Старонемецкий эпос
Песнь о Нибелунгах / Das Nibelungenlied
* * *© ООО «Издательство АСТ», 2022
Das Nibelungenlied
Abenteuer 1
Wie Kriemhilden träumte
1 Viel Wunderdinge melden die Maren alter Zeit Von preiswerthen Helden, von großer Kühnheit, Von Freud und Festlichkeiten, von Weinen und von Klagen, Von kühner Recken Streiten mögt ihr nun Wunder hören sagen. 2 Es wuchs in Burgunden solch edel Mägdelein, Daß in allen Landen nichts Schönres mochte sein. Kriemhild war sie geheißen, und ward ein schönes Weib, Um die viel Degen musten verlieren Leben und Leib. 3 Die Minnigliche lieben brachte Keinem Scham; Um die viel Recken warben, Niemand war ihr gram. Schön war ohne Maßen die edle Maid zu schaun; Der Jungfrau höfsche Sitte wär eine Zier allen Fraun. 4 Es pflegten sie drei Könige edel und reich, Gunther und Gernot, die Recken ohne Gleich, Und Geiselher der junge, ein auserwählter Degen; Sie war ihre Schwester, die Fürsten hatten sie zu pflegen. 5 Die Herren waren milde, dazu von hohem Stamm, Unmaßen kühn nach Kräften, die Recken lobesam. Nach den Burgunden war ihr Land genannt; Sie schufen starke Wunder noch seitdem in Etzels Land. 6 In Worms am Rheine wohnten die Herrn in ihrer Kraft. Von ihren Landen diente viel stolze Ritterschaft Mit rühmlichen Ehren all ihres Lebens Zeit, Bis jämmerlich sie starben durch zweier edeln Frauen Streit. 7 Ute hieß ihre Mutter, die reiche Königin, Und Dankrat ihr Vater, der ihnen zum Gewinn Das Erbe ließ im Tode, vordem ein starker Mann, Der auch in seiner Jugend großer Ehren viel gewann. 8 Die drei Könge waren, wie ich kund gethan, Stark und hohen Muthes; ihnen waren unterthan Auch die besten Recken, davon man hat gesagt, Von großer Kraft und Kühnheit, in allen Streiten unverzagt. 9 Das war von Tronje Hagen, und der Bruder sein, Dankwart der Schnelle, von Metz Herr Ortewein, Die beiden Markgrafen Gere und Eckewart, Volker von Alzei, an allen Kräften wohlbewahrt, 10 Rumold der Küchenmeister, ein theuerlicher Degen, Sindold und Hunold: die Herren musten pflegen Des Hofes und der Ehren, den Köngen unterthan. Noch hatten sie viel Recken, die ich nicht alle nennen kann. 11 Dankwart war Marschall; so war der Neffe sein Truchseß des Königs, von Metz Herr Ortewein. Sindold war Schenke, ein waidlicher Degen, Und Kämmerer Hunold: sie konnten hoher Ehren pflegen. 12 Von des Hofes Ehre von ihrer weiten Kraft, Von ihrer hohen Würdigkeit und von der Ritterschaft, Wie sie die Herren übten mit Freuden all ihr Leben, Davon weiß wahrlich Niemand euch volle Kunde zu geben. 13 In ihren hohen Ehren träumte Kriemhilden, Sie zög einen Falken, stark-, schön- und wilden; Den griffen ihr zwei Aare, daß sie es mochte sehn: Ihr konnt auf dieser Erde größer Leid nicht geschehn. 14 Sie sagt’ ihrer Mutter den Traum, Frau Uten: Die wust ihn nicht zu deuten als so der guten: «Der Falke, den du ziehest, das ist ein edler Mann: Ihn wolle Gott behüten, sonst ist es bald um ihn gethan.» 15 «Was sagt ihr mir vom Manne, vielliebe Mutter mein? Ohne Reckenminne will ich immer sein; So schön will ich verbleiben bis an meinen Tod, Daß ich von Mannesminne nie gewinnen möge Noth.» 16 «Verred es nicht so völlig,» die Mutter sprach da so, «Sollst du je auf Erden von Herzen werden froh, Das geschieht von Mannesminne: du wirst ein schönes Weib, Will Gott dir noch vergönnen eines guten Ritters Leib.» 17 «Die Rede laßt bleiben, vielliebe Mutter mein. Es hat an manchen Weiben gelehrt der Augenschein, Wie Liebe mit Leide am Ende gerne lohnt; Ich will sie meiden beide, so bleib ich sicher verschont!» 18 Kriemhild in ihrem Muthe hielt sich von Minne frei. So lief noch der guten manch lieber Tag vorbei, Daß sie Niemand wuste, der ihr gefiel zum Mann, Bis sie doch mit Ehren einen werthen Recken gewann. 19 Das war derselbe Falke, den jener Traum ihr bot, Den ihr beschied die Mutter. Ob seinem frühen Tod Den nächsten Anverwandten wie gab sie blutgen Lohn! Durch dieses Einen Sterben starb noch mancher Mutter Sohn. Abenteuer 2
Von Siegfrieden
20 Da wuchs im Niederlande eines edeln Königs Kind, Siegmund hieß sein Vater, die Mutter Siegelind, In einer mächtgen Veste, weithin wohlbekannt, Unten am Rheine, Xanten war sie genannt. 21 Ich sag euch von dem Degen, wie so schön er ward. Er war vor allen Schanden immer wohl bewahrt. Stark und hohes Namens ward bald der kühne Mann: Hei! was er großer Ehren auf dieser Erde gewann! 22 Siegfried ward geheißen der edle Degen gut. Er erprobte viel der Recken in hochbeherztem Muth. Seine Stärke führt’ ihn in manches fremde Land: Hei! was er schneller Degen bei den Burgunden fand! 23 Bevor der kühne Degen voll erwuchs zum Mann, Da hatt er solche Wunder mit seiner Hand gethan, Davon man immer wieder singen mag und sagen; Wir müßen viel verschweigen von ihm in heutigen Tagen. 24 In seinen besten Zeiten, bei seinen jungen Tagen Mochte man viel Wunder von Siegfrieden sagen, Wie Ehr an ihm erblühte und wie schön er war zu schaun: Drum dachten sein in Minne viel der waidlichen Fraun. 25 Man erzog ihn mit dem Fleiße, wie ihm geziemend war; Was ihm Zucht und Sitte der eigne Sinn gebar! Das ward noch eine Zierde für seines Vaters Land, Daß man zu allen Dingen ihn so recht herrlich fand. 26 Er war nun so erwachsen, mit an den Hof zu gehn. Die Leute sahn ihn gerne; viel Fraun und Mädchen schön Wünschten wohl, er käme dahin doch immerdar; Hold waren ihm gar viele, des ward der Degen wohl gewahr. 27 Selten ohne Hüter man reiten ließ das Kind. Mit Kleidern hieß ihn zieren seine Mutter Siegelind; Auch pflegten sein die Weisen, denen Ehre war bekannt: Drum möcht er wohl gewinnen so die Leute wie das Land,
28 Nun war er in der Stärke, daß er wohl Waffen trug: Wes er dazu bedurfte, des gab man ihm genug. Schon sann er zu werben um manches schöne Kind; Die hätten wohl mit Ehren den schönen Siegfried geminnt. 29 Da ließ sein Vater Siegmund kund thun seinem Lehn, Mit lieben Freunden woll er ein Hofgelag begehn. Da brachte man die Märe in andrer Könge Land. Den Heimischen und Gästen gab er Ross und Gewand. 30 Wen man finden mochte, der nach der Eltern Art Ritter werden sollte, die edeln Knappen zart Lud man nach dem Lande zu der Lustbarkeit, Wo sie das Schwert empfiengen mit Siegfried zu gleicher Zeit. 31 Man mochte Wunder sagen von dem Hofgelag. Siegmund und Siegelind gewannen an dem Tag Viel Ehre durch die Gaben, die spendet’ ihre Hand: Drum sah man viel der Fremden zu ihnen reiten in das Land. 32 Vierhundert Schwertdegen sollten gekleidet sein Mit dem jungen Könige. Manch schönes Mägdelein Sah man am Werk geschäftig: ihm waren alle hold. Viel edle Steine legten die Frauen da in das Gold, 33 Die sie mit Borten wollten auf die Kleider nähn Den jungen stolzen Recken; das muste so ergehn. Der Wirth ließ Sitze bauen für manchen kühnen Mann Zu der Sonnenwende, wo Siegfried Ritters Stand gewann. 34 Da gieng zu einem Münster mancher reiche Knecht Und viel der edeln Ritter. Die Alten thaten recht, Daß sie den Jungen dienten, wie ihnen war geschehn, Sie hatten Kurzweile und freuten sich es zu sehn. 35 Als man da Gott zu Ehren eine Messe sang, Da hub sich von den Leuten ein gewaltiger Drang, Da sie zu Rittern wurden dem Ritterbrauch gemäß Mit also hohen Ehren, so leicht nicht wieder geschähs. 36 Sie eilten, wo sie fanden geschirrter Rosse viel. Da ward in Siegmunds Hofe so laut das Ritterspiel, Daß man ertosen hörte Pallas und Saal. Die hochbeherzten Degen begannen fröhlichen Schall. 37 Von Alten und von Jungen mancher Stoß erklang, Daß der Schäfte Brechen in die Lüfte drang. Die Splitter sah man fliegen bis zum Saal hinan. Die Kurzweile sahen die Fraun und Männer mit an. 38 Der Wirth bat es zu laßen. Man zog die Rosse fort; Wohl sah man auch zerbrochen viel starke Schilde dort Und viel der edeln Steine auf das Gras gefällt Von des lichten Schildes Spangen: die hatten Stöße zerschellt. 39 Da setzten sich die Gäste, wohin man ihnen rieth, zu Tisch, wo von Ermüdung viel edle Kost sie schied Und Wein der allerbeste, des man die Fülle trug. Den Heimischen und Fremden bot man Ehren da genug. 40 So viel sie Kurzweile gefunden all den Tag, Das fahrende Gesinde doch keiner Ruhe pflag: Sie dienten um die Gabe, die man da reichlich fand; Ihr Lob ward zur Zierde König Siegmunds ganzem Land. 41 Da ließ der Fürst verleihen Siegfried, dem jungen Mann, Das Land und die Burgen, wie sonst er selbst gethan. Seinen Schwertgenoßen gab er mit milder Hand: So freute sie die Reise, die sie geführt in das Land. 42 Das Hofgelage währte bis an den siebten Tag. Sieglind die reiche der alten Sitte pflag, Daß sie dem Sohn zu Liebe vertheilte rothes Gold: Sie könnt es wohl verdienen, daß ihm die Leute waren hold. 43 Da war zuletzt kein armer Fahrender mehr im Land. Ihnen stoben Kleider und Rosse von der Hand, Als hätten sie zu leben nicht mehr denn einen Tag. Man sah nie Ingesinde, das so großer Milde pflag. 44 Mit preiswerthen Ehren zergieng die Lustbarkeit. Man hörte wohl die Reichen sagen nach der Zeit, Daß sie dem Jungen gerne wären unterthan; Das begehrte nicht Siegfried, dieser waidliche Mann. 45 So lange sie noch lebten, Siegmund und Siegelind, Wollte nicht Krone tragen der beiden liebes Kind; Doch wollt er herrlich wenden alle die Gewalt, Die in den Landen fürchtete der Degen kühn und wohlgestalt. 46 Ihn durfte Niemand schelten: seit er die Waffen nahm, Pflag er der Ruh nur selten, der Recke lobesam. Er suchte nur zu streiten und seine starke Hand Macht’ ihn zu allen Zeiten in fremden Reichen wohlbekannt. 47 Den Herrn beschwerte selten irgend ein Herzeleid. Er hörte Kunde sagen, wie eine schöne Maid Bei den Burgunden wäre, nach Wünschen wohlgethan, Von der er bald viel Freuden und auch viel Leides gewann. 48 Von ihrer hohen Schöne vernahm man weit und breit, Und auch ihr Hochgemüthe ward zur selben Zeit Bei der Jungfrauen den Helden oft bekannt: Das ladete der Gäste viel in König Gunthers Land. 49 So viel um ihre Minne man Werbende sah, Kriemhild in ihrem Sinne sprach dazu nicht Ja, Daß sie einen wollte zum geliebten Mann: Er war ihr noch gar fremde, dem sie bald ward unterthan. 50 Dann sann auf hohe Minne Sieglindens Kind: All der Andern Werben war wider ihn ein Wind. Er mochte wohl verdienen ein Weib so auserwählt: Bald ward die edle Kriemhild dem kühnen Siegfried vermählt. 51 Ihm riethen seine Freunde und Die in seinem Lehn, Hab er stäte Minne sich zum Ziel ersehn, So soll er werben, daß er sich der Wahl nicht dürfe schämen. Da sprach der edle Siegfried: «So will ich Kriemhilden nehmen, 52 Die edle Königstochter von Burgundenland, Um ihre große Schöne. Das ist mir wohl bekannt, Kein Kaiser sei so mächtig, hätt er zu frein im Sinn, Dem nicht zum minnen ziemte diese reiche Königin.» 53 Solche Märe hörte der König Siegmund. Es sprachen seine Leute: also ward ihm kund Seines Kindes Wille. Es war ihm höchlich leid, Daß er werben wolle um diese herrliche Maid. 54 Es erfuhr es auch die Königin, die edle Siegelind: Die muste große Sorge tragen um ihr Kind, Weil sie wohl Gunthern kannte und Die in seinem Heer Die Werbung dem Degen zu verleiden fliß man sich sehr. 55 Da sprach der kühne Siegfried: «Viel lieber Vater mein, Ohn edler Frauen Minne wollt ich immer sein, Wenn ich nicht werben dürfte nach Herzensliebe frei.» Was Jemand reden mochte, so blieb er immer dabei. 56 «Ist dir nicht abzurathen,» der König sprach da so, «So bin ich deines Willens von ganzem Herzen froh Und will dirs fügen helfen, so gut ich immer kann; Doch hat der König Gunther manchen hochfährtgen Mann.» 57 «Und wär es anders Niemand als Hagen der Degen, Der kann im Uebermuthe wohl der Hochfahrt pflegen, So daß ich sehr befürchte, es mög uns werden leid, Wenn wir werben wollen um diese herrliche Maid.» 58 «Wie mag uns das gefährden!» hub da Siegfried an: «Was ich mir im Guten da nicht erbitten kann, Will ich schon sonst erwerben mit meiner starken Hand, Ich will von ihm erzwingen so die Leute wie das Land.» 59 «Leid ist mir deine Rede,» sprach König Siegmund, «Denn würde diese Märe dort am Rheine kund, Du dürftest nimmer reiten in König Gunthers Land. Gunther und Gernot die sind mir lange bekannt.» 60 «Mit Gewalt erwerben kann Niemand die Magd,» Sprach der König Siegmund, «das ist mir wohl gesagt; Willst du jedoch mit Recken reiten in das Land, Die Freunde, die wir haben, die werden eilends besandt.» 61 «So ist mir nicht zu Muthe,» fiel ihm Siegfried ein, «Daß mir Recken sollten folgen an den Rhein Einer Heerfahrt willen: das wäre mir wohl leid, Sollt ich damit erzwingen diese herrliche Maid.» 62 «Ich will sie schon erwerben allein mit meiner Hand. Ich will mit zwölf Gesellen in König Gunthers Land; Dazu sollt ihr mir helfen, Vater Siegmund.» Da gab man seinen Degen zu Kleidern grau und auch bunt. 63 Da vernahm auch diese Märe seine Mutter Siegelind; Sie begann zu trauern um ihr liebes Kind: Sie bangt’ es zu verlieren durch Die in Gunthers Heer. Die edle Königstochter weinte darüber sehr. 64 Siegfried der Degen gieng hin, wo er sie sah. Wider seine Mutter gütlich sprach er da: «Frau, ihr sollt nicht weinen um den Willen mein: Wohl will ich ohne Sorgen vor allen Weiganden sein.» 65 «Nun helft mir zu der Reise nach Burgundenland, Daß mich und meine Recken ziere solch Gewand, Wie so stolze Degen mit Ehren mögen tragen: Dafür will ich immer den Dank von Herzen euch sagen.» Abenteuer 3
Wie Siegfried nach Worms kam
66 «Ist dir nicht abzurathen,» sprach Frau Siegelind, «So helf ich dir zur Reise, mein einziges Kind, Mit den besten Kleidern, die je ein Ritter trug, Dir und deinen Degen: ihr sollt der haben genug.» 67 Da neigte sich ihr dankend Siegfried der junge Mann. Er sprach: «Nicht mehr Gesellen nehm ich zur Fahrt mir an Als der Recken zwölfe: verseht die mit Gewand. Ich möchte gern erfahren, wie’s um Kriemhild sei bewandt.» 68 Da saßen schöne Frauen über Nacht und Tag, Daß ihrer selten Eine der Muße eher pflag, Bis sie gefertigt hatten Siegfriedens Staat. Er wollte seiner Reise nun mit nichten haben Rath. 69 Sein Vater hieß ihm zieren sein ritterlich Gewand, Womit er räumen wollte König Siegmunds Land. Ihre lichten Panzer die wurden auch bereit Und ihre festen Helme, ihre Schilde schön und breit. 70 Nun sahen sie die Reise zu den Burgunden nahn. Um sie begann zu sorgen beides, Weib und Mann, Ob sie je wiederkommen sollten in das Land. Sie geboten aufzusäumen die Waffen und das Gewand. 71 Schön waren ihre Rosse, ihr Reitzeug goldesroth; Wenn wer sich höher dauchte, so war es ohne Noth, Als der Degen Siegfried und Die ihm unterthan. Nun hielt er um Urlaub zu den Burgunden an. 72 Den gaben ihm mit Trauern König und Königin. Er tröstete sie beide mit minniglichem Sinn Und sprach: «Ihr sollt nicht weinen um den Willen mein: Immer ohne Sorgen mögt ihr um mein Leben sein.» 73 Es war leid den Recken, auch weinte manche Maid; Sie ahnten wohl im Herzen, daß sie es nach der Zeit Noch schwer entgelten müsten durch lieber Freunde Tod. Sie hatten Grund zu klagen, es that ihnen wahrlich Noth. 74 Am siebenten Morgen zu Worms an den Strand Ritten schon die Kühnen; all ihr Gewand War von rothem Golde, ihr Reitzeug wohlbestellt; Ihnen giengen sanft die Rosse, die sich da Siegfried gesellt. 75 Neu waren ihre Schilde, licht dazu und breit, Und schön ihre Helme, als mit dem Geleit Siegfried der kühne ritt in Gunthers Land. Man ersah an Helden nie mehr so herrlich Gewand. 76 Der Schwerter Enden giengen nieder auf die Sporen; Scharfe Spere führten die Ritter auserkoren. Von zweier Spannen Breite war, welchen Siegfried trug; Der hatt an seinen Schneiden grimmer Schärfe genug. 77 Goldfarbne Zäume führten sie an der Hand; Der Brustriem war von Seide: so kamen sie ins Land. Da gafften sie die Leute allenthalben an: Gunthers Mannen liefen sie zu empfangen heran. 78 Die hochbeherzten Recken, Ritter so wie Knecht, Liefen den Herrn entgegen, so war es Fug und Recht, Und begrüßten diese Gäste in ihrer Herren Land; Die Pferde nahm man ihnen und die Schilde von der Hand. 79 Da wollten sie die Rosse ziehn zu ihrer Rast; Da sprach aber Siegfried alsbald, der kühne Gast: «Laßt uns noch die Pferde stehen kurze Zeit: Wir reiten bald von hinnen; dazu bin ich ganz bereit.» 80 «Man soll uns auch die Schilde nicht von dannen tragen; Wo ich den König finde, kann mir das Jemand sagen, Gunther den reichen aus Burgundenland?» Da sagt’ es ihm Einer, dem es wohl war bekannt. 81 «Wollt ihr den König finden, das mag gar leicht geschehn: In jenem weiten Saale hab ich ihn gesehn Unter seinen Helden; da geht zu ihm hinan, So mögt ihr bei ihm finden manchen herrlichen Mann.» 82 Nun waren auch die Mären dem König schon gesagt, Daß auf dem Hofe wären Ritter unverzagt: Sie führten lichte Panzer und herrlich Gewand; Sie erkenne Niemand in der Burgunden Land. 83 Den König nahm es Wunder, woher gekommen sei’n Die herrlichen Recken im Kleid von lichtem Schein Und mit so guten Schilden, so neu und so breit; Das ihm das Niemand sagte, das war König Gunthern leid. 84 Zur Antwort gab dem König von Metz Herr Ortewein; Stark und kühnes Muthes mocht er wohl sein: «Da wir sie nicht erkennen, so heißt Jemand gehn Nach meinem Oheim Hagen: dem sollt ihr sie laßen sehn.» 85 «Ihm sind wohl kund die Reiche und alles fremde Land; Erkennt er die Herren, das macht er uns bekannt.» Der König ließ ihn holen und Die in seinem Lehn: Da sah man ihn herrlich mit Recken hin zu Hofe gehn. 86 Warum nach ihm der König, frug Hagen da, geschickt? «Es werden fremde Degen in meinem Haus erblickt, Die Niemand mag erkennen: habt ihr in fremdem Land Sie wohl schon gesehen? das macht mir, Hagen bekannt.» 87 «Das will ich,» sprach Hagen. Zum Fenster schritt er drauf, Da ließ er nach den Gästen den Augen freien Lauf. Wohl gefiel ihm ihr Geräthe und all ihr Gewand; Doch waren sie ihm fremde in der Burgunden Land. 88 Er sprach, woher die Recken auch kämen an den Rhein, Es möchten selber Fürsten oder Fürstenboten sein. «Schön sind ihre Rosse und ihr Gewand ist gut; Von wannen sie auch ritten, es sind Helden hochgemuth.» 89 Also sprach da Hagen: «Soviel ich mag verstehn, Hab ich gleich im Leben Siegfrieden nie gesehn, So will ich doch wohl glauben, wie es damit auch steht, Daß er es sei, der Degen, der so herrlich dorten geht.» 90 «Er bringt neue Mären her in dieses Land:» Die kühnen Nibelungen schlug des Helden Hand, Die reichen Königssöhne Schilbung und Nibelung; Er wirkte große Wunder mit des starken Armes Schwung. 91 «Als der Held alleine ritt aller Hülfe bar, Fand er an einem Berge, so hört ich immerdar, Bei König Niblungs Horte manchen kühnen Mann; Sie waren ihm gar fremde, bis er hier die Kunde gewann.» 92 «Der Hort König Nibelungs ward hervorgetragen Aus einem hohlen Berge: nun hört Wunder sagen, Wie ihn theilen wollten Die Niblung unterthan.» Das sah der Degen Siegfried, den es zu wundern begann. 93 «So nah kam er ihnen, daß er die Helden sah Und ihn die Degen wieder». Der Eine sagte da: «Hier kommt der starke Siegfried, der Held aus Niederland.» Seltsame Abenteuer er bei den Nibelungen fand.
