm ihm sanftre Pflege, er würde noch gesund; Doch von dem hohen Falle fand er nun den Tod. Das klagten ihre Freunde; es zwang sie wahrhafte Noth. 2122 Da sprach der Fiedelspieler, der Degen unverzagt: "Nun seh ich wohl, sie haben mir Wahrheit gesagt: Die Heunen sind feige, sie klagen wie ein Weib, Da sie nun pflegen sollten der Schwerverwundeten Leib." 2123 Da mocht ein Markgraf wähnen, er meint es ernst und gut: Ihm war der Vettern Einer gefallen in das Blut; Den dacht’ er wegzutragen und wollt ihn schon umfahn: Da schoß ob ihm zu Tode den der kühne Spielmann. 2124 Als das die Andern sahen, sie flohen von dem Saal. Dem Spielmann zu fluchen begannen sie zumal. Einen Sper hob Volker vom Boden, scharf und hart, Der von einem Heunen zu ihm hinauf geschoßen ward. 2125 Den schoß er durch den Burghof zurück kräftiglich Ueber ihre Häupter. Das Volk Etzels wich Erschreckt von dem Wurfe weiter von dem Haus. Vor seinen Kräften hatten alle Leute Schreck und Graus, 2126 Da stand vor dem Hause Etzel mit manchem Mann. Volker und Hagen huben zu reden an Mit dem Heunenkönig nach ihrem Uebermuth. Das schuf bald große Sorge diesen Helden kühn und gut. 2127 "Wohl wär es," sprach da Hagen, "des Volkes Trost im Leid, Wenn die Herren föchten allen voran im Streit, Wie von meinen Herren hier Jeglicher thut: Die hauen durch die Helme, daß von den Schwertern fließt das Blut." 2128 So kühn war König Etzel, er faßte seinen Schild. "Nun hütet eures Lebens," sprach da Kriemhild, "Und bietet Gold den Recken auf dem Schildesrand, Denn erreicht euch Hagen, ihr habt den Tod an der Hand." 2129 So kühn war der König, er ließ nicht vom Streit, Wozu so mächtge Fürsten nun selten sind bereit. Man must ihn bei den Riemen des Schildes ziehn hindann. Hagen der grimme ihn mehr zu höhnen begann: 2130 "Eine nahe Sippe war es," sprach Hagen gleich zur Hand, "Die Etzeln zusammen und Siegfried verband: Er minnte Kriemhilden, eh sie gesehen dich: Feiger König Etzel, warum räthst du wider mich?" 2131 Diese Rede hörte die edle Königin, Darüber ward unmuthig Kriemhild in ihrem Sinn, Daß er sie schelten durfte vor manchem Etzelsmann. Wider die Gäste hub sie aufs Neu zu werben an. 2132 Sie sprach: "Wer von Tronje den Hagen mir schlüge Und sein Haupt als Gabe her vor mich trüge, Mit rothem Golde füllt’ ich ihm Etzels Schildesrand; Auch gäb ich ihm zum Lohne viel gute Burgen und Land." 2133 "Ich weiß nicht, was sie zaudern," sprach der Fiedelmann. "Nie sah ich, daß Helden so verzagt gethan, Wo man bieten hörte also reichen Sold. Wohl sollt ihnen Etzel nimmer wieder werden hold. 2134 "Die hier mit Schimpf und Schanden eßen des Königs Brot Und jetzt im Stich ihn laßen in der größten Noth, Deren seh ich Manchen so recht verzagt da stehn Und thun doch so verwegen: sie können nie der Schmach entgehn." 2135 Der mächtige Etzel hatte Jammer und Noth: Er beklagte seiner Mannen und Freunde bittern Tod. Von manchen Landen standen ihm Recken viel zur Seit Und weinten mit dem König sein gewaltiges Leid. 2136 Darob begann zu spotten der kühne Volker: "Ich seh hier übel weinen gar manchen Recken hehr. Sie helfen schlecht dem König in seiner großen Noth. Wohl eßen sie mit Schanden nun schon lange hier sein Brot." 2137 Da gedachten wohl die Besten: "Wahr ists, was Volker sagt." Von Niemand doch von allen ward es so schwer beklagt Als von Markgraf Iring, dem Herrn aus Dänenland, Was sich nach kurzer Weite wohl nach der Wahrheit befand. Abenteuer 35