94 «Den Recken wohl empfiengen Schilbung und Nibelung. Einhellig baten die edeln Fürsten jung, Daß ihnen theilen möchte den Schatz der kühne Mann: Das begehrten sie, bis endlich ers zu geloben begann.» 95 «Er sah so viel Gesteines, wie wir hören sagen, Hundert Leiterwagen die möchten es nicht tragen, Noch mehr des rothen Goldes von Nibelungenland: Das Alles sollte theilen des kühnen Siegfriedes Hand.» 96 «Sie gaben ihm zum Lohne König Niblungs Schwert: Da wurden sie des Dienstes gar übel gewährt, Den ihnen leisten sollte Siegfried der Degen gut. Er könnt es nicht vollbringen: sie hatten zornigen Muth.» 97 «So must er ungetheilet die Schätze laßen stehn. Da bestanden ihn die Degen in der zwei Könge Lehn: Mit ihres Vaters Schwerte, das Balmung war genannt, Stritt ihnen ab der Kühne den Hort und Nibelungenland» 98 «Da hatten sie zu Freunden kühne zwölf Mann, Die starke Riesen waren: was konnt es sie verfahn? Die erschlug im Zorne Siegfriedens Hand Und siebenhundert Recken zwang er vom Nibelungenland.» 99 «Mit dem guten Schwerte, geheißen Balmung. Vom Schrecken überwältigt war mancher Degen jung Zumal vor dem Schwerte und vor dem kühnen Mann: Das Land mit den Burgen machten sie ihm unterthan.» 100 «Dazu die reichen Könige die schlug er beide todt. Er kam durch Albrichen darauf in große Noth: Der wollte seine Herren rächen allzuhand, Eh er die große Stärke noch an Siegfrieden fand.» 101 «Mit Streit bestehen konnt ihn da nicht der starke Zwerg. Wie die wilden Leuen liefen sie an den Berg, Wo er die Tarnkappe Albrichen abgewann: Da war des Hortes Meister Siegfried der schreckliche Mann.» 102 «Die sich getraut zu fechten, die lagen all erschlagen. Den Schatz ließ er wieder nach dem Berge tragen, Dem ihn entnommen hatten Die Niblung unterthan. Alberich der starke das Amt des Kämmrers gewann.» 103 «Er must ihm Eide schwören, er dien ihm als sein Knecht, Zu aller Art Diensten ward er ihm gerecht.» So sprach von Tronje Hagen: «Das hat der Held gethan; Also große Kräfte nie mehr ein Recke gewann.» 104 «Noch ein Abenteuer ist mir von ihm bekannt: Einen Linddrachen schlug des Helden Hand; Als er im Blut sich badete, ward hörnern seine Haut. So versehrt ihn keine Waffe: das hat man oft an ihm geschaut.» 105 «Man soll ihn wohl empfangen, der beste Rath ist das, Damit wir nicht verdienen des schnellen Recken Haß. Er ist so kühnes Sinnes, man seh ihn freundlich an: Er hat mit seinen Kräften so manche Wunder gethan.» 106 Da sprach der mächtge König: «Gewiss, du redest wahr: Nun sieh, wie stolz er dasteht vor des Streits Gefahr, Dieser kühne Degen und Die in seinem Lehn! Wir wollen ihm entgegen hinab zu dem Recken gehn.» 107 «Das mögt ihr,» sprach da Hagen, «mit allen Ehren schon: Er ist von edelm Stamme eines reichen Königs Sohn; Auch hat er die Gebäre, mich dünkt, beim Herren Christ, Es sei nicht kleine Märe, um die er hergeritten ist.» 108 Da sprach der Herr des Landes: «Nun sei er uns willkommen. Er ist kühn und edel, das hab ich wohl vernommen; Des soll er auch genießen im Burgundenland.» Da gieng der König Gunther hin, wo er Siegfrieden fand. 109 Der Wirth und seine Recken empfiengen so den Mann, Daß wenig an dem Gruße gebrach, den er gewann; Des neigte sich vor ihnen der Degen ausersehn In großen Züchten sah man ihn mit seinen Recken stehn. 110 «Mich wundert diese Märe,» sprach der Wirth zuhand, «Von wannen, edler Siegfried, ihr kamt in dieses Land Oder was ihr wollet suchen zu Worms an dem Rhein?» Da sprach der Gast zum König: «Das soll euch unverhohlen sein.» 111 «Ich habe sagen hören in meines Vaters Land, An euerm Hofe wären, das hätt ich gern erkannt, Die allerkühnsten Recken, so hab ich oft vernommen, Die je gewann ein König: darum bin ich hieher gekommen.» 112 «So hör ich auch euch selber viel Mannheit zugestehn, Man habe keinen König noch je so kühn gesehn. Das rühmen viel der Leute in all diesem Land; Nun kann ichs nicht verwinden, bis ich die Wahrheit befand.» 113 «Ich bin auch ein Recke und soll die Krone tragen: Ich möcht es gerne fügen, daß sie von mir sagen, Daß ich mit Recht besäße die Leute wie das Land. Mein Haupt und meine Ehre setz ich dawider zu Pfand. 114 Wenn ihr denn so kühn seid, wie euch die Sage zeiht, So frag ich nicht, ists Jemand lieb oder leid: Ich will von euch erzwingen, was euch angehört, Das Land und die Burgen unterwerf ich meinem Schwert.» 115 Der König war verwundert und all sein Volk umher, Als sie vernahmen sein seltsam Begehr, Daß er ihm zu nehmen gedächte Leut und Land. Das hörten seine Degen, die wurden zornig zuhand. 116 «Wie sollt ich das verdienen,» sprach Gunther der Degen, «Wes mein Vater lange mit Ehren durfte pflegen, Daß wir das verlören durch Jemands Ueberkraft? Das wäre schlecht bewiesen, daß wir auch pflegen Ritterschaft!» 117 «Ich will davon nicht laßen,» fiel ihm der Kühne drein, «Von deinen Kräften möge dein Land befriedet sein, Ich will es nun verwalten; doch auch das Erbe mein, Erwirbst du es durch Stärke, es soll dir unterthänig sein.» 118 «Dein Erbe wie das meine wir schlagen gleich sie an, Und wer von uns den Andern überwinden kann, Dem soll es alles dienen, die Leute wie das Land.» Dem widersprach da Hagen und mit ihm Gernot zuhand. 119 «So stehn uns nicht die Sinne,» sprach da Gernot, «Nach neuen Lands Gewinne, daß Jemand sollte todt Vor Heldeshänden liegen: reich ist unser Land, Das uns mit Recht gehorsamt, zu Niemand beßer bewandt.» 120 In grimmigem Muthe standen da die Freunde sein. Da war auch darunter von Metz Herr Ortewein. Der Sprach: «Die Sühne ist mir von Herzen leid: Euch ruft der starke Siegfried ohn allen Grund in den Streit.» 121 «Wenn ihr und eure Brüder ihm auch nicht steht zur Wehr, Und ob er bei sich führte ein ganzes Königsheer, So wollt ichs doch erstreiten, daß der starke Held Also hohen Uebermuth, wohl mit Recht bei Seite stellt.» 122 Darüber zürnte mächtig der Held von Niederland: «Nicht wider mich vermeßen darf sich deine Hand: Ich bin ein reicher König, du bist in Königs Lehn; Deiner zwölfe dürften mich nicht im Streite bestehn.» 123 Nach Schwertern rief da heftig von Metz Herr Ortewein: Er durfte Hagens Schwestersohn von Tronje wahrlich sein; Daß er so lang geschwiegen, das war dem König leid. Da sprach zum Frieden Gernot, ein Ritter kühn und allbereit. 124 «Laßt euer Zürnen bleiben,» hub er zu Ortwein an, «Uns hat der edle Siegfried noch solches nicht gethan; Wir scheiden es in Güte wohl noch, das rath ich sehr, Und haben ihn zum Freunde; es geziemt uns wahrlich mehr.» 125 Da sprach der starke Hagen «Uns ist billig leid und all euern Degen, daß er je zum Streit an den Rhein geritten: was ließ er das nicht sein? So übel nie begegnet wären ihm die Herren mein.» 126 Da sprach wieder Siegfried, der kraftvolle Held: «Wenn euch, was ich gesprochen, Herr Hagen, missfällt, So will ich schauen laßen, wie noch die Hände mein Gedenken so gewaltig bei den Burgunden zu sein.» 127 «Das hoff ich noch zu wenden,» sprach da Gernot. Allen seinen Degen zu reden er verbot In ihrem Uebermuthe, was ihm wäre leid. Da gedacht auch Siegfried an die viel herrliche Maid. 128 «Wie geziemt’ uns mit euch zu streiten?» sprach wieder Gernot «Wie viel dabei der Helden auch fielen in den Tod, Wenig Ehre brächt uns so ungleicher Streit.» Die Antwort hielt da Siegfried, König Siegmunds Sohn, bereit: 129 «Warum zögert Hagen und auch Ortewein, Daß er nicht zum Streite eilt mit den Freunden sein, Deren er so manchen bei den Burgunden hat?» Sie blieben Antwort schuldig, das war Gernotens Rath. 130 «Ihr sollt uns willkommen sein,» sprach Geiselher das Kind, «Und eure Heergesellen, die hier bei euch find: Wir wollen gern euch dienen, ich und die Freunde mein.» Da hieß man den Gästen schenken König Gunthers Wein. 131 Da sprach der Wirth des Landes: «Alles, was uns gehört, Verlangt ihr es in Ehren, das sei euch unverwehrt; Wir wollen mit euch theilen unser Gut und Blut.» Da ward dem Degen Siegfried ein wenig sanfter zu Muth. 132 Da ließ man ihnen wahren all ihr Wehrgewand; Man suchte Herbergen, die besten, die man fand: Siegfriedens Knappen schuf man gut Gemach. Man sah den Fremdling gerne in Burgundenland hernach. 133 Man bot ihm große Ehre darauf in manchen Tagen, Mehr zu tausend Malen, als ich euch könnte sagen; Das hatte seine Kühnheit verdient, das glaubt fürwahr. Ihn sah wohl selten Jemand, der ihm nicht gewogen war. 134 Flißen sich der Kurzweil die Könge und ihr Lehn, So war er stäts der Beste, was man auch ließ geschehn. Es konnt ihm Niemand folgen, so groß war seine Kraft, Ob sie den Stein warfen oder schoßen den Schaft. 135 Nach höfscher Sitte ließen sich auch vor den Fraun Der Kurzweile pflegend die kühnen Ritter schaun: Da sah man stäts den Helden gern von Niederland; Er hatt auf hohe Minne seine Sinne gewandt. 136 Die schönen Fraun am Hofe erfragten Märe, Wer der stolze fremde Recke wäre. «Er ist so schön gewachsen, so reich ist sein Gewand!» Da sprachen ihrer Viele: «Das ist der Held von Niederland.» 137 Was man beginnen wollte, er war dazu bereit; Er trug in seinem Sinne eine minnigliche Maid, Und auch nur ihn die Schöne, die er noch nie gesehn, Und die sich doch viel Gutes von ihm schon heimlich versehn. 138 Wenn man auf dem Hofe das Waffenspiel begann, Ritter so wie Knappen, immer sah es an Kriemhild aus den Fenstern, die Königstochter hehr; Keiner andern Kurzweil hinfort bedurfte sie mehr. 139 Und wüst er, daß ihn sähe, die er im Herzen trug, Davon hätt er Kurzweil immerdar genug. Ersähn sie seine Augen, ich glaube sicherlich, Keine andre Freude hier auf Erden wünscht’ er sich. 140 Wenn er bei den Recken auf dem Hofe stand, Wie man noch zur Kurzweil pflegt in allem Land, Wie stand dann so minniglich das Sieglindenkind, Daß manche Frau ihm heimlich war von Herzen hold gesinnt. 141 Er gedacht auch manchmaname = "note" «Wie soll das geschehn, Daß ich das edle Mägdlein mit Augen möge sehn, Die ich von Herzen minne, wie ich schon längst gethan? Die ist mir noch gar fremde; mit Trauern denk ich daran.» 142 So oft die reichen Könige ritten in ihr Land, So musten auch die Recken mit ihnen all zur Hand. Auch Siegfried ritt mit ihnen: das war der Frauen leid; Er litt von ihrer Minne auch Beschwer zu mancher Zeit. 143 So wohnt’ er bei den Herren, das ist alles wahr, In König Gunthers Lande völliglich ein Jahr, Daß er die Minnigliche in all der Zeit nicht sah, Durch die ihm bald viel Liebes und auch viel Leides geschah. Abenteuer 4
Wie Siegfried mit den Sachsen stritt
144 Da kamen fremde Mären in König Gunthers Land Durch Boten aus der Ferne ihnen zugesandt Von unbekannten Recken, die ihnen trugen Haß Als sie die Rede hörten, gar sehr betrübte sie das. 145 Die will ich euch nennen: es war Lüdeger Aus der Sachsen Lande, ein mächtger König hehr; Dazu vom Dänenlande der König Lüdegast: Die gewannen zu dem Kriege gar manchen herrlichen Gast. 146 Ihre Boten kamen in König Gunthers Land, Die seine Widersacher hatten hingesandt. Da frug man um die Märe die Unbekannten gleich Und führte bald die Boten zu Hofe vor den König reich. 147 Schön grüßte sie der König und sprach: «Seid willkommen! Wer euch hieher gesendet, hab ich noch nicht vernommen: Das sollt ihr hören laßen,» sprach der König gut. Da bangten sie gewaltig vor des grimmen Gunther Muth. 148 «Wollt ihr uns, Herr, erlauben, daß wir euch Bericht Von unsrer Märe sagen, wir hehlen sie euch nicht. Wir nennen euch die Herren, die uns hieher gesandt: Lüdegast und Lüdeger die suchen heim euer Land. 149 Ihren Zorn habt ihr verdienet: wir vernahmen das Gar wohl, die Herren tragen euch beide großen Haß. Sie wollen heerfahrten gen Worms an den Rhein; Ihnen helfen viel der Degen: laßt euch das zur Warnung sein.» 150 «Binnen zwölf Wochen muß ihre Fahrt geschehn; Habt ihr nun guter Freunde, so laßt es bald ersehn, Die euch befrieden helfen die Burgen und das Land: Hier werden sie verhauen manchen Helm und Schildesrand.» 151 «Oder wollt ihr unterhandeln, so macht es offenbar; So reitet euch so nahe nicht gar manche Schar Eurer starken Feinde zu bitterm Herzeleid, Davon verderben müßen viel der Ritter kühn im Streit.» 152 «Nun harrt eine Weile (ich künd euch meinen Muth), Bis ich mich recht bedachte,» sprach der König gut. «Hab ich noch Getreue, denen will ichs sagen, Diese schwere Botschaft muß ich meinen Freunden klagen.» 153 Dem mächtigen Gunther war es leid genug; Den Botenspruch er heimlich in seinem Herzen trug. Er hieß berufen Hagen und Andr’ in seinem Lehn Und hieß auch gar geschwinde zu Hof nach Gernoten gehn. 154 Da kamen ihm die Besten, so viel man deren fand. Er sprach: «Die Feinde wollen heimsuchen unser Land Mit starken Heerfahrten; das sei euch geklagt. Es ist gar unverschuldet, daß sie uns haben widersagt.» 155 «Dem wehren wir mit Schwertern,» sprach da Gernot, «Da sterben nur, die müßen: die laßet liegen todt. Ich werde nicht vergeßen darum der Ehre mein: Unsre Widersacher sollen uns willkommen sein.» 156 Da sprach von Tronje Hagen: «Das dünkt mich nicht gut; Lüdegast und Lüdeger sind voll Uebermuth. Wir können uns nicht sammeln in so kurzen Tagen,» So sprach der kühne Recke: «ihr sollt es Siegfrieden sagen.» 157 Da gab man den Boten Herbergen in der Stadt. Wie feind sie ihnen waren, sie gut zu pflegen bat Gunther der reiche, das war wohlgethan, Bis er erprobt an Freunden, wer ihm zu Hülfe zög heran. 158 Der König trug im Herzen Sorge doch und Leid. Da sah ihn also trauern ein Ritter allbereit, Der nicht wißen konnte, was ihm war geschehn: Da bat er König Gunthern, ihm den Grund zu gestehn. 159 «Mich nimmt höchlich Wunder,» sprach da Siegfried, «Wie die frohe Weise so völlig von euch schied, Deren ihr so lange mit uns mochtet pflegen.» Zur Antwort gab ihm Gunther, dieser zierliche Degen: 160 «Wohl mag ich allen Leuten nicht von dem Leide sagen, Das ich muß verborgen in meinem Herzen tragen: Stäten Freunden klagen soll man des Herzens Noth.» Siegfriedens Farbe ward da bleich und wieder roth. 161 Er sprach zu dem Könige: «Was blieb euch je versagt? Ich will euch wenden helfen das Leid, das ihr klagt. Wollt ihr Freunde suchen, so will ich einer sein Und getrau es zu vollbringen mit Ehren bis ans Ende mein.» 162 «Nun lohn euch Gott, Herr Siegfried, die Rede dünkt mich gut; Und kann mir auch nicht helfen eure Kraft und hoher Muth, So freut mich doch die Märe, daß ihr so hold mir seid: Leb ich noch eine Weile, ich vergelt es mit der Zeit. 163 Ich will euch hören laßen, was mich traurig macht. Von Boten meiner Feinde ward mir hinterbracht, Mit Heerfahrten kämen sie mich zu suchen hie: Das geschah uns von Degen in diesen Landen noch nie.» 164 «Das laßt euch nicht betrüben,» sprach da Siegfried, «Sänftet eur Gemüthe und thut, wie ich euch rieth: Laßt mich euch erwerben Ehre so wie Frommen, Bevor eure Feinde her zu diesen Landen kommen.» 165 «Und hätten dreißigtausend Helfer sich ersehn Eure starken Feinde, doch wollt ich sie bestehn, Hätt ich auch selbst nur tausend: verlaßt euch auf mich.» Da sprach der König Gunther: «Das verdien ich stäts um dich.» 166 «So heißt mir eurer Leute gewinnen tausend Mann, Da ich von den Meinen nicht mehr hier stellen kann Als der Recken zwölfe; so wehr ich euer Land. Immer soll getreulich euch dienen Siegfriedens Hand.» 167 «Dazu soll Hagen helfen und auch Ortewein, Dankwart und Sindold, die lieben Recken dein. Auch soll da mit uns reiten Volker der kühne Mann: Der soll die Fahne führen: keinen Beßern trefft ihr an.» 168 «Und laßt die Boten reiten heim in ihrer Herren Land; Daß sie uns bald da sehen, macht ihnen das bekannt, So daß unsre Burgen befriedet mögen sein.» Der König hieß besenden Freund und Mannen insgemein. 169 Zu Hofe giengen wieder Die Lüdeger gesandt; Sie freuten sich der Reise zurück ins Heimatland. Ihnen bot da reiche Gabe Gunther der König gut Und sicheres Geleite: des waren sie wohlgemuth. 170 «Nun sagt,» sprach da Gunther, «meinen starken Feinden an, Ihre Reise bliebe beßer ungethan; Doch wollten sie mich suchen hier in meinem Land, Wir zerrännen denn die Freunde, ihnen werde Noth bekannt.» 171 Den Boten reiche Gaben man da zur Stelle trug: Deren hatte Gunther zu geben genug. Das durften nicht verschmähen Die Lüdeger gesandt. Sie baten um Urlaub und räumten fröhlich das Land. 172 Als die Boten waren gen Dänemark gekommen, Und der König Lüdegast den Bericht vernommen, Was sie am Rhein geredet, als das ihm ward gesagt, Seine übermüthge Botschaft ward da bereut und beklagt. 173 Sie sagten ihm, sie hätten manch kühnen Mann im Lehn: «Darunter sah man Einen vor König Gunthern stehn, Der war geheißen Siegfried, ein Held aus Niederland.» Leid wars Lüdegasten, als er die Dinge so befand. 174 Als Die vom Dänenlande hörten diese Mär, Da eilten sie, der Helfer zu gewinnen desto mehr, Bis der König Lüdegast zwanzigtausend Mann Seiner kühnen Degen zu seiner Heerfahrt gewann. 175 Da besandte sich von Sachsen auch König Lüdeger, Bis sie vierzigtausend hatten und wohl mehr, Die mit ihnen ritten gen Burgundenland. Da hatt auch schon zu Hause der König Gunther gesandt 176 Zu seinen nächsten Freunden und seiner Brüder Heer, Womit sie fahren wollten im Kriegszug einher, Und auch mit Hagens Recken: das that den Helden Noth. Darum musten Degen bald erschauen den Tod. 177 Sie schickten sich zur Reise; sie wollten nun hindann. Die Fahne muste führen Volker der kühne Mann, Da sie reiten wollten von Worms über Rhein; Hagen von Tronje der muste Scharmeister sein. 178 Mit ihnen ritt auch Sindold und der kühne Hunold, Die wohl verdienen konnten reicher Könge Gold. Dankwart, Hagens Bruder, und auch Ortewein Die mochten wohl mit Ehren bei dem Heerzuge sein. 179 «Herr König,» sprach da Siegfried, «bleibet ihr zu Haus: Da mir eure Degen folgen zu dem Strauß, So weilt bei den Frauen und tragt hohen Muth: Ich will euch wohl behüten die Ehre so wie das Gut.» 180 «Die euch heimsuchen wollten zu Worms an dem Rhein, Will euch davor bewahren, daß sie euch schädlich sei’n: Wir wollen ihnen reiten so nah ins eigne Land, Daß ihnen bald in Sorge der Uebermuth wird gewandt.» 181 Vom Rheine sie durch Hessen mit ihren Helden ritten Nach dem Sachsenlande: da wurde bald gestritten. Mit Raub und mit Brande verheerten sie das Land, Daß bald den Fürsten beiden ward Noth und Sorge bekannt. 182 Sie kamen an die Marke; die Knechte rückten an. Siegfried der starke zu fragen da begann: «Wer soll nun der Hüter des Gesindes sein?» Wohl konnte nie den Sachsen ein Heerzug übler gedeihn. 183 Sie sprachen: «Laßt der Knappen hüten auf den Wegen Dankwart den kühnen, das ist ein schneller Degen: Wir verlieren desto minder durch Die in Lüdgers Lehn; Laßt ihn mit Ortweinen hie die Nachhut versehn.» 184 «So will ich selber reiten,» sprach Siegfried der Degen, «Den Feinden gegenüber der Warte zu pflegen, Bis ich recht erkunde, wo die Recken sind.» Da stand bald in den Waffen der schönen Siegelinde Kind. 185 Das Volk befahl er Hagen, als er zog hindann, Ihm und Gernoten, diesem kühnen Mann. So ritt er hin alleine in der Sachsen Land, Wo er die rechte Märe wohl bald mit Ehren befand. 186 Er sah ein groß Geschwader, das auf dem Felde zog, Und die Kraft der Seinen gewaltig überwog: Es waren vierzigtausend oder wohl noch mehr. Siegfried in hohem Muthe sah gar fröhlich das Heer. 187 Da hatte sich ein Recke auch aus der Feinde Schar Erhoben auf die Warte, der wohl gewappnet war: Den sah der Degen Siegfried und ihn der kühne Mann; Jedweder auf den andern mit Zorn zu blicken begann. 188 Ich sag euch, wer der wäre, der hier der Warte pflag; Ein lichter Schild von Golde ihm vor der Linken lag. Es war der König Lüdegast, der hütete sein Heer. Der edle Fremdling sprengte herrlich wider ihn einher. 189 Nun hatt auch ihn Herr Lüdegast sich feindlich erkoren: Ihre Rosse reizten Beide zur Seite mit den Sporen; Sie neigten auf die Schilde mit aller Macht den Schaft: Da kam der hehre König darob in großer Sorgen Haft. 190 Dem Stich gehorsam trugen die Rosse pfeilgeschwind Die Könige zusammen, als wehte sie der Wind; Dann mit den Zäumen wandten sie ritterlich zurück: Die grimmen Zwei versuchten da mit dem Schwerte das Glück. 191 Da schlug der Degen Siegfried, das Feld erscholl umher. Aus dem Helme stoben, als obs von Bränden wär, Die feuerrothen Funken von des Helden Hand; Da stritt mit großen Kräften der kühne Vogt von Niederland. 192 Auch ihm schlug Herr Lüdegast manch grimmen Schlag; Jedweder auf dem Schilde mit ganzer Stärke lag. Da hatten es wohl dreißig erspäht aus seiner Schar: Eh die ihm Hülfe brachten, der Sieg doch Siegfrieden war 193 Mit drei starken Wunden, die er dem König schlug Durch einen lichten Harnisch; der war doch fest genug. Das Schwert mit seiner Schärfe entlockte Wunden Blut; Da gewann König Lüdegast einen traurigen Muth. 194 Er bat ihn um sein Leben und bot ihm all sein Land Und sagt’ ihm, er wäre Lüdegast genannt. Da kamen seine Recken: die hatten wohl gesehn, Was da von ihnen beiden auf der Warte war geschehn. 195 Er führt’ ihn gern von dannen: da ward er angerannt Von dreißig seiner Mannen; doch wehrte seine Hand Seinen edeln Geisel mit ungestümen Schlägen. Bald that noch größern Schaden dieser zierliche Degen. 196 Die Dreißig zu Tode wehrlich er schlug; Ihrer Einen ließ er leben: der ritt da schnell genug Und brachte hin die Märe von dem, was hier geschehn; Auch konnte man die Wahrheit an seinem rothen Helme sehn. 197 Gar leid wars den Recken aus dem Dänenland, Als ihres Herrn Gefängniss ihnen ward bekannt. Man sagt’ es seinem Bruder: der fieng zu toben an In ungestümem Zorne: ihm war gar wehe gethan. 198 Lüdegast der König war hinweggebracht Zu Gunthers Ingesinde von Siegfrieds Uebermacht. Er befahl ihn Hagen: der kühne Recke gut, Als er vernahm die Märe, da gewann er fröhlichen Muth. 199 Man gebot den Burgunden: «Die Fahne bindet an.» «Wohlauf,» sprach da Siegfried, «hier wird noch mehr gethan Vor Abendzeit, verlier ich Leben nicht und Leib: Das betrübt im Sachsenlande noch manches waidliche Weib.» 200 «Ihr Helden vom Rheine, ihr sollt mein nehmen wahr: Ich kann euch wohl geleiten zu Lüdegers Schar. Da seht ihr Helme hauen von guter Helden Hand: Eh wir uns wieder wenden, wird ihnen Sorge bekannt.» 201 Zu den Rossen sprangen Gernot und Die ihm unterthan. Die Heerfahne faßte der kühne Spielmann, Volker der Degen, und ritt der Schar vorauf. Da war auch das Gesinde zum Streite muthig und wohlauf. 202 Sie führten doch der Degen nicht mehr denn tausend Mann, Darüber zwölf Recken. Zu stieben da begann Der Staub von den Straßen: sie ritten über Land; Man sah von ihnen scheinen manchen schönen Schildesrand. 203 Nun waren auch die Sachsen gekommen und ihr Heer Mit Schwertern wohlgewachsen; die Klingen schnitten sehr, Das hab ich wohl vernommen, den Helden an der Hand: Da wollten sie die Gäste von Burgen wehren und Land. 204 Der Herren Scharmeister führten das Volk heran. Da war auch Siegfried kommen mit den zwölf Mann, Die er mit sich führte aus dem Niederland. Des Tags sah man im Sturme manche blutige Hand. 205 Sindold und Hunold und auch Gernot Die schlugen in dem Streite viel der Helden todt, Eh sie ihrer Kühnheit noch selber mochten traun: Das musten bald beweinen viel der waidlichen Fraun. 206 Volker und Hagen und auch Ortwein Leschten in dem Streite manches Helmes Schein Mit fließendem Blute, die Kühnen in der Schlacht. Von Dankwarten wurden viel große Wunder vollbracht. 207 Da versuchten auch die Dänen waidlich ihre Hand; Von Stößen laut erschallte mancher Schildesrand Und von den scharfen Schwertern, womit man Wunden schlug. Die streitkühnen Sachsen thaten Schadens auch genug. 208 Als die Burgunden drangen in den Streit, Von ihnen ward gehauen manche Wunde weit: Ueber die Sättel fließen sah man das Blut; So warben um die Ehre diese Ritter kühn und gut. 209 Man hörte laut erhallen den Helden an der Hand Ihre scharfen Waffen, als Die von Niederland Ihrem Herrn nachdrangen in die dichten Reihn; Die zwölfe kamen ritterlich zugleich mit Siegfried hinein. 210 Deren vom Rheine kam ihnen Niemand nach. Man konnte fließen sehen den blutrothen Bach Durch die lichten Helme von Siegfriedens Hand, Eh er Lüdegeren vor seinen Heergesellen fand. 211 Dreimal die Kehre hat er nun genommen Bis an des Heeres Ende; da war auch Hagen kommen: Der half ihm wohl vollbringen im Kampfe seinen Muth. Da muste bald ersterben vor ihnen mancher Ritter gut. 212 Als der starke Lüdeger Siegfrieden fand, Wie er so erhaben trug in seiner Hand Balmung den guten und da so Manchen schlug, Darüber ward der Kühne vor Zorn ingrimmig genug. 213 Da gab es stark Gedränge und lauten Schwerterklang, Wo ihr Ingesinde auf einander drang. Da versuchten desto heftiger die beiden Recken sich; Die Scharen wichen beide: der Kämpen Haß ward fürchterlich. 214 Dem Vogt vom Sachsenlande war es wohl bekannt, Sein Bruder sei gefangen: drum war er zornentbrannt; Nicht wust er, ders vollbrachte, sei der Sieglindensohn. Man zeihte des Gernoten; hernach befand er es schon. 215 Da schlug so starke Schläge Lüdegers Schwert, Siegfrieden unterm Sattel niedersank das Pferd; Doch bald erhob sichs wieder: der kühne Siegfried auch Gewann jetzt im Sturme einen furchtbaren Brauch. 216 Dabei half ihm Hagen wohl und Gernot, Dankwart und Volker: da lagen Viele todt. Sindold und Hunold und Ortwein der Degen Die konnten in dem Streite zum Tode Manchen niederlegen. 217 Untrennbar im Kampfe waren die Fürsten hehr. Ueber die Helme fliegen sah man manchen Sper Durch die lichten Schilde von der Helden Hand; Auch ward von Blut geröthet mancher herrliche Rand. 218 In dem starken Sturme sank da mancher Mann Von den Rossen nieder. Einander rannten an Siegfried der kühne und König Lüdeger; Man sah da Schäfte fliegen und manchen schneidigen Sper. 219 Der Schildbeschlag des Königs zerstob vor Siegfrieds Hand. Sieg zu erwerben dachte der Held von Niederland An den kühnen Sachsen; die litten Ungemach. Hei! was da lichte Panzer der kühne Dankwart zerbrach! 220 Da hatte König Lüdeger auf einem Schild erkannt Eine gemalte Krone vor Siegfriedens Hand: Da sah er wohl, es wäre der kraftreiche Mann. Laut auf zu seinen Freunden der Held zu rufen begann: 221 «Begebt euch des Streites, ihr all mir unterthan! Den Sohn König Siegmunds traf ich hier an, Siegfried den starken hab ich hier erkannt; Den hat der üble Teufel her zu den Sachsen gefandt.» 222 Er gebot die Fahnen zu senken in dem Streit. Friedens er begehrte: der ward ihm nach der Zeit; Doch must er Geisel werden in König Gunthers Land: Das hatt an ihm erzwungen des kühnen Siegfriedes Hand. 223 Nach allgemeinem Rathe ließ man ab vom Streit. Viel zerschlagner Helme und der Schilde weit Legten sie aus Händen; so viel man deren fand, Die waren blutgeröthet von der Burgunden Hand. 224 Sie fiengen, wen sie wollten: sie hatten volle Macht. Gernot und Hagen, die schnellen, hatten Acht, Daß man die Wunden bahrte; da führten sie hindann Gefangen nach dem Rheine der Kühnen fünfhundert Mann. 225 Die sieglosen Recken zum Dänenlande ritten. Da hatten auch die Sachsen so tapfer nicht gestritten, Daß man sie loben sollte: das war den Helden leid. Da beklagten ihre Freunde die Gefallnen in dem Streit. 226 Sie ließen ihre Waffen aufsäumen nach dem Rhein. Es hatte wohl geworben mit den Gefährten sein Siegfried der starke und hatt es gut vollbracht: Das must ihm zugestehen König Gunthers ganze Macht. 227 Gen Worms sandte Boten der König Gernot: Daheim in seinem Lande den Freunden er entbot, Wie ihm gelungen wäre und all seinem Lehn: Es war da von den Kühnen nach allen Ehren geschehn. 228 Die Botenknaben liefen; so ward es angesagt. Da freuten sich in Liebe, die eben Leid geklagt, Dieser frohen Märe, die ihnen war gekommen. Da ward von edlen Frauen großes Fragen vernommen, 229 Wie es den Herrn gelungen wär in des Königs Heer. Man rief der Boten Einen zu Kriemhilden her. Das geschah verstohlen, sie durfte es wohl nicht laut: Denn Einer war darunter, dem sie längst ihr Herz vertraut. 230 Als sie in ihre Kammer den Boten kommen sah, Kriemhild die schöne gar gütlich sprach sie da: «Nun sag mir liebe Märe, so geb ich dir mein Gold, Und thust dus ohne Trügen, will ich dir immer bleiben hold.» 231 «Wie schied aus dem Streite mein Bruder Gernot Und meine andern Freunde? Blieb uns nicht Mancher todt? Wer that da das Beste? das sollst du mir sagen» Da sprach der biedre Bote: «Wir hatten nirgend einen Zagen.» 232 «Zuvorderst in dem Streite ritt Niemand so wohl, Hehre Königstochter, wenn ich es sagen soll, Als der edle Fremdling aus dem Niederland: Da wirkte große Wunder des kühnen Siegfriedes Hand.» 233 «Was von den Recken allen im Streit da geschehn, Dankwart und Hagen und des Königs ganzem Lehn, Wie wehrlich sie auch stritten, das war doch wie ein Wind Nur gegen Siegfrieden, König Siegmundens Kind.» 234 «Sie haben in dem Sturme der Helden viel erschlagen; Doch möcht euch dieser Wunder ein Ende Niemand sagen, Die da Siegfried wirkte, ritt er in den Streit. Den Fraun an ihren Freunden that er mächtiges Leid.» 235 «Auch muste vor ihm fallen der Friedel mancher Braut. Seine Schläge schollen auf Helmen also laut, Daß sie aus Wunden brachten das fließende Blut: Er ist in allen Dingen ein Ritter kühn und auch gut.» 236 «Da hat auch viel begangen von Metz Herr Ortewein: Was er nur mocht erlangen mit dem Schwerte sein, Das fiel vor ihm verwundet oder meistens todt. Da schuf euer Bruder die allergrößeste Noth,» 237 «Die jemals in Stürmen mochte sein geschehn; Man muß dem Auserwählten die Wahrheit zugestehn. Die stolzen Burgunden bestanden so die Fahrt, Daß sie vor allen Schanden die Ehre haben bewahrt.» 238 «Man sah von ihren Händen der Sättel viel geleert, Als so laut das Feld erhallte von manchem lichten Schwert. Die Recken vom Rheine die ritten allezeit, Daß ihre Feinde beßer vermieden hätten den Streit.» 239 «Auch die kühnen Tronjer schufen großes Leid, Als mit Volkskräften das Heer sich traf im Streit. Da schlug so Manchen nieder des kühnen Hagen Hand, Es wäre viel zu sagen davon in der Burgunden Land.» 240 «Sindold und Hunold in Gernotens Heer Und Rumold der kühne schufen so viel Beschwer, König Lüdger mag es beklagen allezeit, Daß er meine Herren am Rhein berief in den Streit.» 241 «Kampf, den allerhöchsten, der irgend da geschah, Vom Ersten bis zum Letzten, den Jemand nur sah, Hat Siegfried gefochten mit wehrlicher Hand: Er bringt reiche Geisel her in König Gunthers Land.» 242 «Die zwang mit seinen Kräften der streitbare Held, Wovon der König Lüdegast den Schaden nun behält Und vom Sachsenlande sein Bruder Lüdeger. Nun hört meine Märe, viel edle Königin hehr!» 243 «Gefangen hat sie beide Siegfriedens Hand: Nie so mancher Geisel kam in dieses Land, Als nun seine Kühnheit bringt an den Rhein.» Ihr konnten diese Mären nicht willkommener sein. 244 «Man führt der Gesunden fünfhundert oder mehr Und der zum Sterben Wunden, wißt, Königin hehr, Wohl achtzig blutge Bahren her in unser Land: Die hat zumeist verhauen des kühnen Siegfriedes Hand.» 245 «Die uns im Uebermuthe widersagten hier am Rhein, Die müßen nun Gefangene König Gunthers sein; Die bringt man mit Freuden her in dieses Land.» Ihre lichte Farb erblühte, als ihr die Märe ward bekannt. 246 Ihr schönes Antlitz wurde vor Freuden rosenroth, Da lebend war geschieden aus so großer Noth Der waidliche Recke, Siegfried der junge Mann. Sie war auch froh der Freunde und that wohl weislich daran. 247 Die Schöne sprach: «Du machtest mir frohe Mär bekannt: Ich laße dir zum Lohne geben reich Gewand, Und zehn Mark von Golde heiß ich dir tragen.» Drum mag man solche Botschaft reichen Frauen gerne sagen. 248 Man gab ihm zum Lohne das Gold und auch das Kleid. Da trat an die Fenster manche schöne Maid Und schaute nach der Straße, wo man reiten fand Viel hochherzge Degen in der Burgunden Land. 249 Da kamen die Gesunden, der Wunden Schar auch kam: Die mochten grüßen hören von Freunden ohne Scham. Der Wirth ritt seinen Gästen entgegen hocherfreut: Mit Freuden war beendet all sein mächtiges Leid. 250 Da empfieng er wohl die Seinen, die Fremden auch zugleich, Wie es nicht anders ziemte dem Könige reich, Als denen gütlich danken, die da waren kommen, Daß sie den Sieg mit Ehren im Sturme hatten genommen. 251 Herr Gunther ließ sich Kunde von seinen Freunden sagen, Wer ihm auf der Reise zu Tode wär erschlagen, Da hatt er nicht verloren mehr als sechzig Mann; Die muste man verschmerzen, wie man noch Manchen gethan. 252 Da brachten die Gesunden zerhauen manchen Rand Und viel zerschlagener Helme in König Gunthers Land. Das Volk sprang von den Rossen vor des Königs Saal; Zu liebem Empfange vernahm man fröhlichen Schall. 253 Da gab man Herbergen den Recken in der Stadt. Der König seine Gäste wohl zu verpflegen bat; Die Wunden ließ er hüten und warten fleißiglich. Wohl zeigte seine Milde auch an seinen Feinden sich. 254 Er sprach zu Lüdegeren: «Nun seid mir willkommen! Ich bin zu großem Schaden durch eure Schuld gekommen: Der wird mir nun vergolten, wenn ich das schaffen kann. Gott lohne meinen Freunden: sie haben wohl an mir gethan.» 255 «Wohl mögt ihr ihnen danken,» sprach da Lüdeger, «Solche hohe Geisel gewann kein König mehr. Um ritterlich Gewahrsam bieten wir großes Gut Und bitten, daß ihr gnädiglich an euern Widersachern thut.» 256 «Ich will euch,» sprach er, «Beide ledig laßen gehn; Nur daß meine Feinde hier bei mir bestehn, Dafür verlang ich Bürgschaft, damit sie nicht mein Land Räumen ohne Frieden.» Darauf boten sie die Hand. 257 Man brachte sie zur Ruhe, wo man sie wohl verpflag. Und bald auf guten Betten mancher Wunde lag. Man schenkte den Gesunden Meth und guten Wein; Da konnte das Gesinde nicht wohl fröhlicher sein. 258 Die zerhaunen Schilde man zum Verschluße trug; Blutgefärbter Sättel sah man da genug. Die ließ man verbergen, so weinten nicht die Fraun. Da waren reisemüde viel gute Ritter zu schaun. 259 Seiner Gäste pflegen hieß der König wohl; Von Heimischen und Fremden lag das Land ihm voll; Er ließ die Fährlichwunden gütlich verpflegen: Wie hart war darnieder nun ihr Uebermuth gelegen! 260 Die Arzneikunst wusten, denen bot man reichen Sold, Silber ungewogen, dazu das lichte Gold, Wenn sie die Helden heilten nach des Streites Noth. Dazu viel große Gaben der König seinen Gästen bot. 261 Wer wieder heimzureisen sann in seinem Muth, Den bat man noch zu bleiben, wie man mit Freunden thut. Der König gieng zu Rathe, wie er lohne seinem Lehn: Durch sie war sein Wille nach allen Ehren geschehn. 262 Da sprach der König Gernot: «Laßt sie jetzt hindann; Ueber sechs Wochen, das kündigt ihnen an, Sollten sie wiederkehren zu einem Hofgelag: Heil ist dann wohl Mancher, der jetzt schwer verwundet lag.» 263 Da bat auch um Urlaub Siegfried von Niederland. Als dem König Gunther sein Wille ward bekannt, Bat er ihn gar minniglich, noch bei ihm zu bestehn; Wenn nicht um seine Schwester, so wär es nimmer geschehn. 264 Dazu war er zu mächtig, daß man ihm böte Sold, So sehr er es verdiente. Der König war ihm hold Und all seine Freunde, die das mit angesehn, Was da von seinen Händen war im Streite geschehn. 265 Er dachte noch zu bleiben um die schöne Maid; Vielleicht, daß er sie sähe. Das geschah auch nach der Zeit: Wohl nach seinem Wunsche ward sie ihm bekannt. Dann ritt er reich an Freuden heim in seines Vaters Land. 266 Der Wirth bat alle Tage des Ritterspiels zu pflegen; Das that mit gutem Willen mancher junge Degen. Auch ließ er Sitz’ errichten vor Worms an dem Strand Für Die da kommen sollten in der Burgunden Land. 267 Nun hatt auch in den Tagen, als sie sollten kommen, Kriemhild die schöne die Märe wohl vernommen, Er stell ein Hofgelage mit lieben Freunden an. Da dachten schöne Frauen mit großem Fleiße daran, 268 Gewand und Band zu suchen, das sie wollten tragen. Ute die reiche vernahm die Märe sagen Von den stolzen Recken, die da sollten kommen: Da wurden aus dem Einschlag viele reiche Kleider genommen. 269 Ihrer Kinder halb bereiten ließ sie Rock und Kleid, Womit sich da zierten viel Fraun und manche Maid Und viel der jungen Recken aus Burgundenland. Sie ließ auch manchem Fremden bereiten herrlich Gewand. Abenteuer 5
Wie Siegfried Kriemhilden zuerst ersah
270 Man sah die Helden täglich nun reiten an den Rhein, Die bei dem Hofgelage gerne wollten sein Und den Königen zu Liebe kamen in das Land. Man gab ihrer Vielen beides, Ross und Gewand. 271 Es war auch das Gestühle allen schon bereit, Den Höchsten und den Besten, so hörten wir Bescheid, Zweiunddreißig Fürsten zu dem Hofgelag: Da zierten um die Wette sich die Frauen für den Tag. 272 Gar geschäftig sah man Geiselher das Kind. Die Heimischen und Fremden empfieng er holdgesinnt Mit Gernot seinem Bruder und beider Mannen da. Wohl grüßten sie die Degen, wie es nach Ehren geschah. 273 Viel goldrother Sättel führten sie ins Land, Zierliche Schilde und herrlich Gewand Brachten sie zu Rheine bei dem Hofgelag. Mancher Ungesunde hieng der Freude wieder nach. 274 Die wund zu Bette liegend vordem gelitten Noth, Die durften nun vergeßen, wie bitter sei der Tod; Die Siechen und die Kranken vergaß man zu beklagen. Es freute sich ein Jeder entgegen festlichen Tagen: 275 Wie sie da leben wollten in gastlichem Genuß! Wonnen ohne Maßen, der Freuden Ueberfluß Hatten alle Leute, so viel man immer fand: Da hub sich große Wonne über Gunthers ganzes Land. 276 An einem Pfingstmorgen sah man sie alle gehn Wonniglich gekleidet, viel Degen ausersehn, Fünftausend oder drüber, dem Hofgelag entgegen. Da hub um die Wette sich viel Kurzweil allerwegen. 277 Der Wirth hatt im Sinne, was er schon längst erkannt, Wie von ganzem Herzen der Held von Niederland Seine Schwester liebe, sah er sie gleich noch nie, Der man das Lob der Schönheit vor allen Jungfrauen lieh. 278 Er sprach: «Nun rathet Alle, Freund oder Unterthan, Wie wir das Hofgelage am besten stellen an, Daß man uns nicht schelte darum nach dieser Zeit; Zuletzt doch an den Werken liegt das Lob, das man uns beut.» 279 Da sprach zu dem Könige von Metz Herr Ortewein: «Soll dieß Hofgelage mit vollen Ehren sein, So laßt eure Gäste die schönen Kinder sehn, Denen so viel Ehren in Burgundenland geschehn.» 280 «Was wäre Mannes Wonne, was freut’ er sich zu schaun, Wenn nicht schöne Mägdelein und herrliche Fraun? Drum laßt eure Schwester vor die Gäste gehn.» Der Rath war manchem Helden zu hoher Freude geschehn. 281 «Dem will ich gerne folgen,» der König sprach da so. Alle, die’s erfuhren, waren darüber froh. Er entbot es Frauen Uten und ihrer Tochter schön, Daß sie mit ihren Maiden hin zu Hofe sollten gehn. 282 Da ward aus den Schreinen gesucht gut Gewand, So viel man eingeschlagen der lichten Kleider fand, Der Borten und der Spangen; des lag genug bereit. Da zierte sich gar minniglich manche waidliche Maid. 283 Mancher junge Recke wünschte heut so sehr, Daß er wohlgefallen möchte den Frauen hehr, Das er dafür nicht nähme ein reiches Königsland: Sie sahen die gar gerne, die sie nie zuvor gekannt. 284 Da ließ der reiche König mit seiner Schwester gehn Hundert seiner Recken, zu ihrem Dienst ersehn Und dem ihrer Mutter, die Schwerter in der Hand: Das war das Hofgesinde in der Burgunden Land. 285 Ute die reiche sah man mit ihr kommen, Die hatte schöner Frauen sich zum Geleit genommen Hundert oder drüber, geschmückt mit reichem Kleid. Auch folgte Kriemhilden manche waidliche Maid. 286 Aus einer Kemenate sah man sie alle gehn: Da muste heftig Drängen von Helden bald geschehn, Die alle harrend standen, ob es möchte sein, Daß sie da fröhlich sähen dieses edle Mägdelein. 287 Da kam die Minnigliche, wie das Morgenroth Tritt aus trüben Wolken. Da schied von mancher Noth, Der sie im Herzen hegte, was lange war geschehn. Er sah die Minnigliche nun gar herrlich vor sich stehn. 288 Von ihrem Kleide leuchtete mancher edle Stein; Ihre rosenrothe Farbe gab wonniglichen Schein. Was Jemand wünschen mochte, er muste doch gestehn, Daß er hier auf Erden noch nicht so Schönes gesehn. 289 Wie der lichte Vollmond vor den Sternen schwebt, Des Schein so hell und lauter sich aus den Wolken hebt, So glänzte sie in Wahrheit vor andern Frauen gut: Das mochte wohl erhöhen den zieren Helden den Muth. 290 Die reichen Kämmerlinge schritten vor ihr her; Die hochgemuthen Degen ließen es nicht mehr: Sie drängten, daß sie sähen die minnigliche Maid. Siegfried dem Degen war es lieb und wieder leid. 291 Er sann in seinem Sinne: «Wie dacht ich je daran, Daß ich dich minnen sollte? das ist ein eitler Wahn; Soll ich dich aber meiden, so wär ich sanfter todt.» Er ward von Gedanken oft bleich und oft wieder roth. 292 Da sah man den Sigelindensohn so minniglich da stehn, Als wär er entworfen auf einem Pergamen Von guten Meisters Händen: gern man ihm zugestand, Daß man nie im Leben so schönen Helden noch fand. 293 Die mit Kriemhilden giengen, die hießen aus den Wegen Allenthalben weichen: dem folgte mancher Degen. Die hochgetragnen Herzen freute man sich zu schaun: Man sah in hohen Züchten viel der herrlichen Fraun. 294 Da sprach von Burgunden der König Gernot: «Dem Helden, der so gütlich euch seine Dienste bot, Gunther, lieber Bruder, dem bietet hier den Lohn Vor allen diesen Recken: des Rathes spricht man mir nicht Hohn.» 295 «Heißet Siegfrieden zu meiner Schwester kommen, Daß ihn das Mägdlein grüße: das bringt uns immer Frommen: Die niemals Recken grüßte, soll sein mit Grüßen pflegen, Daß wir uns so gewinnen diesen zierlichen Degen.» 296 Des Wirthes Freunde giengen dahin, wo man ihn fand; Sie sprachen zu dem Recken aus dem Niederland: «Der König will erlauben, ihr sollt zu Hofe gehn, Seine Schwester soll euch grüßen: die Ehre soll euch geschehn.» 297 Der Rede ward der Degen in seinem Muth erfreut: Er trug in seinem Herzen Freude sonder Leid, Daß er der schönen Ute Tochter sollte sehn. In minniglichen Züchten empfieng sie Siegfrieden schön. 298 Als sie den Hochgemuthen vor sich stehen sah, Ihre Farbe ward entzündet; die Schöne sagte da: «Willkommen, Herr Siegfried, ein edler Ritter gut.» Da ward ihm von dem Gruße gar wohl erhoben der Muth. 299 Er neigte sich ihr minniglich, als er den Dank ihr bot. Da zwang sie zu einander sehnender Minne Noth; Mit liebem Blick der Augen sahn einander an Der Held und auch das Mägdelein; das ward verstohlen gethan. 300 Ward da mit sanftem Drucke geliebkost weiße Hand In herzlicher Minne, das ist mir unbekannt. Doch kann ich auch nicht glauben, sie hättens nicht gethan. Liebebedürftige Herzen thäten Unrecht daran. 301 Zu des Sommers Zeiten und in des Maien Tagen Durft er in seinem Herzen nimmer wieder tragen So viel hoher Wonne, als er da gewann, Da die ihm an der Hand gieng, die der Held zu minnen sann. 302 Da gedachte mancher Recke: «Hei! wär mir so geschehn, Daß ich so bei ihr gienge, wie ich ihn gesehn, Oder bei ihr läge! das nähm ich willig hin.» Es diente nie ein Recke so gut noch einer Königin. 303 Aus welchen Königs Landen ein Gast gekommen war, Er nahm im ganzen Saale nur dieser beiden wahr. Ihr ward erlaubt zu küssen den waidlichen Mann: Ihm ward in seinem Leben nie so Liebes gethan. 304 Von Dänemark der König hub an und sprach zur Stund: «Des hohen Grußes willen liegt gar Mancher wund, Wie ich wohl hier gewahre, von Siegfriedens Hand: Gott laß ihn nimmer wieder kommen in der Dänen Land.» 305 Da hieß man allenthalben weichen aus den Wegen Kriemhild der Schönen; manchen kühnen Degen Sah man wohlgezogen mit ihr zur Kirche gehn. Bald ward von ihr geschieden dieser Degen ausersehn. 306 Da gieng sie zu dem Münster und mit ihr viel der Fraun. Da war in solcher Zierde die Königin zu schaun, Daß da hoher Wünsche mancher ward verloren; Sie war zur Augenweide viel der Recken auserkoren. 307 Kaum erharrte Siegfried, bis schloß der Messgesang; Er mochte seinem Heile des immer sagen Dank, Daß ihm so gewogen war, die er im Herzen trug: Auch war er der Schönen nach Verdiensten hold genug. 308 Als sie aus dem Münster nach der Messe kam, Lud man wieder zu ihr den Helden lobesam. Da begann ihm erst zu danken die minnigliche Maid, Daß er vor allen Recken so kühn gefochten im Streit. 309 «Nun lohn euch Gott, Herr Siegfried,» sprach das schöne Kind, «Daß ihr das verdientet, daß euch die Recken sind So hold mit ganzer Treue, wie sie zumal gestehn.» Da begann er Frau Kriemhilden minniglich anzusehn. 310 «Stäts will ich ihnen dienen,» sprach Stegfried der Degen, «Und will mein Haupt nicht eher zur Ruhe niederlegen, Bis ihr Wunsch geschehen, so lang mein Leben währt: Das thu ich, Frau Kriemhild, daß ihr mir Minne gewährt.» 311 Innerhalb zwölf Tagen, so oft es neu getagt, Sah man bei dem Degen die wonnigliche Magd, So sie zu Hofe durfte vor ihren Freunden gehn. Der Dienst war dem Recken aus großer Liebe geschehn. 312 Freude und Wonne und lauten Schwerterschall Vernahm man alle Tage vor König Gunthers Saal, Davor und darinnen von manchem kühnen Mann. Von Ortwein und Hagen wurden Wunder viel gethan. 313 Was man zu üben wünschte, dazu sah man bereit In völligem Maße die Degen kühn im Streit. Da machten vor den Gästen die Recken sich bekannt; Es war eine Zierde König Gunthers ganzem Land. 314 Die lange wund gelegen, wagten sich an den Wind: Sie wollten kurzweilen mit des Königs Ingesind, Schirmen mit den Schilden und schießen manchen Schaft. Des halfen ihnen Viele; sie hatten größliche Kraft. 315 Bei dem Hofgelage ließ sie der Wirth verpflegen Mit der besten Speise; es durfte sich nicht regen Nur der kleinste Tadel, der Fürsten mag entstehn; Man sah ihn jetzo freundlich hin zu seinen Gästen gehn. 316 Er sprach: «Ihr guten Recken, bevor ihr reitet hin, So nehmt meine Gaben: also fleht mein Sinn, Ich will euch immer danken; verschmäht nicht mein Gut: Es unter euch zu theilen hab ich willigen Muth.» 317 Die vom Dänenlande sprachen gleich zur Hand: «Bevor wir wieder reiten heim in unser Land, Gewährt uns stäten Frieden: das ist uns Recken noth; Uns sind von euern Degen viel der lieben Freunde todt.» 318 Genesen von den Wunden war Lüdegast derweil; Der Vogt des Sachsenlandes war bald vom Kampfe heil. Etliche Todte ließen sie im Land. Da gieng der König Gunther hin, wo er Siegfrieden fand. 319 Er sprach zu dem Recken: «Nun rath mir, wie ich thu. Unsre Gäste wollen reiten morgen fruh Und gehn um stäte Sühne mich und die Meinen an: Nun rath, kühner Degen, was dich dünke wohlgethan.» 320 «Was mir die Herrn bieten, das will ich dir sagen: Was fünfhundert Mähren an Gold mögen tragen, Das bieten sie mir gerne für ihre Freiheit an.» Da sprach aber Siegfried: «Das wär übel gethan.» 321 «Ihr sollt sie beide ledig von hinnen laßen ziehn; Nur daß die edeln Recken sich hüten fürderhin Vor feindlichem Reiten her in euer Land, Laßt euch zu Pfande geben der beiden Könige Hand.» 322 «Dem Rathe will ich folgen.» So giengen sie hindann. Seinen Widersachern ward es kundgethan, Des Golds begehre Niemand, das sie geboten eh. Daheim den lieben Freunden war nach den heermüden weh. 323 Viel Schilde schatzbeladen trug man da herbei: Das theilt’ er ungewogen seinen Freunden frei, An fünfhundert Marken und Manchem wohl noch mehr; Gernot rieth es Gunthern, dieser Degen kühn und hehr. 324 Um Urlaub baten alle, sie wollten nun hindann. Da kamen die Gäste vor Kriemhild heran Und dahin auch, wo Frau Ute saß, die Königin. Es zogen nie mehr Degen so wohl beurlaubt dahin. 325 Die Herbergen leerten sich, als sie von dannen ritten. Doch verblieb im Lande mit herrlichen Sitten Der König mit den Seinen und mancher edle Mann: Die giengen alle Tage zu Frau Kriemhild heran. 326 Da wollt auch Urlaub nehmen Siegfried der gute Held, Verzweifelnd zu erwerben, worauf sein Sinn gestellt. Der König hörte sagen, er wolle nun hindann: Geiselher der junge ihn von der Reise gewann. 327 «Wohin, edler Siegfried, wohin reitet ihr? Hört meine Bitte, bleibt bei den Recken hier, Bei Gunther dem König und bei seinem Lehn: Hier sind viel schöne Frauen, die läßt man euch gerne sehn.» 328 Da sprach der starke Siegfried: «So laßt die Rosse stehn. Von hinnen wollt ich reiten, das laß ich mir vergehn. Tragt auch hinweg die Schilde: wohl wollt ich in mein Land: Davon hat mich Herr Geiselher mit großen Treuen gewandt.» 329 So verblieb der Kühne dem Freund zu Liebe dort. Auch wär ihm in den Landen an keinem andern Ort So wohl als hier geworden: daher es nun geschah, Daß er alle Tage die schöne Kriemhild ersah. 330 Ihrer hohen Schönheit willen der Degen da verblieb. Mit mancher Kurzweile man nun die Zeit vertrieb; Nur zwang ihn ihre Minne, die schuf ihm oftmals Noth; Darum hernach der Kühne lag zu großem Jammer todt. Abenteuer 6
Wie Gunther um Brunhild gen Isenland fuhr
331 Wieder neue Märe erhob sich über Rhein: Man sagte sich, da wäre manch schönes Mägdelein. Sich eins davon zu werben sann König Gunthers Muth. Das dauchte seine Recken und die Herren alle gut. 332 Es war eine Königin geseßen über Meer, Ihr zu vergleichen war keine andre mehr. Schön war sie aus der Maßen, gar groß war ihre Kraft; Sie schoß mit schnellen Degen um ihre Minne den Schaft. 333 Den Stein warf sie ferne, nach dem sie weithin sprang; Wer ihrer Minne gehrte, der muste sonder Wank Drei Spiel’ ihr abgewinnen, der Frauen wohlgeboren; Gebrach es ihm an Einem, so war das Haupt ihm verloren. 334 Die Königstochter hatte das manchesmal gethan. Das erfuhr am Rheine ein Ritter wohlgethan. Der seine Sinne wandte auf das schöne Weib. Drum musten bald viel Degen verlieren Leben und Leib. 335 Als einst mit seinen Leuten saß der König hehr, Ward es von allen Seiten berathen hin und her, Welche ihr Herr sich sollte zum Gemahl erschaun, Die er zum Weibe wollte und dem Land geziemte zur Fraun. 336 Da sprach der Vogt vom Rheine: «Ich will an die See Hin zu Brunhilden, wie es mir ergeh. Um ihre Minne wag ich Leben und Leib, Die will ich verlieren, gewinn ich nicht sie zum Weib.» 337 «Das möcht ich widerrathen,» sprach Siegfried wider ihn: «So grimmiger Sitte pflegt die Königin, Um ihre Minne werben, das kommt hoch zu stehn: Drum mögt ihrs wohl entrathen, auf diese Reise zu gehn.» 338 Da sprach der König Gunther: «Ein Weib ward noch nie So stark und kühn geboren, im Streit wollt ich sie Leichtlich überwinden allein mit meiner Hand.» «Schweigt,» sprach da Siegfried, «sie ist euch noch unbekannt.»