Wie Iring erschlagen ward
2138 Da rief der Markgraf Iring aus der Dänen Land: "Ich habe nun auf Ehre die Sinne lang gewandt; Auch ist von mir das Beste in Stürmen oft geschehn: Nun bringt mir mein Gewaffen: so will ich Hagen bestehn." 2139 "Das möcht ich widerrathen," hub da Hagen an, "Sonst finden mehr zu klagen Die Etzeln unterthan. Springen eurer zweie oder drei in den Saal, Die send ich wohlverhauen die Stiege wieder zu Thal." 2140 "Ich wills darum nicht laßen," sprach wieder Iring: "Wohl schon oft versucht ich ein gleich gefährlich Ding. Wohl will ich mit dem Schwerte allein dich bestehn, Und wär von dir im Streite mehr als von Jemand geschehn." 2141 Da ward gewaffnet Iring nach ritterlichem Brauch Und Irnfried der kühne von Thüringen auch Und Hawart der starke wohl mit tausend Mann: Sie wollten Iring helfen, was der Held auch begann. 2142 Da sah der Fiedelspieler ein gewaltig Heer, Das mit Iringen gewaffnet zog einher. Sie trugen aufgebunden die lichten Helme gut. Da ward dem kühnen Volker darüber zornig zu Muth. 2143 "Seht ihr, Freund Hagen, dort Iringen gehn, Der euch im Kampf alleine gelobte zu bestehn? Wie ziemt Helden Lüge? Führwahr, ich tadl es sehr. Es gehn mit ihm gewaffnet tausend Recken oder mehr." 2144 "Nun straft mich nicht Lügen," sprach Hawarts Unterthan, "Ich will gerne leisten, was ich euch kund gethan. Mein Wort soll um Feigheit nicht gebrochen sein: Sei Hagen noch so gräulich, ich besteh ihn ganz allein." 2145 Zu Füßen warf sich Iring den Freunden und dem Lehn, Daß sie allein ihn ließen den Recken bestehn. Das thaten sie doch ungern, ihnen war zu wohl bekannt Der übermütige Hagen aus der Burgunden Land. 2146 Doch bat er sie so lange, bis es zuletzt geschah. Als das Ingesinde seinen Willen sah, Und daß er warb nach Ehre, da ließen sie ihn gehn. Da ward von den Beiden ein grimmes Streiten gesehn. 2147 Iring der Däne hielt hoch empor den Sper, Sich deckte mit dem Schilde der theure Degen hehr: So lief er auf im Sturme zu Hagen vor den Saal. Da erhob sich von den Degen ein gewaltiger Schall. 2148 Die Spere schößen beide kräftig aus der Hand Durch die festen Schilde auf ihr licht Gewand, Daß die Spersplitter hoch in die Lüfte flogen. Da griffen zu den Schwertern die grimmen Degen verwegen. 2149 Die Kraft des kühnen Hagen war ohne Maßen voll; Doch schlug nach ihm Iring, daß all die Burg erscholl. Der Saal und die Thürme erhallten von den Schlägen. Es konnte seinen Willen doch nicht vollführen der Degen. 2150 Iring ließ Hagen unverwundet stehn: Auf den Fiedelspieler begann er loszugehn. Er wähnt’, er sollt ihn zwingen mit seinen grimmen Schlägen, Doch wuste sich zu schirmen dieser zierliche Degen. 