339 «Und wären eurer viere, die könnten nicht gedeihn Vor ihrem grimmen Zorne: drum laßt den Willen sein, Das rath ich euch in Treuen: entgeht ihr gern dem Tod, So macht um ihre Minne euch nicht vergebliche Noth.» 340 «Sei sie so stark sie wolle, die Reise muß ergehn Hin zu Brunhilden, mag mir was will geschehn. Ihrer hohen Schönheit willen gewagt muß es sein: Vielleicht daß Gott mir füget, daß sie uns folgt an den Rhein.» 341 «So will ich euch rathen,» begann da Hagen, «Bittet Siegfrieden, mit euch zu tragen Die Last dieser Sorge; das ist der beste Rath, Weil er von Brunhilden so gute Kunde doch hat.» 342 Er sprach: «Viel edler Siegfried, willst du mir Helfer sein Zu werben um die Schöne? Thu nach der Bitte mein; Und gewinn ich mir zur Trauten das herrliche Weib, So verwag ich deinetwillen Ehre, Leben und Leib.» 343 Zur Antwort gab ihm Siegfried, König Siegmunds Sohn: «Ich will es thun, versprichst du die Schwester mir zum Lohn, Kriemhild die schöne, eine Königin hehr: So begehr ich keines Dankes nach meinen Arbeiten mehr.» 344 «Das gelob ich,» sprach Gunther, «Siegfried, dir an die Hand. Und kommt die schöne Brunhild hieher in dieses Land, So will ich dir zum Weibe meine Schwester geben: So magst du mit der Schönen immer in Freuden leben.» 345 Des schwuren sich Eide diese Recken hehr. Da schuf es ihnen beiden viel Müh und Beschwer, Eh sie die Wohlgethane brachten an den Rhein. Es musten die Kühnen darum in großen Sorgen sein. 346 Von wilden Gezwergen hab ich hören sagen, Daß sie in hohlen Bergen wohnen und Schirme tragen, Die heißen Tarnkappen, von wunderbarer Art; Wer sie am Leibe trage, der sei gar wohl darin bewahrt 347 Vor Schlägen und vor Stichen; ihn mög auch Niemand sehn, So lang er drin verweile; hören doch und spähn Mag er nach feinem Willen, daß Niemand ihn erschaut; Ihm wachsen auch die Kräfte, wie uns die Märe vertraut. 348 Die Tarnkappe führte Siegfried mit hindann, Die der kühne Degen mit Sorgen einst gewann Von einem Gezwerge mit Namen Alberich. Da schickten sich zur Reise Recken kühn und ritterlich. 349 Wenn der starke Siegfried die Tarnkappe trug, So gewann er drinnen der Kräfte genug, Zwölf Männer Stärke, so wird uns gesagt. Er erwarb mit großen Listen diese herrliche Magd. 350 Auch war so beschaffen die Nebelkappe gut, Ein Jeder mochte drinnen thun nach seinem Muth, Was er immer wollte, daß ihn doch Niemand sah. Damit gewann er Brunhild, durch die ihm bald viel Leid geschah. 351 «Nun sage mir, Siegfried, eh unsre Fahrt gescheh, Wie wir mit vollen Ehren kommen über See? Sollen wir Ritter führen in Brunhildens Land? Dreißigtausend Degen die werden eilends besandt.» 352 «Wie viel wir Volkes führten,» sprach Siegfried wider ihn, «So grimmiger Sitte pflegt die Königin, Das müste doch ersterben vor ihrem Uebermuth. Ich will euch beßer rathen, Degen ihr kühn und gut.» 353 «In Reckenweise fahren laßt uns zu Thal den Rhein. Die will ich euch nennen, die das sollen sein: Zu uns zwein noch zweie und Niemand anders mehr, Daß wir die Frau erwerben, was auch geschehe nachher.» 354 «Der Gesellen bin ich einer, du sollst der andre sein, Und Hagen sei der dritte: wir mögen wohl gedeihn; Der vierte das sei Dankwart, dieser kühne Mann. Es dürfen Andrer tausend zum Streite nimmer uns nahn.» 355 «Die Märe wüst ich gerne,» der König sprach da so, «Eh wir von hinnen führen, des wär ich herzlich froh, Was wir für Kleider sollten vor Brunhilden tragen, Die uns geziemen möchten: Siegfried, das sollst du mir sagen.» 356 «Gewand das allerbeste, das man irgend fand, Trägt man zu allen Zeiten in Brunhildens Land: Drum laß uns reiche Kleider vor der Frauen tragen, Daß wirs nicht Schande haben, hört man künftig von uns sagen.» 357 Da sprach der gute Degen: «So will ich selber gehn Zu meiner lieben Mutter, ob es nicht mag geschehn, Daß ihre schönen Mägde uns schaffen solch Gewand, Das wir mit Ehren tragen in der hehren Jungfrau Land.» 358 Da Sprach von Tronje Hagen mit herrlichen Sitten: «Was wollt ihr eure Mutter um solche Dienste bitten? Laßt eure Schwester hören euern Sinn und Muth: Die ist so kunstreich, unsre Kleider werden gut.» 359 Da entbot er seiner Schwester, er wünsche sie zu sehn Und auch der Degen Siegfried. Eh sie das ließ geschehn, Da hatte sich die Schöne geschmückt mit reichem Kleid. Daß die Herren kamen, schuf ihr wenig Herzeleid. 360 Da war auch ihr Gesinde geziert nach seinem Stand. Die Fürsten kamen beide; als sie das befand, Erhob sie sich vom Sitze: wie höfisch sie da gieng, Als sie den edeln Fremdling und ihren Bruder empfieng! 361 «Willkommen sei mein Bruder und der Geselle sein. Nun möcht ich gerne wissen,» Sprach das Mägdelein, «Was euch Herrn geliebe, daß ihr zu Hofe kommt: Laßt mich doch hören, was euch edeln Recken frommt.» 362 Da sprach König Gunther: «Frau, ich wills euch sagen. Wir müßen große Sorge bei hohem Muthe tragen: Wir wollen werben reiten fern in fremdes Land Und hätten zu der Reise gerne zierlich Gewand.» 363 «Nun sitzt, lieber Bruder,» sprach das Königskind, «Und laßt mich erst erfahren, Wer die Frauen sind, Die ihr begehrt zu minnen in fremder Könge Land.» Die Auserwählten beide nahm das Mägdlein bei der Hand: 364 Hin gieng sie mit den Beiden, wo sie geseßen war Auf prächtgen Ruhebetten, das glaubt mir fürwahr, Mit eingewirkten Bildern, in Gold wohl erhaben. Sie mochten bei der Frauen gute Kurzweile haben. 365 Freundliche Blicke und gütliches Sehn, Des mochte von den Beiden da wohl viel geschehn. Er trug sie in dem Herzen, sie war ihm wie sein Leben. Er erwarb mit großem Dienste, daß sie ihm ward zu Weib gegeben. 366 Da sprach der edle König: «Viel liebe Schwester mein, Ohne deine Hülfe kann es nimmer sein. Wir wollen abenteuern in Brunhildens Land; Da müßen wir vor Frauen tragen herrlich Gewand.» 367 Da sprach die Königstochter: «Viel lieber Bruder mein, Kann euch an meiner Hülfe dabei gelegen sein, So sollt ihr inne werden, ich bin dazu bereit; Versagte sie ein Andrer euch, das wäre Kriemhilden leid. 368 „Ihr sollt mich, edler Ritter, nicht in Sorgen bitten, Ihr sollt nur gebieten mit herrlichen Sitten: Was euch gefallen möge, dazu bin ich bereit Und thus mit gutem Willen,“ sprach die wonnigliche Maid. 369 „Wir wollen, liebe Schwester, tragen gut Gewand: Das soll bereiten helfen eure weiße Hand. Laßt eure Mägdlein sorgen, daß es uns herrlich steht, Da man uns diese Reise doch vergebens widerräth.“ 370 Da begann die Jungfrau: „Nun hört, was ich sage, Wir haben selber Seide: befehlt, daß man uns trage Gestein auf den Schilden, so schaffen wir das Kleid, Das ihr mit Ehren traget vor der herrlichen Maid.“ 371 „Wer sind die Gesellen,“ sprach die Königin, „Die mit euch gekleidet zu Hofe sollen ziehn?“ „Das bin ich selbvierter; noch Zwei aus meinem Lehn, Dankwart und Hagen, sollen mit uns zu Hofe gehn. 372 „Nun merkt, liebe Schwester, wohl, was wir euch sagen: Sorgt, daß wir vier Gesellen zu vier Tagen tragen Je der Kleider dreierlei und also gut Gewand, Daß wir ohne Schande räumen Brunhildens Land.“ 373 Das gelobte sie den Recken; die Herren schieden hin. Da berief der Jungfraun Kriemhild die Königin Aus ihrer Kemenate dreißig Mägdelein, Die gar sinnreich mochten zu solcher Kunstübung sein. 374 In arabische Seide, so weiß als der Schnee, Und gute Zazamanker, so grün als der Klee, Legten sie Gesteine: das gab ein gut Gewand; Kriemhild die schöne schnitts mit eigener Hand. 375 Von seltner Fische Häuten Bezüge wohlgethan, Zu schauen fremd den Leuten, so viel man nur gewann, Bedeckten sie mit Seide: darein ward Gold getragen: Man mochte große Wunder von den lichten Kleidern sagen. 376 Aus dem Land Marocco und auch von Libya Der allerbesten Seide, die man jemals sah Königskinder tragen, der hatten sie genug. Wohl ließ sie Kriemhild schauen, wie sie Liebe für sie trug. 377 Da sie so theure Kleider begehrt zu ihrer Fahrt, Hermelinfelle wurden nicht gespart, Darauf von Kohlenschwärze mancher Flecken lag: Das trügen schnelle Helden noch gern bei einem Hofgelag. 378 Aus arabischem Golde glänzte mancher Stein; Der Frauen Unmuße war nicht zu klein. Sie schufen die Gewände in sieben Wochen Zeit; Da war auch ihr Gewaffen den guten Degen bereit. 379 Als sie gerüstet standen, sah man auf dem Rhein Fleißiglich gezimmert ein starkes Schiffelein, Das sie da tragen sollte hernieder an die See. Den edeln Jungfrauen war von Arbeiten weh. 380 Da sagte man den Recken, es sei für sie zur Hand, Das sie tragen sollten, das zierliche Gewand. Was sie erbeten hatten, das war nun geschehn; Da wollten sie nicht länger mehr am Rheine bestehn. 381 Zu den Heergesellen ein Bote ward gesandt, Ob sie schauen wollten ihr neues Gewand, Ob es den Helden wäre zu kurz oder lang. Es war von rechtem Maße; des sagten sie den Frauen Dank. 382 Vor wen sie immer kamen, die musten all gestehn, Sie hätten nie auf Erden schöner Gewand gesehn. Drum mochten sie es gerne da zu Hofe tragen; Von beßerm Ritterstaate wuste Niemand mehr zu sagen. 383 Den edeln Maiden wurde höchlich Dank gesagt. Da baten um Urlaub die Recken unverzagt; In ritterlichen Züchten thaten die Herren das. Da wurden lichte Augen getrübt von Weinen und naß. 384 Sie sprach: „Viel lieber Bruder, ihr bliebet beßer hier Und würbt andre Frauen: klüger schien’ es mir, Wo ihr nicht wagen müstet Leben und Leib. Ihr fändet in der Nähe wohl ein so hochgeboren Weib.“ 385 Sie ahnten wohl im Herzen ihr künftig Ungemach. Sie musten alle weinen, was da auch Einer sprach. Das Gold vor ihren Brüsten ward von Thränen fahl; Die fielen ihnen dichte von den Augen zuthal. 386 Da sprach sie: „Herr Siegfried, laßt euch befohlen sein Auf Treu und auf Gnade den lieben Bruder mein, Daß ihn nichts gefährde in Brunhildens Land.“ Das versprach der Kühne Frau Kriemhilden in die Hand. 387 Da sprach der edle Degen: „So lang mein Leben währt, So bleibt von allen Sorgen, Herrin, unbeschwert; Ich bring ihn euch geborgen wieder an den Rhein. Das glaubt bei Leib und Leben.“ Da dankt’ ihm schön das Mägdelein. 388 Die goldrothen Schilde trug man an den Strand Und schaffte zu dem Schiffe all ihr Rüstgewand; Ihre Rosse ließ man bringen: sie wollten nun hindann. Wie da von schönen Frauen so großes Weinen begann! 389 Da stellte sich ins Fenster manch minnigliches Kind. Das Schiff mit seinem Segel ergriff ein hoher Wind. Die stolzen Heergesellen saßen auf dem Rhein; Da sprach der König Gunther: „Wer soll nun Schiffmeister sein?“ 390 „Das will ich,“ sprach Siegfried: „ich kann euch auf der Flut Wohl von hinnen führen, das wißt, Helden gut; Die rechten Wasserstraßen sind mir wohl bekannt.“ So schieden sie mit Freuden aus der Burgunden Land. 391 Eine Ruderstange Siegfried ergriff; Vom Gestade schob er kräftig das Schiff. Gunther der kühne ein Ruder selber nahm. Da huben sich vom Lande die schnellen Ritter lobesam. 392 Sie führten reichlich Speise, dazu guten Wein, Den besten, den sie finden mochten um den Rhein. Ihre Rosse standen still in guter Ruh; Das Schiff gieng so eben, kein Ungemach stieß ihnen zu. 393 Ihre starken Segelseile streckte die Luft mit Macht; Sie fuhren zwanzig Meilen, eh niedersank die Nacht, Mit günstigem Winde nieder nach der See; Ihr starkes Arbeiten that noch schönen Frauen weh. 394 An dem zwölften Morgen, wie wir hören sagen, Da hatten sie die Winde weit hinweggetragen Nach Isenstein der Veste in Brunhildens Land, Das ihrer Keinem außer Siegfried bekannt. 395 Als der König Gunther so viel der Burgen sah Und auch der weiten Marken, wie bald sprach er da: „Nun sagt mir, Freund Siegfried, ist euch das bekannt? Wem sind diese Burgen und wem das herrliche Land? 396 "Ich hab all mein Leben, das muß ich wohl gestehn, So wohlgebauter Burgen nie so viel gesehn Irgend in den Landen, als wir hier ersahn; Der sie erbauen konnte, war wohl ein mächtiger Mann." 397 Zur Antwort gab ihm Siegfried: "Das ist mir wohlbekannt; Brunhilden sind sie, die Burgen wie das Land Und Isenstein die Veste, glaubt mir fürwahr: Da mögt ihr heute schauen schöner Frauen große Schar. 398 "Ich will euch Helden rathen: seid all von einem Muth Und sprecht in gleichem Sinne, so dünkt es mich gut. Denn wenn wir heute vor Brunhilden gehn, So müßen wir in Sorgen vor der Königstochter stehn. 399 "Wenn wir die Minnigliche bei ihren Leuten sehn, Sollt ihr erlauchte Helden nur Einer Rede stehn: Gunther sei mein Lehnsherr und ich ihm unterthan; So wird ihm sein Verlangen nach seinem Wunsche gethan." 400 Sie waren all willfährig zu thun, wie er sie hieß: In seinem Uebermuthe es auch nicht Einer ließ. Sie sprachen, wie er wollte; wohl frommt’ es ihnen da, Als der König Gunther die schöne Brunhild ersah. 401 "Wohl thu ichs nicht so gerne dir zu lieb allein, Als um deine Schwester, das schöne Mägdelein. Die ist mir wie die Seele und wie mein eigner Leib; Ich will es gern verdienen, daß sie werde mein Weib." Abenteuer 7
Wie Gunther Brunhilden gewann
402 Ihr Schifflein unterdessen war auf dem Meer Zur Burg heran gefloßen: da sah der König hehr Oben in den Fenstern manche schöne Maid. Daß er sie nicht erkannte, das war in Wahrheit ihm leid. 403 Er fragte Siegfrieden, den Gesellen sein: "Hättet ihr wohl Kunde um diese Mägdelein, Die dort hernieder schauen nach uns auf die Flut? Wie ihr Herr auch heiße, so tragen sie hohen Muth." 404 Da sprach der kühne Siegfried: "Nun sollt ihr heimlich spähn Nach den Jungfrauen und sollt mir dann gestehn, Welche ihr nehmen wolltet, wär euch die Wahl verliehn." "Das will ich," sprach Gunther, dieser Ritter schnell und kühn. 405 "So schau ich ihrer Eine in jenem Fenster an, Im schneeweißen Kleide, die ist so wohlgethan: Die wählen meine Augen, so schön ist sie von Leib. Wenn ich gebieten dürfte, sie müste werden mein Weib." 406 "Dir hat recht erkoren deiner Augen Schein: Es ist die edle Brunhild, das schöne Mägdelein, Nach der das Herz dir ringet, der Sinn und auch der Muth." All ihr Gebaren dauchte König Gunthern gut. 407 Da hieß die Königstochter von den Fenstern gehn Die minniglichen Maide: sie sollten da nicht stehn Zum Anblick für die Fremden; sie folgten unverwandt. Was da die Frauen thaten, das ist uns auch wohl bekannt. 408 Sie zierten sich entgegen den unkunden Herrn, Wie es immer thaten schöne Frauen gern. Dann an die engen Fenster traten sie heran, Wo sie die Helden sahen: das ward aus Neugier gethan. 409 Nur ihrer Viere waren, die kamen in das Land. Siegfried der kühne ein Ross zog auf den Strand. Das sahen durch die Fenster die schönen Frauen an: Große Ehre dauchte sich König Gunther gethan. 410 Er hielt ihm bei dem Zaume das zierliche Ross, Das war gut und stattlich, stark dazu und groß, Bis der König Gunther fest im Sattel saß. Also dient’ ihm Siegfried, was er hernach doch ganz vergaß. 411 Dann zog er auch das seine aus dem Schiff heran: Er hatte solche Dienste gar selten sonst gethan, Daß er am Steigreif Helden gestanden wär. Das sahen durch die Fenster die schönen Frauen hehr. 412 Es war in gleicher Weise den Helden allbereit Von schneeblanker Farbe das Ross und auch das Kleid, Dem einen wie dem andern, und schön der Schilde Rand: Die warfen hellen Schimmer an der edeln Recken Hand. 413 Ihre Sättel wohlgesteinet, die Brustriemen schmaname = "note" So ritten sie herrlich vor Brunhildens Saal; Daran hiengen Schellen von lichtem Golde roth. Sie kamen zu dem Lande, wie ihr Hochsinn gebot, 414 Mit Speren neu geschliffen, mit wohlgeschaffnem Schwert, Das bis auf die Sporen gieng den Helden werth. Die Wohlgemuthen führten es scharf genug und breit. Das alles sah Brunhild, diese herrliche Maid. 415 Mit ihnen kam auch Dankwart und sein Bruder Hagen: Diese beide trugen, wie wir hören sagen, Von rabenschwarzer Farbe reichgewirktes Kleid; Neu waren ihre Schilde, gut, dazu auch lang und breit. 416 Von India dem Lande trugen sie Gestein, Das warf an ihrem Kleide auf und ab den Schein. Sie ließen unbehütet das Schifflein bei der Flut; So ritten nach der Veste diese Helden kühn und gut. 417 Sechsundachtzig Thürme sahn sie darin zumal, Drei weite Pfalzen und einen schönen Saal Von edelm Marmelsteine, so grün wie das Gras, Darin die Königstochter mit ihrem Ingefinde saß.
418 Die Burg war erschloßen und weithin aufgethan, Brunhildes Mannen liefen alsbald heran Und empfiengen die Gäste in ihrer Herrin Land. Die Rosse nahm man ihnen und die Schilde von der Hand. 419 Da sprach der Kämmrer Einer: "Gebt uns euer Schwert Und die lichten Panzer." "Das wird euch nicht gewährt," Sprach Hagen von Tronje, "wir wollens selber tragen." Da begann ihm Siegfried von des Hofs Gebrauch zu sagen: 420 "In dieser Burg ist Sitte, das will ich euch sagen, Keine Waffen dürfen da die Gäste tragen: Laßt sie von hinnen bringen, das ist wohlgethan." Ihm folgte wider Willen Hagen, König Gunthers Mann. 421 Man ließ den Gästen schenken und schaffen gute Ruh. Manchen schnellen Recken sah man dem Hofe zu Allenthalben eilen in fürstlichem Gewand; Doch wurden nach den Kühnen ringsher die Blicke gesandt. 422 Nun wurden auch Brunhilden gesagt die Mären, Daß unbekannte Recken gekommen wären In herrlichem Gewande gefloßen auf der Flut. Da begann zu fragen diese Jungfrau schön und gut: 423 "Ihr sollt mich hören laßen," sprach das Mägdelein, "Wer die unbekannten Recken mögen sein, Die ich dort stehen sehe in meiner Burg so hehr, Und wem zu Lieb die Helden wohl gefahren sind hieher." 424 Des Gesindes sprach da Einer: "Frau, ich muß gestehn, Daß ich ihrer Keinen je zuvor gesehn; Doch Einer steht darunter, der Siegfrieds Weise hat: Den sollt ihr wohl empfangen, das ist in Treuen mein Rath. 425 "Der andre der Gesellen, gar löblich dünkt er mich; Wenn er die Macht besäße, zum König ziemt’ er sich Ob weiten Fürstenlanden, sollt er die versehn. Man sieht ihn bei den Andern so recht herrlich da stehn. 426 "Der dritte der Gesellen, der hat gar herben Sinn, Doch schönen Wuchs nicht minder, reiche Königin. Die Blicke sind gewaltig, deren so viel er thut: Er trägt in seinem Sinne, wähn ich, grimmigen Muth. 427 "Der jüngste darunter, gar löblich dünkt er mich: Man sieht den reichen Degen so recht minniglich In jungfräulicher Sitte und edler Haltung stehn: Wir müstens alle fürchten, wär ihm ein Leid hier geschehn. 428 "So freundlich er gebahre, so wohlgethan sein Leib, Er brächte doch zum Weinen manch waidliches Weib, Wenn er zürnen sollte; sein Wuchs ist wohl so gut, Er ist an allen Tugenden ein Degen kühn und wohlgemuth." 429 Da sprach die Königstochter: "Nun bringt mir mein Gewand: Und ist der starke Siegfried gekommen in mein Land Um meiner Minne willen, es geht ihm an den Leib: Ich fürcht ihn nicht so heftig, daß ich würde sein Weib." 430 Brunhild die schöne trug bald erlesen Kleid. Auch gab ihr Geleite manche schöne Maid, Wohl hundert oder drüber, sie all in reicher Zier. Die Gäste kam zu schauen manches edle Weib mit ihr. 431 Mit ihnen giengen Degen aus Isenland, Brunhildens Recken, die Schwerter in der Hand, Fünfhundert oder drüber; das war den Gästen leid. Aufstanden von den Sitzen die kühnen Helden allbereit. 432 Als die Königstochter Siegfrieden sah, Wohlgezogen sprach sie zu dem Gaste da: "Seid willkommen, Siegfried, hier in diesem Land. Was meint eure Reise? das macht mir, bitt ich, bekannt." 433 "Viel Dank muß ich euch sagen, Frau Brunhild, Daß ihr mich geruht zu grüßen, Fürstentochter mild, Vor diesem edeln Recken, der hier vor mir steht: Denn der ist mein Lehnsherr; der Ehre Siegfried wohl enträth. 434 "Er ist am Rheine König: was soll ich sagen mehr? Dir nur zu Liebe fuhren wir hierher. Er will dich gerne minnen, was ihm geschehen mag. Nun bedenke dich bei Zeiten: mein Herr läßt nimmermehr nach. 435 "Er ist geheißen Gunther, ein König reich und hehr. Erwirbt er deine Minne, nicht mehr ist sein Begehr. Deinthalb mit ihm that ich diese Fahrt; Wenn er mein Herr nicht wäre, ich hätt es sicher gespart." 436 Sie sprach: "Wenn er dein Herr ist und du in seinem Lehn, Will er, die ich ertheile, meine Spiele dann bestehn Und bleibt darin der Meister, so werd ich sein Weib; Doch ists, daß ich gewinne, es geht euch allen an den Leib." 437 Da sprach von Tronje Hagen: "So zeig uns, Königin, Was ihr für Spiel’ ertheilet. Eh euch den Gewinn Mein Herr Gunther ließe, so müst es übel sein: Er mag wohl noch erwerben ein so schönes Mägdelein." 438 "Den Stein soll er werfen und springen darnach, Den Sper mit mir schießen: drum sei euch nicht zu jach. Ihr verliert hier mit der Ehre Leben leicht und Leib: Drum mögt ihr euch bedenken," sprach das minnigliche Weib. 439 Siegfried der schnelle gieng zu dem König hin Und bat ihn, frei zu reden mit der Königin Ganz nach seinem Willen; angstlos soll er sein: "Ich will dich wohl behüten vor ihr mit den Listen mein." 440 Da sprach der König Gunther: "Königstochter hehr, Ertheilt mir, was ihr wollet, und wär es auch noch mehr, Eurer Schönheit willen bestünd ich Alles gern. Mein Haupt will ich verlieren, gewinnt ihr mich nicht zum Herrn." 441 Als da seine Rede vernahm die Königin, Bat sie, wie ihr ziemte, das Spiel nicht zu verziehn. Sie ließ sich zum Streite bringen ihr Gewand, Einen goldnen Panzer und einen guten Schildesrand. 442 Ein seiden Waffenhemde zog sich an die Maid, Das ihr keine Waffe verletzen konnt im Streit, Von Zeugen wohlgeschaffen aus Libya dem Land: Lichtgewirkte Borten erglänzten rings an dem Rand. 443 Derweil hatt ihr Uebermuth den Gästen schwer gedräut. Dankwart und Hagen die standen unerfreut. Wie es dem Herrn ergienge, sorgte sehr ihr Muth. Sie dachten: "Unsre Reise bekommt uns Recken nicht gut." 444 Derweilen gieng Siegfried, der listige Mann, Eh es wer bemerkte, an das Schiff heran, Wo er die Tarnkappe verborgen liegen fand, In die er hurtig schlüpfte: da war er Niemand bekannt. 445 Er eilte bald zurücke und fand hier Recken viename = "note" Die Königin ertheilte da ihr hohes Spiel. Da gieng er hin verstohlen und daß ihn Niemand sah Von Allen, die da waren, was durch Zauber geschah. 446 Es war ein Kreis gezogen, wo das Spiel geschehn Vor kühnen Recken sollte, die es wollten sehn. Wohl siebenhundert sah man Waffen tragen: Wer das Spiel gewänne, das sollten sie nach Wahrheit sagen. 447 Da war gekommen Brunhild, die man gewaffnet fand, Als ob sie streiten wolle um aller Könge Land. Wohl trug sie auf der Seide viel Golddrähte fein; Ihre minnigliche Farbe gab darunter holden Schein. 448 Nun kam ihr Gesinde, das trug herbei zuhand Aus allrothem Golde einen Schildesrand Mit hartem Stahlbeschlage, mächtig groß und breit, Worunter spielen wollte diese minnigliche Maid. 449 An einer edeln Borte ward der Schild getragen, Auf der Edelsteine, grasgrüne, lagen; Die tauschten mannigfaltig Gefunkel mit dem Gold. Er bedurfte großer Kühnheit, dem die Jungfrau wurde hold. 450 Der Schild war untern Buckeln, so ward uns gesagt, Von dreier Spannen Dicke; den trug hernach die Magd. An Stahl und auch an Golde war er reich genug, Den ihrer Kämmrer Einer mit Mühe selbvierter trug. 451 Als der starke Hagen den Schild hertragen sah, In großem Unmuthe sprach der Tronjer da: "Wie nun, König Gunther? An Leben gehts und Leib: Die ihr begehrt zu minnen, die ist ein teuflisches Weib." 452 Hört noch von ihren Kleidern: deren hatte sie genug. Von Azagauger Seide einen Wappenrock sie trug, Der kostbar war und edename = "note" daran warf hellen Schein Von der Königstochter gar mancher herrliche Stein. 453 Da brachten sie der Frauen mächtig und breit Einen scharfen Wurfspieß; den verschoß sie allezeit, Stark und ungefüge, groß dazu und schwer. An seinen beiden Seiten schnitt gar grimmig der Sper. 454 Von des Spießes Schwere höret Wunder sagen: Wohl hundert Pfund Eisen war dazu verschlagen. Ihn trugen mühsam Dreie von Brunhildens Heer: Gunther der edle rang mit Sorgen da schwer. 455 Er dacht in seinem Sinne: "Was soll das sein hier? Der Teufel aus der Hölle, wie schützt’ er sich vor ihr? War ich mit meinem Leben wieder an dem Rhein, Sie dürfte hier wohl lange meiner Minne ledig sein." 456 Er trug in seinen Sorgen, das wißet, Leid genug. All seine Rüstung man ihm zur Stelle trug. Gewappnet Stand der reiche König bald darin. Vor Leid hätte Hagen schier gar verwandelt den Sinn. 457 Da sprach Hagens Bruder, der kühne Dankwart: "Mich reut in der Seele her zu Hof die Fahrt. Nun hießen wir einst Recken! wie verlieren wir den Leib! Soll uns in diesem Lande nun verderben ein Weib? 458 "Des muß mich sehr verdrießen, daß ich kam in dieses Land. Hätte mein Bruder Hagen sein Schwert an der Hand Und auch ich das meine, so sollten sachte gehn Mit ihrem Uebermuthe Die in Brunhildens Lehn. 459 Sie sollten sich bescheiden, das glaubet mir nur. Hätt ich den Frieden tausendmal bestärkt mit einem Schwur, Bevor ich sterben sähe den lieben Herren mein, Das Leben müste laßen dieses schöne Mägdelein." 460 "Wir möchten ungefangen wohl räumen dieses Land," Sprach sein Bruder Hagen, "hätten wir das Gewand, Des wir zum Streit bedürfen, und die Schwerter gut, So sollte sich wohl sänften der schönen Fraue Uebermuth." 461 Wohl hörte, was er sagte, die Fraue wohlgethan; Ueber die Achsel sah sie ihn lächelnd an. "Nun er so kühn sich dünket, so bringt doch ihr Gewand, Ihre scharfen Waffen gebt den Helden an die Hand. 462 "Es kümmert mich so wenig, ob sie gewaffnet sind, Als ob sie bloß da stünden," so sprach das Königskind. "Ich fürchte Niemands Stärke, den ich noch je gekannt: Ich mag auch wohl genesen im Streit vor des Königs Hand." 463 Als man die Waffen brachte, wie die Maid gebot, Dankwart der kühne ward vor Freuden roth. "Nun spielt, was ihr wollet," sprach der Degen werth, "Gunther ist unbezwungen: wir haben wieder unser Schwert." 464 Brunhildens Stärke zeigte sich nicht klein: Man trug ihr zu dem Kreise einen schweren Stein, Groß und ungefüge, rund dabei und breit. Ihn trugen kaum zwölfe dieser Degen kühn im Streit. 465 Den warf sie allerwegen, wie sie den Sper verschoß. Darüber war die Sorge der Burgunden groß. "Wen will der König werben?" sprach da Hagen laut: "Wär sie in der Hölle doch des übeln Teufels Braut!" 466 An ihre weißen Arme sie die Ärmel wand, Sie schickte sich und faßte den Schild an die Hand, Sie schwang den Spieß zur Höhe: das war des Kampfe Beginn. Gunther und Siegfried bangten vor Brunhildens grimmem Sinn. 467 Und wär ihm da Siegfried zu Hülfe nicht gekommen, So hätte sie dem König das Leben wohl benommen. Er trat hinzu verstohlen und rührte seine Hand; Gunther seine Künste mit großen Sorgen befand. 468 "Wer wars, der mich berührte?" dachte der kühne Mann, Und wie er um sich blickte, da traf er Niemand an. Er sprach: "Ich bin es, Siegfried, der Geselle dein: Du sollst ganz ohne Sorge vor der Königin sein." 469 (Er sprach:) "Gieb aus den Händen den Schild, laß mich ihn tragen Und behalt im Sinne, was du mich hörest sagen: Du habe die Gebärde, ich will das Werk begehn." Als er ihn erkannte, da war ihm Liebes geschehn. 470 "Verhehl auch meine Künste, das ist uns beiden gut: So mag die Königstochter den hohen Uebermuth Nicht an dir vollbringen, wie sie gesonnen ist: Nun sieh doch, welcher Kühnheit sie wider dich sich vermißt." 471 Da schoß mit ganzen Kräften die herrliche Maid Den Sper nach einem neuen Schild, mächtig und breit; Den trug an der Linken Sieglindens Kind. Das Feuer sprang vom Stahle, als ob es wehte der Wind. 472 Des starken Spießes Schneide den Schild ganz durchdrang, Daß das Feuer lohend aus den Ringen sprang. Von dem Schuße fielen die kraftvollen Degen: War nicht die Tarnkappe, sie wären beide da erlegen. 473 Siegfried dem kühnen vom Munde brach das Blut. Bald sprang er auf die Füße: da nahm der Degen gut Den Sper, den sie geschoßen ihm hatte durch den Rand: Den warf ihr jetzt zurücke Siegfried mit kraftvoller Hand. 474 Er dacht: "Ich will nicht schießen das Mägdlein wonniglich." Des Spießes Schneide kehrt’ er hinter den Rücken sich; Mit der Sperstange schoß er auf ihr Gewand, Daß es laut erhallte von seiner kraftreichen Hand. 475 Das Feuer stob vom Panzer, als trieb’ es der Wind. Es hatte wohl geschoßen der Sieglinde Kind: Sie vermochte mit den Kräften dem Schuße nicht zu stehn; Das war von König Gunthern in Wahrheit nimmer geschehn. 476 Brunhild die schöne bald auf die Füße sprang: "Gunther, edler Ritter, des Schußes habe Dank!" Sie wähnt’, er hätt es selber mit seiner Kraft gethan Nein, zu Boden warf sie ein viel stärkerer Mann. 477 Da gieng sie hin geschwinde, zornig war ihr Muth, Den Stein hoch erhub sie, die edle Jungfrau gut; Sie schwang ihn mit Kräften weithin von der Hand, Dann sprang sie nach dem Wurfe, daß laut erklang ihr Gewand. 478 Der Stein fiel zu Boden von ihr zwölf Klafter weit: Den Wurf überholte im Sprung die edle Maid. Hin gieng der schnelle Siegfried, wo der Stein nun lag: Gunther must ihn wägen, des Wurfs der Verholne pflag. 479 Siegfried war kräftig, kühn und auch lang; Den Stein warf er ferner, dazu er weiter sprang. Ein großes Wunder war es und künstlich genug, Daß er in dem Sprunge den König Gunther noch trug. 480 Der Sprung war ergangen, am Boden lag der Stein: Gunther wars, der Degen, den man sah allein. Brunhild die schöne ward vor Zorne roth; Gewendet hatte Siegfried dem König Gunther den Tod. 481 Zu ihrem Ingesinde sprach die Königin da, Als sie gesund den Helden an des Kreises Ende sah: "Ihr, meine Freund und Mannen, tretet gleich heran: Ihr sollt dem König Gunther alle werden unterthan." 482 Da legten die Kühnen die Waffen von der Hand Und boten sich zu Füßen von Burgundenland Gunther dem reichen, so mancher kühne Mann: Sie wähnten, die Spiele hätt er mit eigner Kraft gethan. 483 Er grüßte sie gar minniglich; wohl trug er höfschen Sinn. Da nahm ihn bei der Rechten die schöne Königin: Sie erlaubt’ ihm, zu gebieten in ihrem ganzen Land. Des freute sich da Hagen, der Degen kühn und gewandt. 484 Sie bat den edeln Ritter mit ihr zurück zu gehn Zu dem weiten Saale, wo mancher Mann zu sehn, Und mans aus Furcht dem Degen nun desto beßer bot. Siegfrieds Kräfte hatten sie erledigt aller Noth. 485 Siegfried der schnelle war wohl schlau genug, Daß er die Tarnkappe aufzubewahren trug. Dann gieng er zu dem Saale, wo manche Fraue saß: Er sprach zu dem König, gar listiglich that er das: 486 "Was säumt ihr, Herr König, und beginnt die Spiele nicht, Die euch aufzugeben die Königin verspricht? Laßt uns doch bald erschauen, wie es damit bestellt." Als wüst er nichts von allem, so that der listige Held. 487 Da sprach die Königstochter: "Wie konnte das geschehn, Daß ihr nicht die Spiele, Herr Siegfried, habt gesehn, Worin hier Sieg errungen hat König Gunthers Hand?" Zur Antwort gab ihr Hagen aus der Burgunden Land. 488 Er sprach: "Da habt ihr, Königin, uns betrübt den Muth: Da war bei dem Schiffe Siegfried der Degen gut, Als der Vogt vom Rheine das Spiel euch abgewann; Drum ist es ihm unkundig," sprach da Gunthers Unterthan, 489 "Nun wohl mir dieser Märe," sprach Siegfried der Held, "Daß hier eure Hochfahrt also ward gefällt, Und Jemand lebt, der euer Meister möge sein. Nun sollt ihr, edle Jungfrau, uns hinnen folgen an den Rhein." 490 Da sprach die Wohlgethane: "Das mag noch nicht geschehn. Erst frag ich meine Vettern und Die in meinem Lehn. Ich darf ja nicht so leichthin räumen dieß mein Land: Meine höchsten Freunde die werden erst noch besandt." 491 Da ließ sie ihre Boten nach allen Seiten gehn: Sie besandte ihre Freunde und Die in ihrem Lehn, Daß sie zum Isensteine kämen unverwandt; Einem jeden ließ sie geben reiches, herrliches Gewand. 492 Da ritten alle Tage Beides, spat und fruh, Der Veste Brunhildens die Recken scharweis zu. "Nun ja doch," sprach da Hagen, "was haben wir gethan! Wir erwarten uns zum Schaden hier Die Brunhild unterthan." 493 "Wenn sie mit ihren Kräften kommen in dieß Land, Der Königin Gedanken die sind uns unbekannt: Wie, wenn sie uns zürnte? so wären wir verloren, Und wär das edle Mägdlein uns zu großen Sorgen geboren!" 494 Da sprach der starke Siegfried: "Dem will ich widerstehn. Was euch da Sorge schaffet, das laß ich nicht geschehn. Ich will euch Hülfe bringen her in dieses Land Durch auserwählte Degen: die sind euch noch unbekannt. 495 "Ihr sollt nach mir nicht fragen, ich will von hinnen fahren; Gott möge eure Ehre derweil wohl bewahren. Ich komme bald zurücke und bring euch tausend Mann Der allerbesten Degen, deren Jemand Kunde gewann." 496 "So bleibt nur nicht zu lange," der König sprach da so, "Wir sind eurer Hülfe nicht unbillig froh." Er sprach: "Ich komme wieder gewiss in wenig Tagen. Ihr hättet mich versendet, sollt ihr der Königin sagen." Abenteuer 8
Wie Siegfried nach den Nibelungen fuhr
497 Von dannen gieng da Siegfried zum Hafen an den Strand In seiner Tarnkappe, wo er ein Schifflein fand. Darin stand verborgen König Siegmunds Kind: Er führt’ es bald von dannen, als ob es wehte der Wind. 498 Den Steuermann sah Niemand, wie schnell das Schifflein floß Von Siegfriedens Kräften, die waren also groß. Da wähnten sie, es trieb es ein eigner starker Wind: Nein, es führt’ es Siegfried, der schönen Sieglinde Kind. 499 Nach des Tags Verlaufe und in der einen Nacht Kam er zu einem Lande von gewaltger Macht: Es war wohl hundert Rasten und noch darüber lang, Das Land der Nibelungen, wo er den großen Schatz errang. 500 Der Held fuhr alleine nach einem Werder breit: Sein Schiff band er feste, der Ritter allbereit. Er fand auf einem Berge eine Burg gelegen Und suchte Herberge, wie die Wegemüden pflegen. 501 Da kam er vor die Pforte, die ihm verschloßen stand: Sie bewachten ihre Ehre, wie Sitte noch im Land. Ans Thor begann zu klopfen der unbekannte Mann: Das wurde wohl behütet; da traf er innerhalben an 502 Einen Ungefügen, der da der Wache pflag, Bei dem zu allen Zeiten sein Gewaffen lag. Der sprach: "Wer pocht so heftig da draußen an das Thor?" Da wandelte die Stimme der kühne Siegfried davor 503 Und sprach: "Ich bin ein Recke: thut mir auf alsbald, Sonst erzürn ich Etlichen hier außen mit Gewalt, Der gern in Ruhe läge und hätte sein Gemach." Das verdroß den Pförtner, als da Siegfried also sprach. 504 Der kühne Riese hatte die Rüstung angethan, Den Helm aufs Haupt gehoben, der gewaltge Mann: Den Schild alsbald ergriffen und schwang nun auf das Thor. Wie lief er Siegfrieden da so grimmig an davor! 505 Wie er zu wecken wage so manchen kühnen Mann? Da wurden schnelle Schläge von seiner Hand gethan. Der edle Fremdling schirmte sich vor manchem Schlag; Da hieb ihm der Pförtner in Stücke seines Schilds Beschlag 506 Mit einer Eisenstange: so litt der Degen Noth. Schier begann zu fürchten der Held den grimmen Tod, Als der Thürhüter so mächtig auf ihn schlug. Dafür war ihm gewogen sein Herre Siegfried genug. 507 Sie stritten so gewaltig, die Burg gab Widerhalname = "note" Man hörte fern das Tosen in König Niblungs Saal. Doch zwang er den Pförtner zuletzt, daß er ihn band; Kund ward diese Märe in allem Nibelungenland. 508 Das Streiten hatte ferne gehört durch den Berg Alberich der kühne, ein wildes Gezwerg. Er waffnete sich balde und lief hin, wo er fand Diesen edeln Fremdling, als er den Riesen eben band. 509 Alberich war muthig, dazu auch stark genug. Helm und Panzerringe er am Leibe trug Und eine schwere Geisel von Gold an seiner Hand. Da lief er hin geschwinde, wo er Siegfrieden fand. 510 Sieben schwere Knöpfe hiengen vorn daran, Womit er vor der Linken den Schild dem kühnen Mann So bitterlich zergerbte, in Splitter gieng er fast. In Sorgen um sein Leben gerieth der herrliche Gast. 511 Den Schild er ganz zerbrochen seiner Hand entschwang: Da stieß er in die Scheide eine Waffe, die war lang. Seinen Kammerwärter wollt er nicht schlagen todt: Er schonte seiner Leute, wie ihm die Treue gebot.
512 Mit den starken Händen Albrichen lief er an, Und erfaßte bei dem Barte den altgreisen Mann. Den zuckt’ er ungefüge: der Zwerg schrie auf vor Schmerz. Des jungen Helden Züchtigung gieng Alberichen ans Herz. 513 Laut rief der Kühne: "Nun laßt mir das Leben: Und hätt ich einem Helden mich nicht schon ergeben, Dem ich schwören muste, ich war ihm unterthan, Ich dient euch, bis ich stürbe," so sprach der listige Mann. 514 Er band auch Alberichen wie den Riesen eh: Siegfriedens Kräfte thaten ihm gar weh. Der Zwerg begann zu fragen: "Wie seid ihr genannt?" Er sprach: "Ich heiße Siegfried: ich wähnt, ich wäre euch bekannt." 515 "So wohl mir diese Kunde," sprach da Alberich, "An euern Heldenwerken spürt ich nun sicherlich, Daß ihrs wohl verdientet, des Landes Herr zu sein. Ich thu, was ihr gebietet, laßt ihr nur mich gedeihn." 516 Da sprach der Degen Siegfried: "So macht euch auf geschwind Und bringt mir her der Besten, die in der Veste sind, Tausend Nibelungen; die will ich vor mir sehn. So laß ich euch kein Leides an euerm Leben geschehn." 517 Albrichen und den Riesen löst’ er von dem Band. Hin lief der Zwerg geschwinde, wo er die Recken fand. Sorglich erweckt’ er Die in Niblungs Lehn Und sprach: "Wohlauf, ihr Helden, ihr sollt zu Siegfrieden gehn." 518 Sie sprangen von den Betten und waren gleich bereit: Tausend schnelle Ritter standen im Eisenkleid. Er brachte sie zur Stelle, wo er Siegfried fand: Der grüßte schön die Degen und gab Manchem die Hand. 519 Viel Kerzen ließ man zünden; man schenkt’ ihm lautern Trank. Daß sie so bald gekommen, des sagt’ er Allen Dank. Er sprach: "Ihr sollt von hinnen mir folgen über Flut." Dazu fand er willig diese Helden kühn und gut. 520 Wohl dreißig hundert Recken kamen ungezählt: Von denen wurden tausend der besten auserwählt, Man brachte ihre Helme und ander Rüstgewand, Da er sie führen wollte hin zu Brunhildens Land. 521 Er sprach: "Ihr guten Ritter, Eins laßt euch sagen: Ihr sollt reiche Kleider dort am Hofe tragen, Denn uns wird da schauen manch minnigliches Weib: Darum sollt ihr zieren mit guten Kleidern den Leib." 522 Nun möchten mich die Thoren vielleicht der Lüge zeihn: Wie konnten so viel Ritter wohl beisammen sein? Wo nähmen sie die Speise? Wo nähmen sie Gewand? Und besäß er dreißig Lande, er brächt es nimmer zu Stand. 523 Ihr habt doch wol vernommen, Siegfried war gar reich. Sein war der Nibelungenhort, dazu das Königreich. Drum gab er seinen Degen völliglich genug; Es ward ja doch nicht minder, wie viel man von dem Schatze trug. 524 Eines frühen Morgens begannen sie die Fahrt: Was schneller Mannen hatte da Siegfried sich geschart! Sie führten gute Rosse und herrlich Gewand: Sie kamen stolz gezogen hin zu Brunhildens Land. 525 Da stand in den Zinnen manch minnigliches Kind. Da sprach die Königstochter: "Weiß Jemand, wer die sind, Die ich dort fließen sehe so fern auf der See? Sie führen reiche Segel, die sind noch weißer als der Schnee." 526 Da sprach der Vogt vom Rheine: "Es ist mein Heergeleit, Das ich auf der Reise verließ von hier nicht weit: Ich habe sie besendet: nun sind sie, Frau, gekommen." Der herrlichen Gäste ward mit Züchten wahrgenommen. 527 Da sah man Siegfrieden im Schiffe stehn voran In herrlichem Gewande mit manchem andern Mann. Da sprach die Königstochter: "Herr König, wollt mir sagen: Soll ich die Gäste grüßen oder ihnen Gruß versagen?" 528 Er sprach: "Ihr sollt entgegen ihnen vor den Pallas gehn, Ob ihr sie gerne sehet, daß sie das wohl verstehn." Da that die Königstochter, wie ihr der König rieth; Siegfrieden mit dem Gruße sie von den Andern unterschied. 529 Herberge gab man ihnen und wahrt’ ihr Gewand. Da waren so viel Gäste gekommen in das Land, Daß sie sich allenthalben drängten mit den Scharen: Da wollten heim die Kühnen zu den Burgunden fahren. 530 Da sprach die Königstochter: "Dem blieb ich immer hold, Der zu vertheilen wüste mein Silber und mein Gold Meinen Gästen und des Königs, des ich so viel gewann." Zur Antwort gab ihr Dankwart, des kühnen Geiselher Mann: 531 "Viel edle Königstochter, laßt mich der Schlüßel pflegen; Ich will es so vertheilen," sprach der kühne Degen, "Wenn ich mir Schand erwerbe, die treffe mich allein." Daß er milde wäre, das leuchtete da wohl ein. 532 Als sich Hagens Bruder der Schlüßel unterwand, So manche reiche Gabe bot des Helden Hand: Wer Einer Mark begehrte, dem ward so viel gegeben, Daß die Armen alle da in Freuden mochten leben. 533 Wohl mit hundert Pfunden gab er ohne Wahl. Da gieng in reichem Kleide Mancher aus dem Saal, Der nie zuvor im Leben so hehr Gewand noch trug. Die Königin erfuhr es: da war es ihr leid genug. 534 Sie sprach zu dem König: "Des hätt ich gerne Rath, Daß nichts mir soll verbleiben von meinem Kleiderstaat Vor euerm Kämmerlinge: er verschwendet all mein Gold. Wer dem noch widerstände, dem wollt ich immer bleiben hold. 535 "Er giebt so reiche Gaben: der Degen wähnet eben, Ich habe nach dem Tode gesandt: ich will noch leben Und kann wol selbst verschwenden meines Vaters Gut." Nie hatt einer Königin Kämmerer so milden Muth. 536 Da sprach von Tronje Hagen: "Frau, euch sei bekannt: Der König vom Rheine hat Gold und Gewand Zu geben solche Fülle, daß es nicht Noth ihm thut, Von hier hinweg zu führen einen Theil von Brunhilds Gut." 537 "Nein, wenn ihr mich liebet," sprach sie zu den Herrn, "Zwanzig Reiseschreine füllt ich mir gern Mit Gold und mit Seide: das soll meine Hand Vertheilen, so wir kommen heim in der Burgunden Land." 538 Da lud man ihr die Kisten mit edelm Gestein. Der Frauen Kämmerlinge musten zugegen sein: Sie wollt es nicht vertrauen Geiselhers Unterthan. Gunther und Hagen darob zu lachen begann. 539 Da sprach die Königstochter: "Wem laß ich nun mein Land? Das soll hier erst bestimmen mein und eure Hand." Da sprach der edle König: "So rufet wen herbei, Der euch dazu gefalle, daß er zum Vogt geordnet sei." 540 Ihrer nächsten Freunde Einen die Jungfrau bei sich sah; Es war ihr Mutterbruder, zu dem begann sie da: "Nun laßt euch sein befohlen die Burgen und das Land, Bis seine Amtleute der König Gunther gesandt." 541 Aus dem Gesinde wählte sie zweitausend Mann, Die mit ihr fahren sollten gen Burgund hindann Mit jenen tausend Recken aus Nibelungenland. Sie schickten sich zur Reise: man sah sie reiten nach dem Strand. 542 Sie führte mit von dannen sechsundachtzig Fraun, Dazu wol hundert Mägdelein, die waren schön zu schaun. Sie säumten sich nicht länger, sie eilten nun hindann: Die sie zu Hause ließen, wie Manche hub zu weinen an! 543 In höfischen Züchten räumte die Frau ihr Land, Die nächsten Freunde küssend, die sie bei sich fand. Mit gutem Urlaube kamen sie aufs Meer; Ihres Vaters Lande sah die Jungfrau nimmermehr. 544 Auf ihrer Fahrt ertönte vielfaches Freudenspiel; Aller Kurzweile hatten sie da viel. Auch hob sich zu der Reise der rechte Wasserwind. Sie fuhren ab vom Lande: das beweinte mancher Mutter Kind. 545 Doch wollte sie den König nicht minnen auf der Fahrt: Ihre Kurzweil wurde bis in sein Haus gespart Zu Worms in der Veste zu einem Hofgelag, Dahin mit ihren Helden sie fröhlich kamen hernach. Abenteuer 9
Wie Siegfried nach Worms gesandt wird