2151 Da schlug der Fiedelspieler, daß von des Schildes Rand Das Gespänge wirbelte von Volkers starker Hand. Den ließ er wieder stehen; es war ein übler Mann: Jetzt lief er auf Gunther, den Burgundenkönig, an. 2152 Da war nun Jedweder zum Streite stark genug. Wie Gunther auf Iring und der auf Gunther schlug, Das brachte nicht aus Wunden das fließende Blut. Ihre Rüstung wehrt’ es, die war zu fest und zu gut. 2153 Gunthern ließ er stehen und lief Gernoten an. Das Feuer aus den Ringen er ihm zu haun begann. Da hätte von Burgunden der starke Gernot Iring den kühnen beinah gesandt in den Tod. 2154 Da sprang er von dem Fürsten; schnell war er genug. Der Burgunden viere der Held behend erschlug, Des edeln’ Heergesindes aus Worms an dem Rhein. Darüber mochte Geiselher nicht wohl zorniger sein. 2155 "Gott weiß, Herr Iring," sprach Geiselher das Kind, "Ihr müßt mir entgelten, die hier erlegen sind Vor euch in dieser Stunde." Da lief er ihn an Und schlug den Danenhelden, daß er zu straucheln begann. 2156 Er schoß vor seinen Händen nieder in das Blut, Daß sie alle wähnten, dieser Degen gut Schlug im Streit nicht wieder einen Schlag mit seinem Schwert. Doch lag vor Geiselheren Iring da noch unversehrt. 2157 Von des Helmes Schwirren und von des Schwertes Klang Waren seine Sinne so betäubt und krank, Daß sich der kühne Degen des Lebens nicht besann. Das hatt ihm mit den Kräften der kühne Geiselher gethan. 2158 Als ihm aus dem Haupte das Schwirren jetzt entwich, Von dem mächtgen Schlage war das erst fürchterlich, Da gedacht er: "Ich lebe und bin auch nirgend wund: Nun ist mir erst die Stärke des kühnen Geiselher kund!" 2159 Zu beiden Seiten hört’ er seine Feinde stehn. Sie hättens wißen sollen, so wär ihm mehr geschehn. Auch hatt er Geiselheren vernommen nahe bei: Er sann, wie mit dem Leben den Feinden zu entkommen sei. 2160 Wie tobend der Degen aus dem Blute sprang! Er mochte seiner Schnelle wohl sagen großen Dank. Da lief er aus dem Hause, wo er Hagen fand, Und schlug ihm schnelle Schläge mit seiner kraftreichen Hand. 2161 Da gedachte Hagen: "Du must des Todes sein. Befriede dich der Teufel, sonst kannst du nicht gedeihn." Doch traf Iring Hagnen durch seines Helmes Hut. Das that der Held mit Maske; das war eine Waffe gut. 2162 Als der grimme Hagen die Wund an sich empfand, Da schwenkte sich gewaltig das Schwert in seiner Hand. Es muste vor ihm weichen Hawarts Unterthan: Hagen ihm die Stiege hinab zu folgen begann. 2163 Uebers Haupt den Schildrand Iring der kühne schwang. Und war dieselbe Stiege drei solcher Stiegen lang, Derweil ließ ihn Hagen nicht schlagen einen Schlag. Hei, was rother Funken da auf seinem Helme lag! 2164 Doch kam zu den Freunden Iring noch gesund. Da wurde diese Märe Kriemhilden kund, Was er dem von Tronje hatt im Streit gethan; Dafür die Königstochter ihm sehr zu danken begann. 2165 "Nun lohne Gott dir, Iring, erlauchter Degen gut, Du hast mir wohl getröstet das Herz und auch den Muth: Nun seh ich blutgeröthet Hagens Wehrgewand!" Kriemhild nahm ihm selber den Schild vor Freud aus der Hand. 2166 "Ihr mögt ihm mäßig danken," begann da Hagen, "Bis jetzt ist viel Großes nicht davon zu sagen; Versucht’ er es zum andern Mal, er wär ein kühner Mann. Die Wunde frommt euch wenig, die ich noch von ihm gewann. 2167 "Daß ihr von meiner Wunde mir seht den Harnisch roth, Das hat mich noch erbittert zu manches Mannes Tod. Nun bin ich erst im Zorne auf ihn und manchen Mann; Mir hat der Degen Iring noch kleinen Schaden gethan." 