546 Da sie gefahren waren voll neun Tage, Da sprach von Tronje Hagen: "Nun hört, was ich sage. Wir säumen mit der Kunde nach Worms an den Rhein: Nun sollten eure Boten schon bei den Burgunden sein." 547 Da sprach König Gunther: "Ihr redet recht daran; Auch hätt uns wohl Niemand die Fahrt so gern gethan Als ihr selbst, Freund Hagen: nun reitet in mein Land, Unsre Hofreise macht Niemand beßer da bekannt." 548 "Nun wißt, lieber Herre, ich bin kein Bote gut: Laßt mich der Kammer pflegen und bleiben auf der Flut. Ich will hier bei den Frauen behüten ihr Gewand, Bis daß wir sie bringen in der Burgunden Land. 549 "Nein, bittet Siegfrieden um die Botschaft dahin: Der mag sie wohl verrichten mit zuchtreichem Sinn. Versagt er euch die Reise, ihr sollt mit guten Sitten Bei eurer Schwester Liebe um die Fahrt ihn freundlich bitten." 550 Er sandte nach dem Recken: der kam, als man ihn fand. Er sprach zu ihm: "Wir nahen uns schon meinem Land; Da sollt ich Boten senden der lieben Schwester mein Und auch meiner Mutter, daß wir kommen an den Rhein. 551 "So bitt ich euch, Herr Siegfried, daß ihr die Reise thut, Ich wills euch immer danken," so sprach der Degen gut. Da weigerte sich Siegfried, dieser kühne Mann, Bis ihn König Gunther sehr zu flehen begann. 552 Er sprach: "Ihr sollt reiten um den Willen mein, Dazu auch um Kriemhild, das schöne Mägdelein, Daß es mit mir vergelte die herrliche Maid." Als Siegfried das hörte, da war der Recke bald bereit. 553 "Entbietet, was ihr wollet, es soll gemeldet sein: Ich will es gern bestellen um das schöne Mägdelein. Die ich im Herzen trage, verzichtet’ ich auf die? Leisten will ich Alles, was ihr gebietet, um sie." 554 "So sagt meiner Mutter, Ute der Königin, Daß ich auf dieser Reise hohes Muthes bin. Wie wir geworben haben, sagt meinen Brüdern an; Auch unsern Freunden werde diese Märe kund gethan. 555 Ihr sollt auch nichts verschweigen der schönen Schwester mein, Ich woll ihr mit Brunhild stäts zu Diensten sein; So sagt auch dem Gesinde und wer mir unterthan, Was je mein Herz sich wünschte, daß ich das Alles gewann. 556 "Und saget Ortweinen, dem lieben Neffen mein, Daß er Gestühl errichten laße bei dem Rhein; Den Mannen auch und Freunden sei es kund gethan, Ich stelle mit Brunhilden eine große Hochzeit an. 557 "Und bittet meine Schwester, werd ihr das bekannt, Daß ich mit meinen Gästen gekommen sei ins Land, Daß sie dann wohl empfange die liebe Traute mein: So woll ich Kriemhilden stäts zu Dienst erbötig sein." 558 Da bat bei Brunhilden und ihrem Ingesind Alsbald um den Urlaub Siegfried, Sigmunds Kind, Wie es ihm geziemte: da ritt er an den Rhein. Es könnt in allen Landen ein beßrer Bote nicht sein. 559 Mit vierundzwanzig Recken zu Worms kam er an; Ohne den König kam er, das wurde kund gethan. Da mühten all die Degen in Jammer sich und Noth, Besorgt, daß dort der König gefunden habe den Tod. 560 Sie stiegen von den Rossen und trugen hohen Muth; Da kam alsbald Herr Geiselher, der junge König gut, Und Gernot, sein Bruder, wie hurtig sprach er da, Als er den König Gunther nicht bei Siegfrieden sah: 561 "Willkommen, Herr Siegfried, ich bitte, sagt mir an: Wo habt ihr meinen Bruder, den König, hingethan? Brunhildens Stärke hat ihn uns wol benommen; So wär uns sehr zu Schaden ihre hohe Minne gekommen." 562 "Die Sorge laßt fahren: euch und den Freunden sein Entbietet seine Dienste der Heergeselle mein. Ich verließ ihn wohlgeborgen: er hat mich euch gesandt, Daß ich sein Bote würde, mit Mären her in euer Land. 563 "Nun helft mir es fügen, wie es auch gescheh, Daß ich die Königin Ute und eure Schwester seh; Die soll ich hören laßen, was ihr zu wißen thut Gunther und Frau Brunhild; um sie beide steht es gut." 564 Da sprach der junge Geiselher: "So sprecht bei ihnen an; Da habt ihr meiner Schwester einen Liebesdienst gethan. Sie trägt noch große Sorge um den Bruder mein: Die Maid sieht euch gerne: dafür will ich euch Bürge sein." 565 Da sprach der Degen Siegfried: "Wo ich ihr dienen kann, Das soll immer treulich und willig sein gethan. Wer sagt nun, daß ich komme, den beiden Frauen an?" Da warb die Botschaft Geiselher, dieser waidliche Mann. 566 Geiselher der junge sprach zu der Mutter da Und auch zu seiner Schwester, als er die beiden sah: "Uns ist gekommen Siegfried, der Held aus Niederland; Ihn hat mein Bruder Gunther her zum Rheine gesandt. 567 "Er bringt uns die Kunde, wie’s um den König steht; Nun sollt ihr ihm erlauben, daß er zu Hofe geht: Er bringt die rechten Mären uns her von Isenland." Noch war den edeln Frauen große Sorge nicht gewandt. 568 Sie sprangen nach dem Staate und kleideten sich drein Und luden Siegfrieden nach Hof zu kommen ein. Das that der Degen williglich, weil er sie gerne sah. Kriemhild die edle sprach zu ihm in Güte da: 569 "Willkommen, Herr Siegfried, ein Ritter ohne Gleich. Wo blieb mein Bruder Gunther, der edle König reich? Durch Brunhilds Stärke, fürcht’ ich, gieng er uns verloren: O weh mir armen Mägdelein, daß ich je ward geboren!" 570 Da sprach der kühne Ritter: "Nun gebt mir Botenbrot, Ihr zwei schönen Frauen weinet ohne Noth. Ich verließ ihn wohlgeborgen, das thu ich euch bekannt: Sie haben mich euch beiden mit der Märe hergesandt. 571 "Mit freundlicher Liebe, viel edle Herrin mein, Entbeut euch seine Dienste er und die Traute sein. Nun laßt euer Weinen: sie wollen balde kommen." Sie hatte lange Tage so liebe Märe nicht vernommen. 572 Mit schneeweißem Kleide aus Augen wohlgethan Wischte sie die Thränen; zu danken hub sie an Dem Boten dieser Märe, die ihr war gekommen. Ihr war die große Trauer und auch ihr Weinen benommen. 573 Sie hieß den Boten sitzen: des war er gern bereit. Da sprach die Minnigliche: "Es wäre mir nicht leid, Wenn ich euch geben dürfte zum Botenlohn mein Gold. Dazu seid ihr zu vornehm: so bleib ich sonst denn euch hold. 574 "Und würden dreißig Lande," sprach er, "mein genannt, So empfieng’ ich Gabe doch gern aus eurer Hand." Da sprach die Wohlgezogne: "Wohlan, es soll geschehn." Da hieß sie ihren Kämmerer nach dem Botenlohne gehn. 575 Vierundzwanzig Spangen mit Edelsteinen gut Gab sie ihm zum Lohne. So stund des Helden Muth: Er wollt es nicht behalten: er gab es unverwandt Ihren schönen Maiden, die er in der Kammer fand. 576 Ihre Dienste bot ihm die Mutter gütlich an. "Ich soll euch ferner sagen," sprach der kühne Mann, "Um was der König bittet, gelangt er an den Rhein: Wenn ihr das, Fraue, leistet, er will euch stäts gewogen sein. 577 "Seine reichen Gäste, das ist sein Begehr, Sollt ihr wohl empfangen; auch bittet er euch sehr, Entgegen ihm zu reiten vor Worms ans Gestad. Das ists, warum der König euch in Treun gebeten hat." 578 "Das will ich gern vollbringen," sprach die schöne Magd: "Worin ich ihm kann dienen, das ist ihm unversagt. Mit freundlicher Treue wird all sein Wunsch gethan." Da mehrte sich die Farbe, die sie vor Freude gewann. 579 Nie sah man Fürstenboten beßer wohl empfahn: Wenn sie ihn küssen durfte, sie hätt es gern gethan; Minniglich er anders doch von der Frauen schied. Da thaten die Burgunden, wie da Siegfried ihnen rieth. 580 Sindold und Hunold und Rumold der Degen Großer Unmuße musten sie da pflegen, Als sie die Sitze richteten vor Worms an dem Strand: Die Schaffner des Königs man sehr beflißen da fand. 581 Ortwein und Gere säumten auch nicht mehr, Sie sandten nach den Freunden allwärts umher, Die Hochzeit anzusagen, die da sollte sein; Der zierten sich entgegen viel der schönen Mägdelein. 582 Der Pallas und die Wände waren allzumal Verziert der Gäste wegen; König Gunthers Saal Ward herrlich ausgerüstet für manchen fremden Mann; Das große Hofgelage mit hohen Freuden begann. 583 Da ritten allenthalben die Wege durch das Land Der drei Könge Freunde; die hatte man besandt, Die Gäste zu empfangen, die da sollten kommen. Da wurden aus dem Einschlag viel reicher Kleider genommen. 584 Bald brachte man die Kunde, daß man schon reiten sah Brunhilds Gefolge: Gedränge gab es da Von des Volkes Menge in Burgundenland. Hei! was man kühner Degen da zu beiden Seiten fand! 585 Da sprach die schöne Kriemhild: "Ihr, meine Mägdelein, Die bei dem Empfange mit mir wollen sein, Die suchen aus den Kisten ihr allerbest Gewand: So wird uns Lob und Ehre von den Gästen zuerkannt." 586 Da kamen auch die Recken und ließen vor sich her Schöne Sättel tragen von rothem Golde schwer, Daß drauf die Frauen ritten von Worms an den Rhein. Beßer Pferdgeräthe konnte wohl nimmer sein. 587 Wie warf da von den Mähren den Schein das lichte Gold! Viel Edelsteine glänzten von den Zäumen hold; Die goldenen Schemel auf lichtem Teppich gut Brachte man den Frauen: sie hatten fröhlichen Muth. 588 Die Frauenpferde standen auf dem Hof bereit, Wie gemeldet wurde, für manche edle Maid. Die schmalen Brustriemen sah man die Mähren tragen Von der besten Seide, davon man je hörte sagen. 589 Sechsundachtzig Frauen traten da heraus, Die Kopfgebinde trugen; zu Kriemhild vor das Haus Zogen die Schönen jetzt in reichem Kleid; Da kam in vollem Schmucke auch manche waidliche Maid, 590 Fünfzig und viere aus Burgundenland: Es waren auch die besten, die man irgend fand. Man sah sie gelblockig unter lichten Borten gehn. Was sich bedingt der König, das sah er fleißig geschehn. 591 Von kostbaren Zeugen, den besten, die man fand, Trugen sie vor den Gästen manch herrlich Gewand. Zu ihrer schönen Farbe stand es ihnen gut: Wer Einer abhold wäre, litte wohl an schwachem Muth. 592 Von Hermelin und Zobel viel Kleider man da fand. Da schmückte sich gar Manche den Arm und auch die Hand Mit Spangen auf der Seide, die sie sollten tragen. Es könnt euch dieß Befleißen Niemand wohl zu Ende sagen. 593 Viel Gürtel kunstgeschaffen, kostbar und lang, Ueber lichte Kleider die Hand der Frauen schwang Um edle Ferransröcke von Zeug aus Arabia, Wie man sie besser in aller Welt nicht ersah. 594 Man sah in Brustgeschmeide manch schöne Maid Minniglich sich schnüren. Die mochte tragen Leid, Deren lichte Farbe das Kleid nicht überschien. So schönes Ingesinde hat nun keine Königin. 595 Als die Minniglichen nun trugen ihr Gewand, Die sie da führen sollten, die kamen unverwandt, Die hochgemuthen Recken in großer Zahl daher; Man bracht auch hin viel Schilde und manchen eschenen Sper. Abenteuer 10
Wie Gunther mit Brunhild Hochzeit hielt
596 Jenseits des Rheins sah man dem Gestad Mit allen seinen Gästen den König schon genaht. Da sah man auch am Zaume leiten manche Maid: Die sie empfangen sollten, die waren alle bereit. 597 Als bei den Schiffen ankam von Isenland die Schar Und die der Nibelungen, die Siegfried eigen war, Sie eilten an das Ufer; wohl fliß sich ihre Hand, Als man des Königs Freunde jenseits am Gestade fand. 598 Nun hört auch die Märe von der Königin, Ute der reichen, wie sie die Mägdlein hin Brachte von der Veste und selber ritt zum Strand. Da wurden mit einander viel Maid’ und Ritter bekannt. 599 Der Markgraf Gere führte am Zaum Kriemhildens Pferd Bis vor das Thor der Veste; Siegfried der Degen werth Durft ihr weiter dienen; sie war so schön und hehr. Das ward ihm wohl vergolten von der Jungfrau nachher. 600 Ortwein der kühne führte Ute die Königin, Und so ritt mancher Ritter neben den Frauen hin. Zu festlichem Empfange, das mag man wohl gestehn, Wurden nie der Frauen so viel beisammen gesehn. 601 Viel hohe Ritterspiele wurden da getrieben Von preiswerthen Helden (wie wär es unterblieben?) Vor Kriemhild der schönen, die zu den Schiffen kam. Da hub man von den Mähren viel der Frauen lobesam. 602 Der König war gelandet mit fremder Ritterschaft. Wie brach da vor den Frauen mancher starke Schaft! Man hört’ auf den Schilden erklingen Stoß auf Stoß. Hei! reicher Buckeln Schallen ward im Gedränge da groß! 603 Vor dem Hafen standen die Frauen minniglich; Gunther mit seinen Gästen hub von den Schiffen sich: Er führte Brunhilden selber an der Hand. Wider einander leuchtete schön Gestein und licht Gewand. 604 In höfischen Züchten hin Frau Kriemhild gieng, Wo sie Frau Brunhilden und ihr Gesind empfieng. Man konnte lichte Hände am Kränzlein rücken sehn, Da sich die Beiden küssten: das war aus Liebe geschehn. 605 Da sprach wohlgezogen Kriemhild das Mägdelein: "Ihr sollt uns willkommen in diesem Lande sein, Mir und meiner Mutter, und Allen, die uns treu Von Mannen und von Freunden." Da verneigten sich die Zwei. 606 Oftmals mit den Armen umfiengen sich die Fraun. So minniglich Empfangen war nimmer noch zu schaun, Als die Frauen beide der Braut da thaten kund, Frau Ute mit der Tochter: sie küssten oft den süßen Mund. 607 Da Brunhilds Frauen alle nun standen auf dem Strand, Von waidlichen Recken wurden bei der Hand Freundlich genommen viel Frauen ausersehn. Man sah die edeln Maide vor Frau Brunhilden stehn. 608 Bis der Empfang vorüber war, das währte lange Zeit, Manch rosigem Munde war da ein Kuß bereit. Noch standen bei einander die Königinnen reich: Das freuten sich zu schauen viel der Recken ohne Gleich. 609 Da spähten mit den Augen, die oft gehört vorher, Man hab also Schönes gesehen nimmermehr Als die Frauen beide: das fand man ohne Lug. Man sah an ihrer Schöne auch nicht den mindesten Trug. 610 Wer Frauen schätzen konnte und minniglichen Leib, Der pries um ihre Schöne König Gunthers Weib; Doch sprachen da die Kenner, die es recht besehn, Man müße vor Brunhilden den Preis Kriemhilden zugestehn. 611 Nun giengen zu einander Mägdelein und Fraun; Es war in hoher Zierde manch schönes Weib zu schaun. Da standen seidne Hütten und manches reiche Zelt, Womit man erfüllt sah hier vor Worms das ganze Feld. 612 Des Könige Freunde drängten sich, um sie zu sehn. Da hieß man Brunhilden und Kriemhilden gehn Und all die Fraun mit ihnen hin, wo sich Schatten fand; Es führten sie die Degen aus der Burgunden Land. 613 Nun waren auch die Gäste zu Ross geseßen all; Da gabs beim Lanzenbrechen durch Schilde lauten Schall. Das Feld begann zu stäuben, als ob das ganze Land Entbrannt wär in der Lohe: da machten Helden sich bekannt. 614 Was da die Recken thaten, sah manche Maid mit an. Wohl ritt mit seinen Degen Siegfried der kühne Mann In mancher Wiederkehre vorbei an dem Gezelt; Der Nibelungen führte tausend Degen der Held. 615 Da kam von Tronje Hagen, wie ihm der König rieth; Der Held mit guter Sitte die Ritterspiele schied, Daß sie nicht bestaubten die schönen Mägdelein: Da mochten ihm die Gäste gerne wohl gehorsam sein. 616 Da sprach der edle Gernot: "Die Rosse laßt stehn, Bis es beginnt zu kühlen, daß wir die Frauen schön Mit unserm Dank geleiten bis vor den weiten Saal; Will dann der König reiten, find er euch bereit zumal." 617 Das Kampfspiel war vergangen über all dem Feld: Da giengen kurzweilen in manches hohe Zelt Die Ritter zu den Frauen um hoher Lust Gewinn: Da vertrieben sie die Stunden, bis sie weiter sollten ziehn. 618 Vor des Abends Nahen, als sank der Sonne Licht Und es begann zu kühlen, ließ man es länger nicht: Zu der Veste huben Fraun und Ritter sich; Mit Augen ward geliebkost mancher Schönen minniglich. 619 Von guten Knechten wurden viel Pferde müd geritten Vor den Hochgemuthen nach des Landes Sitten, Bis vor dem Saale abstieg der König werth. Da diente man den Frauen und hob sie nieder vom Pferd. 620 Da wurden auch geschieden die Königinnen reich. Hin gieng Frau Ute und Kriemhild zugleich Mit ihrem Ingesinde in ein weites Haus: Da vernahm man allenthalben der Freude rauschenden Braus. 621 Man richtete die Stühle: der König wollte gehn Zu Tisch mit den Gästen. Da sah man bei ihm stehn Brunhild die schöne, die da die Krone trug In des Königs Lande: sie erschien wohl reich genug. 622 Da sah man schöne Sitze und gute Tafeln breit Mit Speisen beladen, so hörten wir Bescheid. Was sie da haben sollten, wie wenig fehlte dran! Da sah man bei dem König gar manchen herrlichen Mann. 623 Des Wirthes Kämmerlinge im Becken goldesroth Reichten ihnen Wasser. Das wär vergebne Noth, Sagte wer, man hätte je fleißgern Dienst gethan Bei eines Fürsten Hochzeit: ich glaubte schwerlich daran. 624 Eh der Vogt am Rheine hier das Wasser nahm, Zu Gunthern trat da Siegfried, er durft es ohne Scham, Und mahnt’ ihn seiner Treue, die er ihm gab zu Pfand, Bevor er Brunhilden daheim gesehn in Isenland. 625 Er sprach zu ihm: "Gedenket, mir schwur eure Hand, Wenn wir Frau Brunhild brächten in dieß Land, Ihr gäbt mir eure Schwester: wo blieb nun der Eid? Ihr wißt, bei eurer Reise war keine Mühe mir leid." 626 Da sprach der Wirth zum Gaste: "Recht, daß ihr mich mahnt. Ich will den Eid nicht brechen, den ich schwur mit Mund und Hand, Ich helf es euch fügen, so gut es mag geschehn." Da hieß man Kriemhilden zu Hof vor den König gehn. 627 Mit ihren schönen Maiden kam sie vor den Saal. Da sprang von einer Stiege Geiselher zu Thaname = "note" "Nun heißt wiederkehren diese Mägdelein: Meine Schwester soll alleine hier bei dem Könige sein." 628 Hin brachten sie Kriemhilden, wo man den König fand: Da standen edle Ritter von mancher Fürsten Land. In dem weiten Saale hieß man sie stille stehn; Frau Brunhilden sah man eben auch zu Tische gehn. 629 Sie hatte keine Kunde, was da im Werke war. Da sprach König Dankrats Sohn zu seiner Mannen Schar: "Helft mir, daß meine Schwester Siegfrieden nimmt zum Mann." Sie sprachen einhellig: "Das wäre gar wohl gethan." 630 Da sprach der König Gunther: "Schwester, edle Maid, Bei deiner Zucht und Güte löse meinen Eid. Ich schwur dich einem Recken, und nimmst du ihn zum Mann, So hast du meinen Willen mit großen Treuen gethan." 631 Die edle Maid versetzte: "Lieber Bruder mein, Ihr sollt mich nicht flehen, ich will gehorsam sein. Wie ihr mir gebietet, so soll es sein gethan: Dem will ich mich verloben, den ihr, Herr, mir gebt zum Mann." 632 Von lieber Augenweide Ward Siegfrieds Farbe roth: Zu Diensten sich der Recke Frau Kriemhilden bot. Man ließ sie mit einander in einem Kreise stehn, Und frug sie, ob sie wolle diesen Recken ausersehn? 633 Scheu, wie Mädchen pflegen, schämte sie sich ein Theil; Jedoch war Siegfrieden so günstig Glück und Heil, Daß sie nicht verschmähen wollte seine Hand. Auch versprach sich ihr zum Manne der edle Held von Niederland. 634 Da er sich ihr verlobte und sich ihm die Maid, Ein gütlich Umfangen war da alsbald bereit Von Siegfriedens Armen dem schönen Mägdlein zart: Die edle Königin küsst’ er in der Helden Gegenwart. 635 Sich schied das Gesinde. Als das geschah, Auf dem Ehrenplatze man Siegfrieden sah, Mit Kriemhilden sitzen; da dient’ ihm mancher Mann. Man sah die Nibelungen mit ihm den Sitzen sich nahm. 636 Der König saß zu Tische bei Brunhild der Maid. Da sah sie Kriemhilden (nichts war ihr je so leid) Bei Siegfrieden sitzen: zu weinen hub sie an, Daß ihr manch heiße Thräne über lichte Wangen rann. 637 Da sprach der Wirth des Landes: "Was ist euch, Fraue mein, Daß ihr so trüben laßet lichter Augen Schein? Ihr solltet recht euch freuen: euch ist unterthan Mein Land und reiche Burgen und mancher waidliche Mann." 638 "Recht weinen sollt ich eher," sprach die schöne Maid. "Deiner Schwester wegen trag ich Herzeleid. Ich seh sie sitzen neben dem Eigenholden dein: Wohl muß ich immer weinen, soll sie so erniedrigt sein." 639 Da sprach der König Gunther: "Schweigt davon jetzt still, Da ich euch ein andermal die Kunde sagen will, Warum meine Schwester Siegfrieden ward gegeben. Wohl mag sie mit dem Recken allezeit in Freuden leben." 640 Sie sprach: "Mich jammern immer ihre Schönheit, ihre Zucht; Wüst ich, wohin ich sollte, ich nähme gern die Flucht Und wollt euch nimmer eher nahe liegen bei, Bis ich wüste, weshalb Kriemhild die Braut von Siegfrieden sei." 641 Da sprach König Gunther: "Ich mach es euch bekannt: Er hat selber Burgen wie ich und weites Land. Das dürft ihr sicher glauben, er ist ein König reich: Drum gönn ich ihm zum Weibe die schöne Magd ohne Gleich." 642 Was ihr der König sagte, traurig blieb ihr Muth. Da eilte von den Tischen mancher Ritter gut: Das Kampfspiel ward so heftig, daß rings die Burg erklang. Dem Wirth bei seinen Gästen ward die Weile viel zu lang. 643 Er dacht: "Ich läge sanfter der schönen Frauen bei." Er wurde des Gedankens nicht mehr im Herzen frei, Von ihrer Minne müße ihm Liebes viel geschehn. Da begann er freundlich Frau Brunhilden anzusehn. 644 Vom Ritterspiel die Gäste bat man abzustehn: Mit seinem Weibe wollte zu Bett der König gehn. Vor des Saales Stiege begegneten da Sich Kriemhild und Brunhild; noch in Güte das geschah. 645 Da kam ihr Ingesinde; sie säumten länger nicht: Ihre reichen Kämmerlinge brachten ihnen Licht. Es theilten sich die Recken in beider Könge Lehn. Da sah man viel der Degen hinweg mit Siegfrieden gehn. 646 Die Helden kamen beide hin, wo sie sollten liegen. Da dachte Jedweder mit Minnen obzusiegen Den minniglichen Frauen: des freute sich ihr Muth. Siegfriedens Kurzweil die wurde herrlich und gut. 647 Als Siegfried der Degen bei Kriemhilden lag Und er da der Jungfrau so minniglich pflag Mit seinem edeln Minnen, sie ward ihm wie sein Leben: Er hätte nicht die eine für tausend andre gegeben. 648 Ich sag euch nicht weiter, wie er der Frauen pflag. Nun hört diese Märe, wie König Gunther lag Bei Brunhild der Frauen; der zierliche Degen Hätte leichtlich sanfter bei andern Frauen gelegen. 649 Das Volk hatt ihn verlaßen zumal, so Frau als Mann: Da ward die Kemenate balde zugethan. Er wähnt’, er solle kosen ihren minniglichen Leib: Da währt’ es noch gar lange, bevor sie wurde sein Weib.
650 Im weißen Linnenhemde gieng sie ins Bett hinein. Der edle Ritter dachte: "Nun ist das alles mein, Wes mich je verlangte in allen meinen Tagen." Sie must ob ihrer Schöne mit großem Recht ihm behagen. 651 Das Licht begann zu bergen des edeln Königs Hand. Hin gieng der kühne Degen, wo er die Jungfrau fand. Er legte sich ihr nahe: seine Freude die war groß, Als die Minnigliche der Held mit Armen umschloß. 652 Minnigliches Kosen möcht er da viel begehn, Ließe das willig die edle Frau geschehn. Doch zürnte sie gewaltig: den Herrn betrübte das. Er wähnt, er fände Freude, da fand er feindlichen Haß. 653 Sie sprach: "Edler Ritter, laßt euch das vergehn: Was ihr da habt im Sinne, das kann nicht geschehn. Ich will noch Jungfrau bleiben, Herr König, merkt euch das, Bis ich die Mär erfahre." Da faßte Gunther ihr Haß. 654 Er rang nach ihrer Minne und zerrauft’ ihr Kleid. Da griff nach einem Gürtel die herrliche Maid, Einer starken Borte, die sie um sich trug: Da that sie dem König großen Leides genug. 655 Die Füß und die Hände sie ihm zusammenband, Zu einem Nagel trug sie ihn und hieng ihn an die Wand. Als er im Schlaf sie störte, sein Minnen sie verbot. Von ihrer Stärke hätt er beinah gewonnen den Tod. 656 Da begann zu flehen, der Meister sollte sein: "Nun löst mir die Bande, viel edle Fraue mein. Ich getrau euch, schöne Herrin, doch nimmer obzusiegen Und will auch wahrlich selten mehr so nahe bei euch liegen." 657 Sie frug nicht, wie ihm wäre, da sie in Ruhe lag. Dort must er hangen bleiben die Nacht bis an den Tag, Bis der lichte Morgen durchs Fenster warf den Schein: Hatt er je Kraft beseßen, die ward an seinem Leibe klein. 658 "Nun sagt mir, Herr Gunther, ist euch das etwa leid, Wenn euch gebunden finden," sprach die schöne Maid, "Eure Kämmerlinge von einer Frauen Hand?" Da sprach der edle Ritter: "Das würd euch übel gewandt. 659 "Auch wär mirs wenig Ehre," sprach der edle Mann: "Bei eurer Zucht und Güte nehmt mich nun bei euch an. Und ist euch meine Minne denn so mächtig leid, So will ich nie berühren mit meiner Hand euer Kleid." 660 Da löste sie den König, daß er nicht länger hieng; Wieder an das Bette er zu der Frauen gieng. Er legte sich so ferne, daß er ihr Hemde fein Nicht oft darnach berührte: auch wollte sie des ledig sein. 661 Da kam auch ihr Gesinde, das brachte neu Gewand: Des war heute Morgen genug für sie zur Hand. Wie froh man da gebahrte, traurig war genug Der edle Wirth des Landes, wie er des Tags die Krone trug. 662 Nach des Landes Sitte, die zu begehen Pflicht, Unterließ es Gunther mit Brunhild länger nicht: Sie giengen nach dem Münster, wo man die Messe sang. Dahin auch kam Herr Siegfried; da hob sich mächtiger Drang. 663 Nach königlichen Ehren war da für sie bereit, Was sie haben sollten, die Krone wie das Kleid. Da ließen sie sich weihen: als das war geschehn, Da sah man unter Krone alle Viere herrlich stehn. 664 Das Schwert empfiengen Knappen, sechshundert oder mehr, Den Königen zu Ehren auf meines Worts Gewähr. Da hob sich große Freude in Burgundenland: Man hörte Schäfte brechen an der Schwertdegen Hand. 665 Da saßen in den Fenstern die schönen Mägdelein. Sie sahen vor sich leuchten manches Schildes Schein. Nun hatte sich der König getrennt von seinem Lehn: Was man beginnen mochte, er ließ es trauernd geschehn. 666 Ihm und Siegfrieden ungleich stand der Muth: Wohl wuste, was ihm fehlte, der edle Ritter gut. Da gieng er zu dem König, zu fragen er begann: "Wie ists euch gelungen die Nacht, das saget mir an." 667 Da sprach der Wirth zum Gaste: "Den Schimpf und den Schaden Hab ich an meiner Frauen in mein Haus geladen. Ich wähnte sie zu minnen, wie schnell sie mich da band! Zu einem Nagel trug sie mich und hieng mich hoch an die Wand. 668 "Da hieng ich sehr in Aengsten die Nacht bis an den Tag. Eh sie mich wieder löste, wie sanft sie da lag! Das sei dir in der Stille geklagt in Freundlichkeit." Da sprach der starke Siegfried: "Das ist in Wahrheit mir leid. 669 "Das will ich euch beweisen, verschmerzt ihr den Verdruß. Ich schaffe, daß sie heute Nacht so nah euch liegen muß, Daß sie euch ihre Minne nicht länger vorenthält." Die Rede hörte gerne nach seinem Leide der Held. 670 "Nun schau meine Hände, wie die geschwollen sind: Die drückte sie so mächtig, als wär ich ein Kind, Daß Blut mir allenthalben aus den Nägeln drang. Ich hegte keinen Zweifel, mein Leben währe nicht lang." 671 Da sprach der starke Siegfried: "Es wird noch Alles gut. Uns Beiden war wohl ungleich heute Nacht zu Muth. Mir ist deine Schwester wie Leben lieb und Leib! So muß nun auch Frau Brunhild noch heute werden dein Weib. 672 "Ich komme heut Abend zu deinem Kämmerlein Also wohl verborgen in der Tarnkappe mein, Daß sich meiner Künste Niemand mag versehn. Laß dann die Kämmerlinge zu ihren Herbergen gehn: 673 "So lesch ich den Knappen die Lichter an der Hand: Bei diesem Wahrzeichen sei dir bekannt, Daß ich hereingetreten. Wohl zwing ich dir dein Weib, Daß du sie heute minnest, ich verlör’ denn Leben und Leib." 674 "Wenn du sie nicht minnest," der König sprach da so, "Meine liebe Fraue: des Andern bin ich froh; Was du auch thust und nähmst du Leben ihr und Leib, Das wollt ich wohl verschmerzen: sie ist ein schreckliches Weib." 675 "Das nehm ich," sprach da Siegfried, "auf die Treue mein, Daß ich sie nicht berühre; die liebe Schwester dein Geht mir über alle, die ich jemals sah." Wohl glaubte König Gunther der Rede Siegfriedens da. 676 Da gabs von Ritterspielen Freude so wie Noth. Den Buhurd und das Lärmen man allzumal verbot. Als die Frauen sollten nach dem Saale gehn, Geboten Kämmerlinge den Leuten, nicht im Weg zu stehn. 677 Von Rossen und von Leuten räumte man den Hof. Der Frauen Jedwede führt’ ein Bischof, Als sie vor den Königen zu Tische sollten gehn. Ihnen folgten zu den Stühlen viel der Degen ausersehn. 678 Bei seinem Weib der König in froher Hoffnung saß: Was Siegfried ihm verheißen, im Sinne lag ihm das. Der eine Tag ihn dauchte wohl dreißig Tage lang: Nach Brunhildens Minne all sein Denken ihm rang. 679 Er konnt es kaum erwarten, bis vorbei das Mahl. Brunhild die schöne rief man aus dem Saal Und auch Kriemhilden: sie sollten schlafen gehn: Hei! was man kühner Degen sah vor den Königinnen stehn! 680 Siegfried der Herre gar minniglich saß Bei seinem schönen Weibe mit Freuden ohne Haß. Sie kos’te seine Hände mit ihrer weißen Hand, Bis er ihr vor den Augen, sie wuste nicht wie, verschwand. 681 Da sie mit ihm spielte und sie ihn nicht mehr sah, Zu seinem Ingesinde sprach die Königin da: "Mich wundert sehr, wo ist doch der König hingekommen? Wer hat seine Hände mir aus den meinen genommen?" 682 Sie ließ die Rede bleiben. Da eilt’ er hinzugehn, Wo er die Kämmerlinge fand mit Lichtern stehn: Die lescht’ er unversehens den Knappen an der Hand: Daß es Siegfried wäre, das war da Gunthern bekannt. 683 Wohl wust er, was er wolle: er ließ von dannen gehn Mägdelein und Frauen. Als das war geschehn, Der edle König selber verschloß der Kammer Thür: Starker Riegel zweie die warf er eilends dafür. 684 Hinterm Bettvorhange barg er der Kerzen Licht. Ein Spiel sogleich begannen, vermeiden ließ sichs nicht, Siegfried der starke und die schöne Maid: Das war dem König Gunther beides lieb und auch leid. 685 Da legte sich Siegfried der Königin bei. Sie sprach: "Nun laßt es, Gunther, wie lieb es euch auch sei, Daß ihr nicht Noth erleidet heute so wie eh: Oder euch geschieht hier von meinen Händen wieder Weh." 686 Er hehlte seine Stimme, kein Wörtlein sprach er da. Wohl hörte König Gunther, obgleich er sie nicht sah, Daß Heimliches von Beiden wenig geschehen sei; Nicht viel bequeme Ruhe im Bette fanden die Zwei. 687 Er stellte sich, als wär er Gunther der König reich; Er umschloß mit Armen das Mägdlein ohne Gleich. Sie warf ihn aus dem Bette dabei auf eine Bank, Daß laut an einem Schemel ihm das Haupt davon erklang. 688 Wieder auf mit Kräften sprang der kühne Mann, Es beßer zu versuchen: wie er das begann, Daß er sie zwingen wollte, da widerfuhr ihm Weh. Ich glaube nicht, daß solche Wehr von Frauen je wieder gescheh. 689 Da ers nicht laßen wollte, das Mägdlein aufsprang: "Euch ziemt nicht zu zerraufen mein Hemd also blank. Ihr seid ungezogen: das wird euch noch leid. Des bring ich euch wohl inne," sprach die waidliche Maid. 690 Sie umschloß mit den Armen den theuerlichen Degen Und wollt ihn auch in Bande wie den König legen, Daß sie im Bette läge mit Gemächlichkeit. Wie grimmig sie das rächte, daß er zerzerret ihr Kleid! 691 Was half ihm da die Stärke, was seine große Kraft? Sie erwies dem Degen ihres Leibes Meisterschaft. Sie trug ihn übermächtig, das muste nur so sein, Und drückt ihn ungefüge bei dem Bett an einen Schrein. 692 "O weh," gedacht er, "soll ich Leben nun und Leib Von einer Maid verlieren, so mag jedes Weib In allen künftgen Zeiten tragen Frevelmuth Dem Mann gegenüber, die es sonst wohl nimmer thut." 693 Der König hörte Alles; er bangte für den Mann. Da schämte sich Siegfried, zu zürnen fieng er an. Mit ungefügen Kräften ihr widersetzt’ er sich Und versuchte seine Stärke an Brunhilden ängstiglich. 694 Wie sie ihn niederdrückte, sein Zorn erzwang es noch Und seine starken Kräfte, daß ihr zum Trotz er doch Sich aufrichten konnte; seine Angst war groß. Sie gaben in der Kammer sich her und hin manchen Stoß. 695 Auch litt König Gunther Sorgen und Beschwer: Er muste manchmal flüchten vor ihnen hin und her. Sie rangen so gewaltig, daß es Wunder nahm, Wie Eins vor dem Andern mit dem Leben noch entkam. 696 Den König Gunther ängstigte beiderseits die Noth; Doch fürchtet’ er am meisten Siegfriedens Tod. Wohl hätte sie dem Degen das Leben schier benommen: Dürft er nur, er wär ihm gern zu Hülfe gekommen. 697 Gar lange zwischen Beiden dauerte der Streit; Da bracht er an das Bette zuletzt zurück die Maid: Wie sehr sie sich auch wehrte, die Wehr ward endlich schwach. Gunther in seinen Sorgen hieng mancherlei Gedanken nach. 698 Es währte lang dem König, bis Siegfried sie bezwang. Sie drückte seine Hände, daß aus den Nägeln sprung Das Blut von ihren Kräften; das war dem Helden leid. Da zwang er zu verläugnen diese herrliche Maid 699 Den ungestümen Willen, den sie erst dargethan. Alles vernahm der König, doch hört ers schweigend an. Er drückte sie ans Bette, daß sie aufschrie laut: Des starken Siegfrieds Kräfte schmerzten übel die Braut. 700 Da griff sie nach der Hüfte, wo sie die Borte fand, Und dacht’ ihn zu binden: doch wehrt’ es seine Hand, Daß ihr die Glieder krachten, dazu der ganze Leib. Da war der Streit zu Ende: da wurde sie Gunthers Weib. 701 Sie sprach: "Edler König, nimm mir das Leben nicht: Was ich dir that zu Leide, vergüt ich dir nach Pflicht. Ich wehre mich nicht wieder der edeln Minne dein: Ich hab es wohl erfahren, daß du magst Frauen Meister sein." 702 Aufstand da Siegfried, liegen blieb die Maid, Als dächt er abzuwerfen eben nur das Kleid. Er zog ihr vom Finger ein Ringlein von Gold, Daß es nicht gewahrte die edle Königin hold, 703 Auch nahm er ihren Gürtel, eine Borte gut. Ich weiß nicht, geschah es aus hohem Uebermuth. Er gab ihn seinem Weibe: das ward ihm später leid. Da lagen bei einander der König und die schöne Maid.
704 Er pflag der Frauen minniglich, wie es geziemend war: Scham und Zorn verschmerzen muste sie da gar. Von seinen Heimlichkeiten ihre lichte Farb erblich. Hei! wie von der Minne die große Kraft ihr entwich! 705 Da war auch sie nicht stärker als ein ander Weib. Minniglich umfieng er ihren schönen Leib; Wenn sie noch widerstände, was könnt es sie verfahn? Das hatt ihr Alles Gunther mit seinem Minnen gethan. 706 Wie minniglich der Degen da bei der Frauen lag In freundlicher Liebe bis an den lichten Tag! Inzwischen war Herr Siegfried längst schon hindann: Da ward er wohl empfangen von einer Frauen wohlgethan. 707 Er wich allen Fragen aus, die sie erdacht, Und hehlt’ ihr noch lang, was er mitgebracht, Bis er daheim das Kleinod ihr doch am Ende gab: Das brachte viel der Degen mit ihm selber ins Grab. 708 Dem Wirth am andern Morgen viel höher stand der Muth, Als am ersten Tage: da ward die Freude gut In allen seinen Landen bei manchem edeln Mann. Die er zu Hof geladen, denen ward viel Dienst gethan. 709 Vierzehn Tage währte diese Lustbarkeit, Daß sich der Schall nicht legte in so langer Zeit Von aller Lust und Kurzweil, die man erdenken mag. Wohl verwandte hohe Kosten der König bei dem Hofgelag. 710 Des edeln Wirthes Freunde, wie es der Herr gewollt, Verschenkten ihm zu Ehren Kleider und rothes Gold, Silber auch und Rosse an manchen fremden Mann. Die gerne Gaben nahmen, die schieden fröhlich hindann. 711 Auch der kühne Siegfried aus dem Niederland Mit seinen tausend Mannen all das Gewand, Das sie gebracht zum Rheine, ward ganz dahin gegeben, Schöne Ross’ und Sättename = "note" sie wusten herrlich zu leben. 712 Bevor die reiche Gabe noch alle war verwandt, Schon daucht es die zu lange, die wollten in ihr Land. Nie sah man ein Gesinde mehr so wohl verpflegen. So endete die Hochzeit: da schied von dannen mancher Degen. Abenteuer 11
Wie Siegfried mit seinem Weibe heimkehrte
713 Als die Gäste waren gefahren all davon, Da sprach zu dem Gesinde König Siegmunds Sohn: "Wir wollen auch uns rüsten zur Fahrt in unser Land." Lieb ward es seinem Weibe, als ihr die Märe ward bekannt. 714 Sie sprach zu ihrem Manne: "Wann sollen wir nun fahren? So sehr damit zu eilen will ich mich bewahren: Erst sollen mit mir theilen meine Brüder dieses Land." Leid war es Siegfrieden, als ers an Kriemhilden fand. 715 Die Fürsten giengen zu ihm und sprachen alle drei: "Wißt nun, Herr Siegfried, daß euch immer sei Unser Dienst mit Treue bereit bis in den Tod." Er neigte sich den Herren, da mans so wohl ihm erbot. 716 "Wir wolln auch mit euch theilen," sprach Geiselher das Kind, "Das Land und die Burgen, die unser eigen sind, Und was der weiten Reiche uns ist unterthan; Ihr empfangt mit Kriemhild euer volles Theil daran." 717 Der Sohn König Siegmunds sprach zu den Fürsten da, Als er den guten Willen der Herren hört und sah: "Gott laß euch euer Erbe gesegnet immer sein Und auch die Leute drinnen: es mag die liebe Fraue mein 718 "Des Theils wohl entrathen, den ihr ihr wolltet geben: Wo sie soll Krone tragen, mögen wirs erleben, Da muß sie reicher werden, als wer ist auf der Welt. Was ihr sonst gebietet, ich bin euch dienstlich gesellt." 719 Da sprach aber Kriemhild: "Wenn ihr mein Land verschmäht, Um die Burgundendegen es so gering nicht fleht; Die mag ein König gerne führen in sein Land: Wohl soll sie mit mir theilen meiner lieben Brüder Hand." 720 Da sprach König Gernot: "Nimm, die du willst, mit dir. Die gerne mit dir reiten, du findest Viele hier. Von dreißighundert Recken nimm dir tausend Mann Zu deinem Hausgesinde." Kriemhild zu senden begann 721 Nach Hagen von Tronje und nach Ortwein, Ob sie und ihre Freunde Kriemhildens wollten sein. Da gewann darüber Hagen ein zorniges Leben: Er sprach: "Uns kann Gunther in der Welt an Niemand vergeben. 722 "Ander Ingesinde nehmt zu eurer Fahrt; Ihr werdet ja wohl kennen der Tronejer Art. Wir müßen bei den Königen bleiben so fortan Und denen ferner dienen, deren Dienst wir stäts versahn." 723 Sie ließen es bewenden und machten sich bereit. Ihres edeln Ingesindes nahm Kriemhild zum Geleit Zweiunddreißig Mägdelein und fünfhundert Mann; Eckewart der Markgraf zog mit Kriemhild hindann. 724 Da nahmen alle Urlaub, Ritter so wie Knecht, Mägdelein und Frauen: so war es Fug und Recht. Unter Küssen scheiden sah man sie unverwandt, Und jene räumten fröhlich dem König Gunther das Land. 725 Da geleiteten die Freunde sie fern auf ihren Wegen. Allenthalben ließ man ihnen Nachtherberge legen, Wo sie die nehmen wollten in der Könge Land. Da wurden bald auch Boten dem König Siegmund gesandt, 726 Damit er wißen sollte und auch Frau Siegelind, Sein Sohn solle kommen mit Frau Utens Kind, Kriemhild der schönen, von Worms über Rhein. Diese Mären konnten ihnen nimmer lieber sein. 727 "Wohl mir," sprach da Siegmund, "daß ich den Tag soll sehn, Da hier die schöne Kriemhild soll unter Krone gehn! Das erhöht im Werthe mir all das Erbe mein: Mein Sohn Siegfried soll nun selbst hier König sein." 728 Da gab ihnen Siegelind zu Kleidern Sammet roth Und schweres Gold und Silber: das war ihr Botenbrot. Sie freute sich der Märe, die sie da vernahm. All ihr Ingesinde sich mit Fleiß zu kleiden begann. 729 Man sagt’ ihr, wer da käme mit Siegfried in das Land. Da hieß sie Gestühle errichten gleich zur Hand, Wo er vor den Freunden sollt unter Krone gehn. Entgegen ritten ihnen Die in König Siegmunds Lehn. 730 Wer beßer wäre empfangen, mir ist es unbekannt, Als die Helden wurden in Siegmundens Land. Kriemhilden seine Mutter Sieglind entgegenritt Mit viel der schönen Frauen; kühne Ritter zogen mit 731 Wohl eine Tagereise, bis man die Gäste sah. Die Heimischen und Fremden litten Beschwerde da, Bis sie endlich kamen zu einer Veste weit, Die Santen war geheißen, wo sie Krone trugen nach der Zeit. 732 Mit lachendem Munde Siegmund und Siegelind Manche liebe Weile küssten sie Utens Kind Und Siegfried den Degen; ihnen war ihr Leid benommen. All ihr Ingesinde hieß man fröhlich willkommen. 733 Da brachten sie die Gäste vor König Siegmunds Saal. Die schönen Jungfrauen hub man allzumal Von den Mähren nieder; da war mancher Mann, Der den schönen Frauen mit Fleiß zu dienen begann. 734 So prächtig ihre Hochzeit am Rhein war bekannt, Doch gab man hier den Helden köstlicher Gewand, Als sie all ihr Leben je zuvor getragen. Man mochte große Wunder von ihrem Reichthume sagen. 735 So saßen sie in Ehren und hatten genug. Was goldrothe Kleider ihr Ingesinde trug! Edel Gestein und Borten sah man gewirkt darin. So verpflag sie fleißig Sieglind die edle Königin. 736 Da sprach vor seinen Freunden der König Siegmund: "Allen meinen Freunden thu ichs heute kund, Daß Siegfried meine Krone hier hinfort soll tragen." Die Märe hörten gerne Die von Niederlanden sagen. 737 Er befahl ihm seine Krone mit Gericht und Land: Da war er Herr und König. Wem er den Rechtsspruch fand Und wen er strafen sollte, das wurde so gethan, Daß man wohl fürchten durfte der schönen Kriemhilde Mann. 738 In diesen hohen Ehren lebt’ er, das ist wahr, Und richtet’ unter Krone bis an das zehnte Jahr, Da die schöne Königin einen Sohn gewann, An dem des Königs Freunde ihren Wunsch und Willen sahn. 739 Alsbald ließ man ihn taufen und einen Namen nehmen: Gunther, nach seinem Oheim, des dürft er sich nicht schämen. Gerieth’ er nach den Freunden, er würd ein kühner Mann. Man erzog ihn sorgsam: sie thaten auch recht daran. 740 In denselben Zeiten starb Frau Siegelind: Da nahm die volle Herrschaft der edeln Ute Kind, Wie so reicher Frauen geziemte wohl im Land. Es ward genug betrauert, daß der Tod sie hatt entwandt. 741 Nun hatt auch dort am Rheine, wie wir hören sagen, Gunther dem reichen einen Sohn getragen Brunhild die schöne in Burgundenland. Dem Helden zu Liebe ward er Siegfried genannt. 742 Mit welchen Sorgen immer man sein hüten hieß! Von Hofmeistern Gunther ihn Alles lehren ließ, Was er bedürfen möchte, erwüchs’ er einst zum Mann. Hei, was ihm bald das Unglück der Verwandten abgewann! 743 Zu allen Zeiten Märe war so viel gesagt, Wie doch so herrlich die Degen unverzagt Zu allen Stunden lebten in Siegmundens Land: So lebt’ auch König Gunther mit seinen Freunden auserkannt. 744 Das Land der Nibelungen war Siegfried unterthan Keiner seiner Freunde je größern Schatz gewann) Mit Schilbungens Recken und der Beiden Gut. Darüber trug der Kühne desto höher den Muth. 745 Hort den allermeisten, den je ein Held gewann, Nach den ersten Herren, besaß der kühne Mann, Den vor einem Berge seine Hand erwarb im Streit: Er schlug darum zu Tode manchen Ritter allbereit. 746 Vollauf besaß er Ehre, und hätt ers halb entbehrt, Doch müste man gestehen dem edeln Recken werth, Daß er der Beste wäre, der je auf Rossen saß. Man scheute seine Stärke, mit allem Grunde that man das. Abenteuer 12
Wie Gunther Siegfrieden zum Hofgelage lud
747 Da dacht auch alle Tage Brunhild die Königin: "Wie trägt nur Frau Kriemhild so übermüthgen Sinn! Nun ist doch unser Eigen Siegfried ihr Mann: Der hat uns nun schon lange wenig Dienste gethan." 748 Das trug sie im Herzen in großer Heimlichkeit; Daß sie ihr fremde blieben, das war der Frauen leid. Daß man ihr nicht zinste von des Fürsten Land, Woher das wohl käme, das hätte sie gern erkannt. 749 Sie versucht’ es bei dem König, ob es nicht geschehn Möchte, daß sie Kriemhild noch sollte wiedersehn. Sie vertraut’ ihm heimlich, worauf ihr sann der Muth; Da dauchte den König der Frauen Rede nicht gut. 750 "Wie könnten wir sie bringen," sprach der König hehr, "Her zu diesem Lande? das fügt sich nimmermehr. Sie wohnen uns zu ferne: ich darf sie nicht drum bitten." Da gab ihm Brunhild Antwort mit gar hochfährtgen Sitten: 751 "Und wäre noch so mächtig eines Königs Mann, Was ihm sein Herr gebietet, das muß doch sein gethan." Lächeln muste Gunther ihrer Rede da: Er nahm es nicht als Dienst an, wenn er Siegfrieden sah. 752 Sie sprach: "Lieber Herre, bei der Liebe mein, Hilf mir, daß Siegfried und die Schwester dein Zu diesem Lande kommen und wir sie hier ersehn: So könnte mir auf Erden nimmer lieber geschehn. 753 "Deiner Schwester Güte, ihr wohlgezogner Muth, Wenn ich daran gedenke, wie wohl mirs immer thut; Wie wir beisammen saßen, als ich dir ward vermählt! Sie hat sich mit Ehren den kühnen Siegfried erwählt." 754 Da bat sie ihn so lange, bis der König sprach: "Nun wißt, daß ich Gäste nicht lieber sehen mag. Ihr mögt mich leicht erbitten: ich will die Boten mein Zu ihnen beiden senden, daß sie kommen an den Rhein." 755 Da sprach die Königstochter: "So sollt ihr mir sagen, Wann ihr sie wollt besenden, oder zu welchen Tagen Die lieben Freunde sollen kommen in dieß Land; Die ihr dahin wollt senden, die macht zuvor mir bekannt." 756 "Das will ich," sprach der König: "dreißig aus meinem Lehn Laß ich zu ihnen reiten." Die hieß er vor sich gehn: Durch sie entbot er Märe in Siegfriedens Land. Da beschenkte sie Frau Brunhild mit manchem reichen Gewand. 757 Der König sprach: "Ihr Recken sollt von mir sagen Und nichts von dem verschweigen, was ich euch aufgetragen, Siegfried dem starken und der Schwester mein, Ihnen dürf auf Erden nimmer Jemand holder sein. 758 "Und bittet, daß sie beide uns kommen an den Rhein: Dafür will ich und Brunhild ihnen stäts gewogen sein. Vor dieser Sonnenwende soll er hier Manchen sehn, Er und seine Mannen, die ihm Ehre laßen geschehn. 759 "Vermeldet auch dem König Siegmund die Dienste mein, Daß ich und meine Freunde ihm stäts gewogen sein. Und bittet meine Schwester, daß sie’s nicht unterläßt Und zu den Freunden reitet: nie ziemt’ ihr so ein Freudenfest." 760 Brunhild und Ute und was man Frauen fand, Die entboten ihre Dienste in Siegfriedens Land Den minniglichen Frauen und manchem kühnen Mann. Nach Wunsch des Königs hoben sich bald die Boten hindann. 761 Sie standen reisefertig; ihr Ross und ihr Gewand War ihnen angekommen: da räumten sie das Land. Sie eilten zu dem Ziele, dahin sie wollten fahren. Der König hieß die Boten durch Geleite wohl bewahren. 762 Innerhalb zwölf Tagen kamen sie in das Land, Zu Nibelungens Veste, wohin man sie gesandt, In der Mark zu Norweg fanden sie den Degen: Ross und Leute waren müde von den langen Wegen. 763 Siegfried und Kriemhilden war eilends hinterbracht, Daß Ritter kommen waren, die trügen solche Tracht, Wie bei den Burgunden man trug der Sitte nach. Sie sprang von einem Bette, darauf die Ruhende lag. 764 Zu einem Fenster ließ sie eins ihrer Mägdlein gehn; Die sah den kühnen Gere auf dem Hofe stehn, Ihn und die Gefährten, die man dahin gesandt. Ihr Herzeleid zu stillen, wie liebe Kunde sie fand! 765 Sie sprach zu dem Könige: "Seht ihr, wie sie stehn, Die mit dem starken Gere auf dem Hofe gehn, Die uns mein Bruder Gunther nieder schickt den Rhein." Da sprach der starke Siegfried: "Die sollen uns willkommen sein." 766 All ihr Ingesinde lief hin, wo man sie sah. Jeder an seinem Theile gütlich sprach er da Das Beste, was er konnte, zu den Boten hehr. Ihres Kommens freute der König Siegmund sich sehr. 767 Herbergen ließ man Geren und Die ihm unterthan Und ihrer Rosse warten. Die Boten brachte man Dahin, wo Herr Siegfried bei Kriemhilden saß. Sie sahn den Boten gerne sicherlich ohne allen Haß. 768 Der Wirth mit seinem Weibe erhob sich gleich zur Hand. Wohl ward empfangen Gere aus Burgundenland Mit seinen Fahrtgenossen in König Gunthers Lehn. Den Markgrafen Gere bat man nicht länger zu stehn. 769 "Erlaubt uns die Botschaft, eh wir uns setzen gehn; Uns wegemüde Gäste, laßt uns so lange stehn, So melden wir die Märe, die euch zu wißen thut Gunther mit Brunhilden: es geht ihnen beiden gut. 770 "Und was euch Frau Ute, eure Mutter, her entbot, Geiselher der junge und auch Herr Gernot Und eure nächsten Freunde: die haben uns gesandt Und entbieten euch viele Dienste aus der Burgunden Land." 771 "Lohn ihnen Gott," sprach Siegfried; "ich versah zu ihnen wohl Mich aller Lieb und Treue, wie man zu Freunden soll. So thut auch ihre Schwester; ihr sollt uns ferner sagen, Ob unsre lieben Freunde hohen Muth daheim noch tragen. 772 "Hat ihnen, seit wir schieden, Jemand ein Leid gethan Meiner Fraue Brüdern? Das saget mir an. Ich wollt es ihnen immer mit Treue helfen tragen, Bis ihre Widersacher meine Dienste müsten beklagen." 773 Antwort gab der Markgraf Gere, ein Ritter gut: "Sie sind in allen Züchten mit Freuden wohlgemuth. Sie laden euch zum Rheine zu einer Lustbarkeit Sie sähn euch gar gerne, daß ihr des außer Zweifel seid. 774 "Sie bitten meine Fraue auch mit euch zu kommen. Wenn nun der Winter ein Ende hat genommen, Vor dieser Sonnenwende da möchten sie euch sehn." Da sprach der starke Siegfried: "Das könnte schwerlich geschehn." 