2168 Da stand dem Wind entgegen Iring von Dänenland; Er kühlte sich im Harnisch, den Helm er niederband. Da priesen ihn die Leute für streitbar und gut: Darüber trug der Markgraf nicht wenig hoch seinen Muth. 2169 Da sprach Iring wieder: "Nun, Freunde, sollt ihr gehn Und neue Waffen holen: ich will noch einmal sehn, Ob ich bezwingen möge den übermüthgen Mann." Sein Schild war verhauen, einen beßern er gewann. 2170 Gewaffnet war der Recke bald in noch festre Wehr. Er griff in seinem Zorne nach einem starken Sper, Damit wollt er Hagen zum drittenmal bestehn. Es brächt ihm Ehr und Frommen, ließ’ er das sich vergehn. 2171 Da wollte sein nicht harren Hagen der Degen. Mit Schüßen und mit Hieben lief er ihm entgegen Die Stiege bis zu Ende; zornig war sein Muth. Da kam dem Degen Iring seine Stärke nicht zu gut. 2172 Sie schlugen durch die Schilde, daß es zu lohn begann Mit feuerrothem Winde. Hawarts Unterthan Ward von Hagens Schwerte da gefährlich wund Durch Helm und durch Schildrand; er ward nicht wieder gesund. 2173 Als Iring der Degen der Wunde sich besann, Den Schild rückte näher dem Helm der kühne Mann. Ihn dauchte voll der Schaden, der ihm war geschehn; Bald that ihm aber größern der in König Gunthers Lehn. 2174 Hagen vor seinen Füßen einen Wurfspieß liegen fand: Auf Iringen schoß er den von Dänenland, Daß man ihm aus dem Haupte die Stange ragen sah. Ein grimmes Ende ward ihm von dem Uebermüthgen da. 2175 Iring must entweichen zu seinen Dänen hin. Eh man den Helm dem Degen mochte niederziehn, Brach man den Sper vom Haupte, da naht’ ihm der Tod. Das beweinten seine Freunde: es zwang sie wahrhafte Noth. 2176 Da kam die Königstochter auch zu ihm heran: Iring den starken hub sie zu klagen an. Sie beweinte seine Wunden: es war ihr grimmig leid. Da sprach vor seinen Freunden dieser Recke kühn im Streit: 2177 "Laßt eure Klage bleiben, viel hehre Königin. Was hilft euer Weinen? Mein Leben muß dahin Schwinden aus den Wunden, die an mir offen stehn. Der Tod will mich nicht länger euch und Etzeln dienen sehn." 2178 Zu Thüringern und Dänen sprach er hingewandt: "Die Gaben, so die Königin euch beut, soll eure Hand Nicht zu erwerben trachten, ihr lichtes Gold so roth Und besteht ihr Hagen, so müßt ihr schauen den Tod." 2179 Seine Farbe war erblichen, des Todes Zeichen trug Iring der kühne; ihnen war es leid genug. Es konnte nicht gesunden der Held in Hawarts Lehn: Da must es an ein Streiten von den Dänenhelden gehn. 2180 Irnfried und Hawart sprangen vor das Haus Wohl mit tausend Helden: einen ungestümen Braus Vernahm man allenthalben, kräftig und groß. Hei! was man scharfer Spere auf die Burgunden schoß! 2181 Irnfried der kühne lief den Spielmann an, Wodurch er großen Schaden von seiner Hand gewann. Der edle Fiedelspieler den Landgrafen schlug Durch den Helm den festen: wohl war er grimmig genug. 2182 Da schlug dem grimmen Spielmann Irnfried einen Schlag, Daß er den Ringpanzer dem Helden zerbrach Und sich sein Harnisch färbte von Funken feuerroth. Dennoch fiel der Landgraf vor dem Spielmann in den Tod. 2183 Zusammen waren Hagen und Hawart gekommen. Da mochte Wunder schauen, wer es wahrgenommen. Die Schwerter fielen kräftig den Helden an der Hand: Da muste Hawart sterben vor dem aus Burgundenland. 2184 Die Thüringer und Dänen sahn ihre Herren todt. Da hub sich vor dem Hause noch grimmere Noth, Eh sie die Thür gewannen mit kraftreicher Hand. Da ward noch verhauen mancher Helm und Schildesrand. 2185 "Weichet," sprach da Volker, "laßt sie zum Saal herein: Was sie im Sinne haben, kann dennoch nicht sein. Sie müßen bald ersterben allzumal darin: Sie ernten mit dem Tode, was ihnen beut die Königin," 2186 Als die Uebermüthigen drangen in den Saal, Das Haupt ward da Manchem so geneigt zu Thal, Daß er ersterben muste vor ihren schnellen Schlägen. Wohl stritt der kühne Gernot; so that auch Geiselher der Degen. 2187 Tausend und viere die kamen in das Haus: Da hörte man erklingen den hellen Schwertersaus. Sie wurden von den Gästen alle drin erschlagen: Man mochte große Wunder von den Burgunden sagen. 2188 Darnach ward eine Stille, als der Lärm verscholl. Das Blut allenthalben durch die Lücken quoll Und zu den Riegelsteinen von den todten Degen: Das hatten die vom Rheine gethan mit kräftigen Schlägen. 2189 Da saßen wieder rufend die aus Burgundenland, Sie legten mit den Schilden die Waffen aus der Hand. Da stand noch vor dem Hause der kühne Spielmann, Erwartend, ob noch Jemand zum Streite zöge heran. 2190 Der König klagte heftig, dazu die Königin; Mägdelein und Frauen härmten sich den Sinn. Der Tod, wähn ich, hatte sich wider sie verschworen: Drum giengen durch die Gäste noch viele der Recken verloren. Abenteuer 36
Wie die Königin den Saal verbrennen ließ
2191 "Nun bindet ab die Helme," sprach Hagen der Degen: "Ich und mein Geselle wollen euer pflegen. Und versuchten es noch einmal Die Etzeln unterthan, So warn ich meine Herren, so geschwind ich immer kann." 2192 Da band den Helm vom Haupte mancher Ritter gut. Sie setzten auf die Leichen sich nieder, die ins Blut Waren zum Tode von ihrer Hand gekommen. Da ward der edeln Gäste mit Erbittrung wahrgenommen. 2193 Noch vor dem Abend schuf der König hehr Und Kriemhild die Königin, daß es der Heunen mehr Noch versuchen musten; man sah vor ihnen stehn Wohl an zwanzigtausend: die musten da zum Kampfe gehn. 2194 Da drang zu den Gästen ein harter Sturm heran. Dankwart, Hagens Bruder, der kraftvolle Mann, Sprang von seinen Herren zu den Feinden vor das Thor. Sie versahn sich seines Todes; doch sah man heil ihn davor. 2195 Das harte Streiten währte, bis es die Nacht benahm. Da wehrten sich die Gäste wie Helden lobesam Wider Etzels Recken den sommerlangen Tag. Hei! was guter Helden im Tod vor ihnen erlag! 2196 Zu einer Sonnenwende der große Mord geschah: Ihres Herzens Jammer rächte Kriemhild da An ihren nächsten Freunden und manchem andern Mann, Wodurch der König Etzel nie wieder Freude gewann. 2197 Sie hatte nicht gesonnen auf solche Mörderschlacht. Als sie den Streit begonnen, hatte sie gedacht, Hagen sollt alleine dabei sein Ende sehn. Da schuf der böse Teufel, über Alle must es ergehn. 2198 Der Tag war zerronnen; ihnen schuf nun Sorge Noth. Sie gedachten, wie doch beßer war ein kurzer Tod, Als sich so lang zu quälen in ungefügem Leid. Da wünschten einen Frieden die großen Ritter allbereit. 2199 Sie baten, daß man brächte den König vor den Saal. Die blutrothen Helden, geschwärzt vom rostgen Stahl, Traten aus dem Hause und die drei Könge hehr. Sie wusten nicht, wem klagen ihres großen Leids Beschwer. 2200 Etzel und Kriemhild kamen beide her; Das Land war ihnen eigen, drum mehrte sich ihr Heer. Er sprach zu den Gästen: "Sagt, was begehrt ihr mein? Wollt ihr Frieden haben? das könnte nun schwerlich sein 2201 "Nach so großem Schaden, als ihr mir habt gethan. Es kommt euch nicht zu Statten, so lang ich athmen kann: Mein Kind, das ihr erschluget, und viel der Freunde mein, Fried und Sühne soll euch stäts dafür geweigert sein." 2202 Antwort gab ihm Gunther: "Uns zwang wohl große Noth. All mein Gesinde lag vor deinen Helden todt In der Herberge: verdient ich solchen Sold? Ich kam zu dir auf Treue und wähnte, du warst mir hold." 2203 Da sprach von Burgunden Geiselher das Kind: "Ihr Helden König Etzels, die noch am Leben sind, Wes zeiht ihr mich, ihr Degen? was hatt ich euch gethan, Der ich die Fahrt so gütlich zu diesem Lande begann?" 2204 Sie sprachen: "Deiner Güte ist all die Burg hier voll Mit Jammer gleich dem Lande; wir gönnten dir es wohl, Wärst du nie gekommen von Worms überrhein. Das Land ist gar verwaiset durch dich und die Brüder dein." 2205 Da sprach im Zornmuthe Gunther der Held: "Wünscht ihr noch dieß Morden im Frieden eingestellt Mit uns Heimatlosen, das ist uns beiden gut; Es ist gar unverschuldet, was uns König Etzel thut." 2206 Der Wirt sprach zu den Gästen: "mein und euer Leid Sind einander ungleich: die große Noth im Streit, Der Schaden und die Schande, die ich von euch gewann, Dafür soll euer Keiner mir lebend kommen hindann." 2207 Da sprach zu dem König der starke Gernot: "So soll euch Gott gebieten, daß ihr die Lieb uns thut: Weichet von dem Hause und laßt uns zu euch gehn. Wir wissen wohl, bald ist es um unser Leben geschehn. 2208 "Was uns geschehen könne, das laßt schnell ergehn: Ihr habt so viel Gesunde, die dürfen uns bestehn Und geben uns vom Streite Müden leicht den Tod: Wie lange solln wir Recken bleiben in so grimmer Noth?" 2209 Von König Etzels Reden war es fast geschehn, Daß sie die Helden ließen aus dem Saale gehn. Als das Kriemhild hörte, es war ihr grimmig leid. Da war den Heimathlosen mit Nichten Sühne bereit. 2210 "Nein, edle Recken, worauf euch sinnt der Muth, Ich will euch treulich raten, daß ihr das nimmer thut, Daß ihr die Mordgierigen laßt vor den Saal; Sonst müßen eure Freunde leiden tödtlichen Fall. 2211 "Und lebten nur alleine, die Utens Söhne’ sind, Und kämen meine edeln Brüder an den Wind. Daß sie die Panzer kühlten, ihr alle wärt verloren: Es wurden kühnre Degen noch nie auf Erden geboren." 2212 Da sprach der junge Geiselher: "Viel schöne Schwester mein, Wie hätt ich dir das zugetraut, daß du mich überrhein Her zu Lande ladetest in diese große Noth: Wie möcht ich an den Heunen hier verdienen den Tod? 2213 "Ich hielt dir stäte Treue, that nie ein Leid dir an: Ich kam auch her zu Hilfe geritten in dem Wahn, Du wärst mir gewogen, viel liebe Schwester mein, Nun schenk uns deine Gnade, da es anders nicht mag sein." 2214 "Ich schenk euch keine Gnade, Ungnad ich selbst gewann: Mir hat von Tronje Hagen so großes Leid gethan Daheim, und hier zu Lande erschlug er mir mein Kind: Das müßen schwer entgelten, die mit euch hergekommen sind." 2215 Wollt ihr mir aber Hagen allein zum Geisel geben, So will ichs nicht verweigern, daß ich euch laße leben. Denn meine Brüder seid ihr, der gleichen Mutter Kind: So red ich um die Sühne mit den Helden, die hier sind." 2216 "Nicht woll es Gott vom Himmel," sprach da Gernot. "Und waren unser tausend, wir wollten alle todt Vor deinen Freunden liegen eh wir dir Einen Mann Hier zu Geisel gäben: das wird nimmer gethan." 2217 "Wir müsten doch ersterben," sprach da Geiselher, "So soll uns Niemand scheiden von ritterlicher Wehr. Wer gerne mit uns stritte, wir sind noch immer hie: Verrieth ich meine Treue an einem Freunde doch nie." 2218 Da sprach der kühne Dankwart, es ziemt’ ihm wohl zu sagen: "Noch steht nicht alleine hier mein Bruder Hagen. Die uns den Frieden weigern, beklagen es noch schwer, Des sollt ihr inne werden, ich sags euch wahrlich vorher." 2219 Da sprach die Königstochter: "Ihr Helden allbereit, Nun geht der Stiege näher und rächt unser Leid. Das will ich stäts verdienen, wie ich billig solname = "note" Der Uebermuth Hagens, dessen lohn ich ihm wohl. 2220 "Laßt keinen aus dem Hause der Degen allzumaname = "note" So laß ich an vier Enden anzünden hier den Saal. So wird noch wohl gerochen all mein Herzeleid." König Etzels Recken sah man bald dazu bereit. 2221 Die noch draußen standen, die trieb man in den Saal Mit Schlägen und mit Schüßen: da gab es lauten Schall. Doch wollten sich nicht scheiden die Fürsten und ihr Heer: Sie ließen von der Treue zu einander nicht mehr. 2222 Den Saal in Brand zu stecken gebot da Etzels Weib. Da quälte man den Helden mit Feuersglut den Leib. Das Haus vom Wind ergriffen gerieth in hohen Brand. Nie wurde solcher Schrecken noch einem Volksheer bekannt. 2223 Da riefen Viele drinnen: "O weh dieser Noth! Da möchten wir ja lieber im Sturm liegen todt. Das möge Gott erbarmen; wie sind wir all verlorn! Wie grimmig rächt die Königin an uns allen ihren Zorn!" 2224 Da sprach darinnen Einer: "Wir finden hier den Tod Vor Rauch und vor Feuer: wie grimm ist diese Noth! Mir thut vor starker Hitze der Durst so schrecklich weh, Ich fürchte, mein Leben in diesen Nöthen zergeh!" 2225 Da sprach von Tronje Hagen: "Ihr edlen Ritter gut, Wen der Durst will zwingen, der trinke hier das Blut. Das ist in solcher Hitze beßer noch als Wein; Es mag halt zu trinken hier nichts Beßeres sein." 2226 Hin gieng der Recken Einer, wo er einen Todten fand: Er kniet’ ihm zu der Wunde, den Helm er niederband. Da begann er zu trinken das fließende Blut. So wenig ers gewohnt war, er fand es köstlich und gut. 2227 "Nun lohn euch Gott, Herr Hagen," sprach der müde Mann, "Daß ich von eurer Lehre so guten Trank gewann. Man schenkte mir selten noch einen beßern Wein. So lang ich leben bleibe will ich euch stäts gewogen sein." 2228 Als das die Andern hörten, es däuchte ihn so gut, Da fanden sich noch Viele, die tranken auch das Blut. Davon kam zu Kräften der guten Recken Leib: Des entgalt an lieben Freunden bald manches waidliche Weib. 2229 Das Feuer fiel gewaltig auf sie in den Saaname = "note" Sie wandten mit den Schilden es von sich ab im Fall. Der Rauch und auch die Hitze schmerzten sie gar sehr. Also großer Jammer geschieht wohl Helden nimmer mehr. 2230 Da sprach von Tronje Hagen: "Stellt euch an die Wand; Laßt nicht die Brände fallen auf eurer Helme Band Und tretet sie mit Füßen tiefer in das Blut. Eine üble Hochzeit ist es, zu der die Königin uns lud." 2231 Unter solchen Nöthen zerrann zuletzt die Nacht. Noch hielt vor dem Hause der kühne Spielmann Wacht Und Hagen sein Geselle, gelehnt auf Schildesrand, Noch größern Leids gewärtig von Denen aus Etzels Land. 2232 Daß der Saal gewölbt war, half den Gästen sehr; Dadurch blieben ihrer am Leben desto mehr, Wiewohl sie an den Fenstern von Feuer litten Noth. Da wehrten sich die Degen, wie Muth und Ehre gebot. 2233 Da sprach der Fiedelspieler: "Gehn wir in den Saaname = "note" Da wähnen wohl die Heunen, wir seien allzumal Von der Qual erstorben, die sie uns angethan: Dann kommen doch noch Etliche zum Streit mit ihnen heran." 2234 Da sprach von Burgunden Geiselher das Kind: "Ich wähn, es wolle tagen, sich hebt ein kühler Wind. Nun laß uns Gott vom Himmel noch liebre Zeit erleben! Eine arge Hochzeit hat uns meine Schwester Kriemhild gegeben." 2235 Da sprach wieder Einer: "Ich spüre schon den Tag. Wenn es denn uns Degen nicht beßer werden mag, So bereitet euch, ihr Recken, zum Streit, das ist uns Noth: Da wir doch nicht entrinnen, daß wir mit Ehren liegen todt." 2236 Der König mochte wähnen, die Gäste wären todt Von den Beschwerden allen und von des Feuers Noth, Da lebten doch so Kühner noch drin sechshundert Mann, Daß wohl nie ein König beßre Degen gewann. 2237 Der Heimathlosen Hüter hatten wohl gesehn, Daß noch die Gäste lebten, was ihnen auch geschehn Zu Schaden war und Leide, den Herrn und ihrem Lehn. Man sah sie in dem Hause noch gar wohl geborgen gehn. 2238 Man sagte Kriemhilden, noch Viele lebten drin. "Wie wäre das möglich," sprach die Königin, "Daß noch Einer lebte nach solcher Feuersnoth? Eher will ich glauben, sie fanden Alle den Tod." 2239 Noch wünschten zu entkommen die Fürsten und ihr Lehn, Wenn an ihnen Gnade noch jemand ließ’ ergehn. Die konnten sie nicht finden in der Heunen Land: Da rächten sie ihr Sterben mit gar williger Hand. 2240 Schon früh am andern Morgen man ihnen Grüße bot Mit heftigem Angriff; wohl schuf das Helden Noth. Zu ihnen aufgeschoßen ward mancher scharfe Sper; Doch fanden sie darinnen die kühnen Recken wohl zur Wehr. 2241 Dem Heergesinde Etzels war erregt der Muth, Daß sie verdienen wollten Frau Kriemhildens Gut Und alles willig leisten, was der Fürst gebot: Da muste bald noch Mancher von ihnen schauen den Tod. 2242 Von Verheißen und von Gaben mochte man Wunder sagen: Sie ließ ihr Gold, das rothe, auf Schilden vor sich tragen; Sie gab es Jedem willig, Der es wollt empfahn. Nie wurden wider Feinde so große Schätze verthan. 2243 Gewaffnet trat der Recken eine große Macht zur Thür. Da sprach der Fiedelspieler. "Wir sind noch immer hier: So gern sah ich Helden zum Streiten nimmer kommen, Als die das Gold des Königs uns zu verderben genommen." 2244 Da riefen ihrer Viele: "Nur näher zu dem Streit! Da wir doch fallen müßen, so thun wirs gern bei Zeit. Hier wird Niemand bleiben, als wer doch sterben soll." Da staken ihre Schilde gleich von Sperschüßen voll. 2245 Was soll ich weiter sagen? Wohl zwölfhundert Degen Versuchtens auf und nieder mit starken Schwertesschlägen. Da kühlten an den Feinden die Gäste wohl den Muth. Kein Friede war zu hoffen, drum sah man fließen das Blut 2246 Aus tiefen Todeswunden: Deren wurden viel geschlagen. Man hörte nach den Freunden Jeglichen klagen. Die Biedern starben alle dem reichen König hehr: Da hatten liebe Freunde nach ihnen Leid und Beschwer.