775 Da sprach wieder Gere von Burgundenland: "Eure Mutter Ute hat euch sehr gemahnt Mit Gernot und Geiselher, ihr sollt es nicht versagen. Daß ihr so ferne wohnet, hör ich sie täglich beklagen. 776 "Brunhild meine Herrin und ihre Mägdelein Freuen sich der Kunde, und könnt es jemals sein, Daß sie euch wiedersähen, ihnen schuf es hohen Muth." Da dauchten diese Mären die schöne Kriemhilde gut. 777 Gere war ihr Vetter: der Wirth ihn sitzen hieß; Den Gästen hieß er schenken, nicht länger man das ließ. Da kam dazu auch Siegmund: als der die Boten sah, Freundlich sprach der König zu den Burgunden da: 778 "Willkommen uns, ihr Recken in König Gunthers Lehn. Da sich Kriemhilden zum Weibe hat ersehn Mein Sohn Siegfried, man sollt euch öfter schaun In diesem Lande, dürften wir bei euch auf Freundschaft vertraun. 779 Sie sprachen: Wenn er wolle, sie würden gerne kommen. Ihnen ward mit Freuden die Müdigkeit benommen. Man hieß die Boten sitzen; Speise man ihnen trug: Deren schuf da Siegfried den lieben Gästen genug. 780 Sie musten da verweilen volle neun Tage. Darob erhoben endlich die schnellen Ritter Klage, Daß sie nicht wieder reiten durften in ihr Land. Da hatt auch König Siegfried zu seinen Freunden gesandt: 781 Er fragte, was sie riethen: er solle nach dem Rhein. "Es ließ mich entbieten Gunther der Schwager mein, Er und seine Brüder, zu einer Lustbarkeit: Ich möcht ihm gerne kommen, liegt gleich sein Land mir so weit. 782 "Sie bitten Kriemhilden, mit mir zu ziehn. Nun rathet, liebe Freunde, wie kommen wir dahin? Und sollt ich Heerfahrten durch dreißig Herren Land, Gern dienstbereit erwiese sich ihnen Siegfriedens Hand." 783 Da sprachen seine Recken: "Steht euch zur Fahrt der Muth Nach dem Hofgelage, wir rathen, was ihr thut: Ihr sollt mit tausend Recken reiten an den Rhein: So mögt ihr wohl mit Ehren bei den Burgunden sein." 784 Da sprach von Niederlanden der König Siegmund: "Wollt ihr zum Hofgelage, was thut ihr mirs nicht kund? Ich will mit euch reiten, wenn ihrs zufrieden seid; Hundert Degen führ ich, damit mehr ich eur Geleit." 785 "Wollt ihr mit uns reiten, lieber Vater mein," Sprach der kühne Siegfried, "des will ich fröhlich sein. Binnen zwölf Tagen räum ich unser Land." Die sie begleiten sollten, denen gab man Ross’ und Gewand. 786 Als dem edeln König zur Reise stand der Muth, Da ließ man wieder reiten die schnellen Degen gut. Seiner Frauen Brüdern entbot er an den Rhein, Daß er gerne wolle bei ihrem Hofgelage sein. 787 Siegfried und Kriemhild, so hörten wir sagen, Beschenkten so die Boten, es mochten es nicht tragen Die Pferde nach der Heimat: er war ein reicher Mann. Ihre starken Säumer trieb man zur Reise fröhlich an. 788 Da schuf dem Volke Kleider Siegfried und Siegemund. Eckewart der Markgraf ließ da gleich zur Stund Frauenkleider suchen, die besten, die man fand Und irgend mocht erwerben in Siegfriedens ganzem Land. 789 Die Sättel und die Schilde man da bereiten ließ. Den Rittern und den Frauen, die er sich folgen hieß, Gab man, was sie wollten; nichts gebrach daran. Er brachte seinen Freunden manchen herrlichen Mann. 790 Nun wandten sich die Boten zurück und eilten sehr. Da kam zu den Burgunden Gere, der Degen hehr, Und wurde schön empfangen: sie schwangen sich zu Thal Von Rossen und von Mähren dort vor König Gunthers Saal. 791 Die Jungen und die Alten kamen, wie man thut, Und fragten nach der Märe. Da sprach der Ritter gut: "Wenn ichs dem König sage, wird es auch euch bekannt." Er gieng mit den Gesellen dahin, wo er Gunthern fand. 792 Der König vor Freude von dem Seßel sprang; Daß sie so bald gekommen, sagt’ ihnen Dank Brunhild die Schöne. Zu den Boten sprach er da: "Wie gehabt sich Siegfried, von dem mir Liebe viel geschah?" 793 Da sprach der kühne Gere: "Er ward vor Freuden roth, Er und eure Schwester. So holde Mär entbot Seinen Freunden nimmer noch zuvor ein Mann, Als euch der edle Siegfried und sein Vater hat gethan." 794 Da sprach zum Markgrafen des reichen Königs Weib: "Nun sagt mir, kommt uns Kriemhild? Hat noch ihr schöner Leib Die hohe Zier behalten, deren sie mochte pflegen?" Er sprach: "Sie kommen beide; mit ihnen mancher kühne Degen." 795 Ute ließ die Boten alsbald vor sich gehn. Da wars an ihrem Fragen leichtlich zu verstehn, Was sie zu wißen wünsche: "War Kriemhild noch wohlauf?" Er gab Bescheid, sie kam auch nach kurzer Tage Verlauf. 796 Da blieb auch nicht verhohlen am Hof der Botensold, Den ihnen Siegfried schenkte, die Kleider und das Gold: Die ließ man alle schaun in der drei Fürsten Lehn. Da musten sie ihm Ehre wohl für Milde zugestehn. 797 "Er mag," sprach da Hagen, "mit vollen Händen geben: Er könnt es nicht verschwenden, und sollt er ewig leben. Den Hort der Nibelungen beschließt des Königs Hand; Hei! daß er jemals käme her in der Burgunden Land!" 798 Da freuten sich die Degen am Hof im Voraus, Daß sie kommen sollten. Beflißen überaus Sah man spät und frühe Die in der Könge Lehn. Welch herrlich Gestühle ließ man vor der Burg erstehn! 799 Hunold der kühne und Sindold der Degen Hatten wenig Muße: des Amtes muste pflegen Truchseß auch und Schenke und richten manche Bank; Auch Ortwein war behülflich: des sagt’ ihnen Gunther Dank. 800 Rumold der Küchenmeister, wie herrscht’ er in der Zeit Ob seinen Unterthanen, gar manchem Keßel weit, Häfen und Pfannen; hei! was man deren fand! Denen ward da Kost bereitet, die da kamen in das Land. 801 Der Frauen Arbeiten waren auch nicht klein: Sie bereiteten die Kleider, darauf manch edler Stein, Des Stralen ferne glänzten, gewirkt war in das Gold; Wenn sie die anlegten, ward ihnen Männiglich hold. Abenteuer 13
Wie sie zum Hofgelage fuhren
802 All ihr Bemühen laßen wir nun sein Und sagen, wie Frau Kriemhild und ihre Mägdelein Hin zum Rheine fuhren von Nibelungenland. Niemals trugen Rosse so viel herrlich Gewand. 803 Viel Saumschreine wurden versendet auf den Wegen. Da ritt mit seinen Freunden Siegfried der Degen Und die Königstochter in hoher Freuden Wahn; Da war es ihnen Allen zu großem Leide gethan. 804 Sie ließen in der Heimat Siegfrieds Kindelein Und Kriemhildens bleiben; das muste wohl so sein. Aus ihrer Hofreise erwuchs ihm viel Beschwer: Seinen Vater, seine Mutter ersah das Kindlein nimmermehr. 805 Mit ihnen ritt von dannen Siegmund der König hehr. Hätt er ahnen können, wie es ihm nachher Beim Hofgelag ergienge, er hätt es nicht gesehn: Ihm konnt an lieben Freunden größer Leid nicht geschehn. 806 Vorausgesandte Boten verhießen sie bei Zeit. Entgegen ritten ihnen in herrlichem Geleit Von Utens Freunden viele und König Gunthers Lehn. Der Wirth ließ großen Eifer für die lieben Gäste sehn. 807 Er gieng zu Brunhilden, wo er sie sitzen fand: "Wie empfieng euch meine Schwester, da ihr kamet in dieß Land? So will ich, daß ihr Siegfrieds Gemahl empfangen sollt." "Das thu ich", sprach sie, "gerne: ich bin ihr billiglich hold." 808 Da sprach der mächtige König: "Sie kommen morgen fruh; Wollt ihr sie empfangen, so greift nur bald dazu, Daß sie uns in der Veste nicht überraschen hie: Mir sind so liebe Gäste nicht oft gekommen wie sie." 809 Ihre Mägdelein und Frauen ließ sie da zur Hand Gute Kleider suchen, die besten, die man fand, Die ihr Ingesinde vor Gästen mochte tragen. Das thaten sie doch gerne: das mag man für Wahrheit sagen. 810 Sie zu empfangen eilten auch Die in Gunthers Lehn; All seine Recken hieß er mit sich gehn. Da ritt die Königstochter hinweg in stolzem Zug. Die lieben Gäste grüßte sie alle freudig genug. 811 Mit wie hohen Ehren da empfieng man sie! Sie dauchte, daß Frau Kriemhild Brunhilden nie So wohl empfangen habe in Burgundenland. Allen, die es sahen, war hohe Wonne bekannt. 812 Nun war auch Siegfried kommen mit seiner Leute Heer. Da sah man die Helden sich wenden hin und her Im Feld allenthalben mit ungezählten Scharen. Vor Staub und Drängen konnte sich da Niemand bewahren. 813 Als der Wirth des Landes Siegfrieden sah Und Siegmund den König, wie gütlich sprach er da: "Nun seid mir hochwillkommen und all den Freunden mein; Wir wollen hohen Muthes ob eurer Hofreise sein." 814 "Nun lohn euch Gott," sprach Siegmund, der ehrbegierge Mann. "Seit mein Sohn Siegfried euch zum Freund gewann, Rieth mir all mein Sinnen, wie ich euch möchte sehn." Da sprach König Gunther: "Nun freut mich, daß es geschehn." 815 Siegfried ward empfangen, wie man das wohl gesollt, Mit viel großen Ehren; ein Jeder ward ihm hold. Des half mit Rittersitten Gernot und Geiselher; Man bot es lieben Gästen so gütlich wohl nimmermehr. 816 Nun konnten sich einander die Königinnen schaun. Da sah man Sättel leeren und viel der schönen Fraun Von der Helden Händen gehoben auf das Gras: Wer gerne Frauen diente, wie selten der da müßig saß! 817 Da giengen zu einander die Frauen minniglich. Darüber höchlich freuten viel der Ritter sich, Daß der Beiden Grüßen so minniglich ergieng. Man sah da manchen Recken, der Frauendienste begieng. 818 Das herrliche Gesinde nahm sich bei der Hand; Züchtiglich sich neigen man allerorten fand Und minniglich sich küssen viel Frauen wohlgethan. Das sahen gerne Gunthers und Siegfrieds Mannen mit an. 819 Sie säumten da nicht länger und ritten nach der Stadt. Der Wirth seinen Gästen zu erweisen hat, Daß man sie gerne sähe in der Burgunden Land. Manches schöne Kampfspiel man vor den Jungfrauen fand. 820 Da ließ von Tronje Hagen und auch Ortewein, Wie sie gewaltig waren, wohl offenkundig sein. Was sie gebieten mochten, das ward alsbald gethan. Man sah die lieben Gäste viel Dienst von ihnen empfahn. 821 Man hörte Schilde hallen vor der Veste Thor Von Stichen und von Stößen. Lange hielt davor Der Wirth mit seinen Gästen, bis alle waren drin, In mancher Kurzweil giengen ihnen schnell die Stunden hin. 822 Vor den weiten Gästesaal sie nun in Freuden ritten. Viel kunstvolle Decken, reich und wohlgeschnitten, Sah man von den Sätteln den Frauen wohlgethan Allenthalben hangen; da kamen Diener heran. 823 Zu Gemache wiesen sie die Gäste da. Hin und wieder blicken man Brunhilden sah Nach Kriemhild der Frauen; schön war sie genug: Den Glanz noch vor dem Golde ihre hehre Farbe trug. 824 Da vernahm man allenthalben zu Worms in der Stadt Den Jubel des Gesindes. König Gunther bat Dankwart, seinen Marschall, es wohl zu verpflegen: Da ließ er die Gäste in gute Herbergen legen. 825 Draußen und darinnen beköstigte man sie: So wohl gewartet wurde fremder Gäste nie. Was Einer wünschen mochte, das war ihm gern gewährt: So reich war der König, es blieb Keinem was verwehrt. 826 Man dient’ ihnen freundlich und ohn allen Haß. Der König zu Tische mit seinen Gästen saß; Siegfrieden ließ man sitzen, wie er sonst gethan. Mit ihm gieng zu Tische gar mancher waidliche Mann. 827 Zwölfhundert Recken setzten sich dahin Mit ihm an der Tafel. Brunhild die Königin Gedachte, wie ein Dienstmann nicht reicher möge sein. Noch war sie ihm günstig, sie ließ ihn gerne gedeihn. 828 Es war an einem Abend, da so der König saß, Viel reiche Kleider wurden da vom Weine naß, Als die Schenken sollten zu den Tischen gehn: Da sah man volle Dienste mit großem Fleiße geschehn. 829 Wie bei Hofgelagen Sitte mochte sein, Ließ man zur Ruh geleiten Fraun und Mägdelein. Von wannen wer gekommen, der Wirth ihm Sorge trug; In gütlichen Ehren gab man Allen genug. 830 Die Nacht war zu Ende, sich hob des Tages Schein, Aus den Saumschreinen mancher Edelstein Erglänzt’ auf gutem Kleide; das schuf der Frauen Hand. Aus der Lade suchten sie manches herrliche Gewand. 831 Eh es noch völlig tagte, kamen vor den Saal Ritter viel und Knechte: da hob sich wieder Schall Vor einer Frühmesse, die man dem König sang. So ritten junge Helden, der König sagt’ ihnen Dank. 832 Da klangen die Posaunen von manchem kräftgen Stoß; Von Flöten und Drommeten ward der Schall so groß, Worms die weite Veste gab lauten Widerhall. Auf die Rosse sprangen die kühnen Helden überall. 833 Da hob sich in dem Lande ein hohes Ritterspiel Von manchem guten Recken: man fand ihrer viel, Deren junge Herzen füllte froher Muth. Unter Schilden sah man manchen zieren Ritter gut. 834 Da ließen in den Fenstern die herrlichen Fraun Und viel der schönen Maide sich im Schmucke schaun. Sie sahen kurzweilen manchen kühnen Mann: Der Wirth mit seinen Freunden zu reiten selber begann. 835 So vertrieben sie die Weile, die dauchte sie nicht lang. Da lud zu dem Dome mancher Glocke Klang: Den Frauen kamen Rosse, da ritten sie hindann; Den edeln Königinnen folgte mancher kühne Mann. 836 Sie stiegen vor dem Münster nieder auf das Gras. Noch hegte zu den Gästen Brunhild keinen Haß. Sie giengen unter Krone in das Münster weit. Bald schied sich diese Liebe: das wirkte grimmiger Neid. 837 Als die Messe war gesungen, sah man sie weiter ziehn Unter hohen Ehren. Sie giengen heiter hin Zu des Königs Tischen. Ihre Freude nicht erlag Bei diesen Lustbarkeiten bis gegen den eilften Tag. 838 Die Königin gedachte: "Ich wills nicht länger tragen. Wie ich es fügen möge, Kriemhild muß mir sagen, Warum uns so lange den Zins versaß ihr Mann: Der ist doch unser Eigen: der Frag ich nicht entrathen kann." 839 So harrte sie der Stunde, bis es der Teufel rieth, Daß sie das Hofgelage und die Lust mit Leide schied. Was ihr lag am Herzen, zu Lichte must es kommen: Drum ward in manchen Landen durch sie viel Jammer vernommen. Abenteuer 14
Wie die Königinnen sich schalten
840 Es war vor einer Vesper, als man den Schall vernahm, Der von manchem Recken auf dem Hofe kam: Sie stellten Ritterspiele der Kurzweil willen an. Da eilten es zu schauen Frauen viel und mancher Mann. 841 Da saßen beisammen die Königinnen reich Und gedachten zweier Recken, die waren ohne Gleich. Da sprach die schöne Kriemhild: "Ich hab einen Mann, Dem wären diese Reiche alle billig unterthan." 842 Da sprach zu ihr Frau Brunhild: "Wie könnte das wohl sein? Wenn Anders Niemand lebte als du und er allein, So möchten ihm die Reiche wohl zu Gebote stehn: So lange Gunther lebte, so könnt es nimmer geschehn." 843 Da sprach Kriemhild wieder: "Siehst du, wie er steht, Wie er da so herrlich vor allen Recken geht, Wie der lichte Vollmond vor den Sternen thut! Darob mag ich wohl immer tragen fröhlichen Muth." 844 Da sprach wieder Brunhild: "Wie waidlich sei dein Mann, Wie schön und wie bieder, so steht ihm doch voran Gunther der Recke, der edle Bruder dein: muß vor allen Königen, das wiße du wahrlich, sein." 845 Da sprach Kriemhild wieder: "So werth ist mein Mann, Daß er ohne Grund nicht solch Lob von mir gewann. An gar manchen Dingen ist seine Ehre groß. Glaubst du das, Brunhild? er ist wohl Gunthers Genoß!" 846 "Das sollst du mir, Kriemhild, im Argen nicht verstehn; Es ist auch meine Rede nicht ohne Grund geschehn. Ich hört’ es Beide sagen, als ich zuerst sie sah, Und als des Königs Willen in meinen Spielen geschah. 847 "Und da er meine Minne so ritterlich gewann, Da sagt’ es Siegfried selber, er sei des Königs Mann: Drum halt ich ihn für eigen: ich hört’ es ihn gestehn." Da sprach die schöne Kriemhild: "So wär mir übel geschehn. 848 "Wie hätten so geworben die edeln Brüder mein, Daß ich des Eigenmannes Gemahl sollte sein? Darum will ich, Brunhild, gar freundlich dich bitten, Laß mir zu Lieb die Rede hinfort mit gütlichen Sitten." 849 Die Königin versetzte: "Sie laßen mag ich nicht: Wie thät ich auf so manchen Ritter wohl Verzicht, Der uns mit dem Degen zu Dienst ist unterthan?" Kriemhild die Schöne hub da sehr zu zürnen an. 850 "Dem must du wohl entsagen, daß er in der Welt Dir irgend Dienste leiste. Werther ist der Held Als mein Bruder Gunther, der Degen unverzagt. Erlaß mich der Dinge, die du mir jetzo gesagt. 851 "Auch muß mich immer wundern, wenn er dein Dienstmann ist Und du ob uns Beiden So gewaltig bist, Warum er dir so lange den Zins verseßen hat; Deines Uebermuthes wär ich billig nun satt." 852 "Du willst dich überheben," sprach da die Königin. "Wohlan, ich will doch schauen, ob man dich fürderhin So hoch in Ehren halte, als man mich selber thut." Die Frauen waren beide in sehr zornigem Muth. 853 Da sprach wieder Kriemhild: "Das wird dir wohl bekannt: Da du meinen Siegfried dein eigen hast genannt, So sollen heut die Degen der beiden Könge sehen, Ob ich vor der Königin wohl zur Kirche dürfe gehn. 854 "Ich laße dich wohl schauen, daß ich edel bin und frei, Und daß mein Mann viel werther als der deine sei. Ich will damit auch selber nicht bescholten sein: Du sollst noch heute sehen, wie die Eigenholde dein 855 "Zu Hof geht vor den Helden in Burgundenland. Ich will höher gelten, als man je gekannt Eine Königstochter, die noch die Krone trug." Unter den Frauen hob sich der Haß da grimm genug. 856 Da sprach Brunhild wieder: "Willst du nicht eigen sein, So must du dich scheiden mit den Frauen dein Von meinem Ingesinde, wenn wir zum Münster gehn." "In Treuen," sprach da Kriemhild, "also soll es geschehn." 857 "Nun kleidet euch, ihr Maide," hub da Kriemhild an: "Ob ich frei von Schande hier nicht verbleiben kann, Laßt es heute schauen, besitzt ihr reichen Staat; Sie soll es noch verläugnen, was ihr Mund gesprochen hat." 858 Ihnen war das leicht zu rathen; sie suchten reich Gewand. Wie bald man da im Schmucke viel Fraun und Maide fand! Da gieng mit dem Gesinde des edeln Wirths Gemahl; Zu Wunsch gekleidet ward auch die schöne Kriemhild zumal 859 Mit dreiundvierzig Maiden, die sie zum Rhein gebracht; Die trugen lichte Zeuge, in Arabien gemacht. So kamen zu dem Münster die Mägdlein wohlgethan. Ihrer harrten vor dem Hause Die Siegfrieden unterthan. 860 Die Leute nahm es Wunder, warum das geschah, Daß man die Königinnen so geschieden sah, Und daß sie bei einander nicht giengen so wie eh. Das gerieth noch manchem Degen zu Sorgen und großem Weh. 861 Nun stand vor dem Münster König Gunthers Weib. Da fanden viel der Ritter genehmen Zeitvertreib Bei den schönen Frauen, die sie da nahmen wahr. Da kam die edle Kriemhild mit mancher herrlichen Schar. 862 Was Kleider je getragen eines edeln Ritters Kind, Gegen ihr Gesinde war alles nur wie Wind. Sie war so reich an Gute, dreißig Königsfraun Mochten die Pracht nicht zeigen, die da an ihr war zu schaun. 863 Was man auch wünschen mochte, Niemand konnte sagen, Daß er so reiche Kleider je gesehen tragen, Als da zur Stunde trugen ihre Mägdlein wohlgethan. Brunhilden wars zu Leide, sonst hätt es Kriemhild nicht gethan. 864 Nun kamen sie zusammen vor dem Münster weit. Die Hausfrau des Königs aus ingrimmem Neid Hieß da Kriemhilden unwirsch stille stehn: "Es soll vor Königsweibe die Eigenholde nicht gehn." 865 Da sprach die schöne Kriemhild, zornig war ihr Muth: "Hättest du noch geschwiegen, das wär dir wohl gut. Du hast geschändet selber deinen schönen Leib: Mocht eines Mannes Kebse je werden Königesweib?" 866 "Wen willst du hier verkebsen?" sprach des Königs Weib. "Das thu ich dich," sprach Kriemhild: "deinen schönen Leib Hat Siegfried erst geminnet, mein geliebter Mann: Wohl war es nicht mein Bruder, der dein Magdthum gewann. 867 "Wo blieben deine Sinne? Es war doch arge List: Was ließest du ihn minnen, wenn er dein Dienstmann ist? Ich höre dich," sprach Kriemhild, "ohn alle Ursach klagen." "In Wahrheit," sprach da Brunhild, "das will ich doch Gunthern sagen." 868 "Wie mag mich das gefährden? Dein Uebermuth hat dich betrogen: Du hast mich mit Reden in deine Dienste gezogen, Daß wiße du in Treuen, es ist mir immer leid: Zu trauter Freundschaft bin ich dir nimmer wieder bereit." 869 Brunhild begann zu weinen; Kriemhild es nicht verhieng, Vor des Königs Weibe sie in das Münster gieng Mit ihrem Ingesinde. Da hub sich großer Haß; Es wurden lichte Augen sehr getrübt davon und naß. 870 Wie man da Gott auch diente oder Jemand sang, Brunhilden währte die Weile viel zu lang. War allzutrübe der Sinn und auch der Muth: Des muste bald entgelten mancher Degen kühn und gut. 871 Brunhild mit ihren Frauen gieng vor das Münster stehn. Sie gedachte: "Ich muß von Kriemhild mehr zu hören sehn, Wes mich so laut hier zeihte das wortscharfe Weib: Und wenn er sichs gerühmt hat, gehts ihm an Leben und Leib!" 872 Nun kam die edle Kriemhild mit manchem kühnen Mann. Da begann Frau Brunhild: "Haltet hier noch an. Ihr wolltet mich verkebsen: laßt uns Beweise sehn, Mir ist von euern Reden, das wißet, übel geschehn." 873 Da sprach die schöne Kriemhild: "Was laßt ihr mich nicht gehn? Ich bezeug es mit dem Golde, an meiner Hand zu sehn. Das brachte mir Siegfried, nachdem er bei euch lag." Nie erlebte Brunhild wohl einen leidigen Tag. 874 Sie sprach: "Dieß Gold das edle, das ward mir gestohlen Und blieb mir lange Jahre übel verhohlen: Ich komme nun dahinter, wer mir es hat genommen." Die Frauen waren beide in großen Unmuth gekommen. 875 Da sprach wieder Kriemhild: "Ich will nicht sein der Dieb. Du hättest schweigen sollen, wär dir Ehre lieb. Ich bezeug es mit dem Gürtel, den ich umgethan, Ich habe nicht gelogen: wohl wurde Siegfried dein Mann." 876 Von Niniveer Seide sie eine Borte trug Mit edelm Gesteine, die war wohl schön genug. Als Brunhild sie erblickte, zu weinen hub sie an. Das muste Gunther wißen und alle Die ihm unterthan. 877 Da sprach des Landes Königin: "Sendet her zu mir Den König vom Rheine: hören soll er hier, Wie sehr seine Schwester schändet meinen Leib: Sie sagt vor allen Leuten, ich sei Siegfriedens Weib." 878 Der König kam mit Recken: als er weinen sah Brunhild seine Traute, gütlich sprach er da: "Von wem, liebe Fraue, ist euch ein Leid geschehn?" Sie sprach zu dem König: "Unfröhlich muß ich hier stehn. 879 Aller meiner Ehren hat die Schwester dein Mich berauben wollen. Geklagt soll dir sein, Sie sagt: ich sei die Kebse von Siegfried ihrem Mann." Da sprach König Gunther: "So hat sie übel gethan." 880 "Sie trägt hier meinen Gürtel, den ich längst verloren, Und mein Gold das rothe. Daß ich je ward geboren, Des muß mich sehr gereuen: befreist du, Herr, mich nicht Solcher großen Schande, ich minne nie wieder dich." 881 Da sprach König Gunther: "So ruft ihn herbei: Hat er sichs gerühmet, das gesteh er frei, Er woll es denn läugnen, der Held von Niederland." Da ward der kühne Siegfried bald hin zu ihnen gesandt. 882 Als Siegfried der Degen die Unmuthvollen sah Und den Grund nicht wuste, balde sprach er da: "Was weinen diese Frauen? das macht mir bekannt: Oder wessentwegen wurde hier nach mir gesandt" 883 Da sprach König Gunther: "Groß Herzleid fand ich hier. Eine Märe sagte mein Weib Frau Brunhild mir: Du habest dich gerühmet, du wärst ihr erster Mann. So spricht dein Weib Frau Kriemhild: hast du, Degen, das gethan?" 884 "Niemals," sprach da Siegfried; "und hat sie das gesagt, Nicht eher will ich ruhen, bis sie es beklagt, Und will davon mich reinigen vor deinem ganzen Heer Mit meinen hohen Eiden, ich sagte Solches nimmermehr." 885 Da sprach der Fürst vom Rheine: "Wohlan, das zeige mir. Der Eid, den du geboten, geschieht der allhier, Aller falschen Dinge laß ich dich ledig gehn." Man ließ in einem Ringe die stolzen Burgunden stehn. 886 Da bot der kühne Siegfried zum Eide hin die Hand. Da sprach der reiche König: "Jetzt hab ich wohl erkannt, Ihr seid hieran unschuldig und sollt des ledig gehn: Des euch Kriemhild zeihte, das ist nicht von euch geschehn." 887 Da sprach wieder Siegfried: "Und kommt es ihr zu Gut, Daß deinem schönen Weibe sie so betrübt den Muth, Das wäre mir wahrlich aus der Maßen leid." Da blickten zu einander die Ritter kühn und allbereit. 888 "Man soll so Frauen ziehen," sprach Siegfried der Degen, "Daß sie üppge Reden laßen unterwegen; Verbiet es deinem Weibe, ich will es meinem thun. Solchen Uebermuthes in Wahrheit schäm ich mich nun." 889 Viel schöne Frauen wurden durch Reden schon entzweit. Da erzeigte Brunhild solche Traurigkeit, Daß es erbarmen muste Die in Gunthers Lehn. Von Tronje Hagen sah man zu der Königin gehn. 890 Er fragte, was ihr wäre, da er sie weinend fand. Sie sagt’ ihm die Märe. Er gelobt’ ihr gleich zur Hand, Daß es büßen sollte der Kriemhilde Mann, Oder man treff ihn nimmer unter Fröhlichen an. 891 Ueber die Rede kamen Ortwein und Gernot, Allda die Helden riethen zu Siegfriedens Tod. Dazu kam auch Geiselher, der schönen Ute Kind; Als er die Rede hörte, sprach der Getreue geschwind: 892 "O weh, ihr guten Knechte, warum thut ihr das? Siegfried verdiente ja niemals solchen Haß, Daß er darum verlieren Leben sollt und Leib: Auch sind es viel Dinge, um die wohl zürnet ein Weib." 893 "Sollen wir Gäuche ziehen?" sprach Hagen entgegen: "Das brächte wenig Ehre solchen guten Degen. Daß er sich rühmen durfte der lieben Frauen mein, Ich will des Todes sterben oder es muß gerochen sein." 894 Da sprach der König selber: "Er hat uns nichts gethan Als Liebes und Gutes: leb er denn fortan. Was sollt ich dem Recken hegen solchen Haß? Er bewies uns immer Treue, gar williglich that er das." 895 Da begann der Degen von Metz Herr Ortewein: "Wohl kann ihm nicht mehr helfen die große Stärke sein. Will es mein Herr erlauben, ich thu ihm alles Leid." Da waren ihm die Helden ohne Grund zu schaden bereit. 896 Dem folgte doch Niemand, außer daß Hagen Alle Tage pflegte zu Gunthern zu sagen: Wenn Siegfried nicht mehr lebte, ihm würden unterthan Manches Königs Lande. Da hub der Held zu trauern an. 897 Man ließ es bewenden und gieng dem Kampfspiel nach. Hei! was man starker Schäfte vor dem Münster brach Vor Siegfriedens Weibe bis hinan zum Saal! Mit Unmuth sah es Mancher, dem König Gunther befahl. 898 Der König sprach: "Laßt fahren den mordlichen Zorn. Er ist uns zu Ehren und zum Heil geborn; Auch ist so grimmer Stärke der wunderkühne Mann, Wenn ers inne würde, so dürfte Niemand ihm nahn." 899 "Nicht doch," sprach da Hagen, "da dürft ihr ruhig sein: Wir leiten in der Stille alles sorglich ein. Brunhildens Weinen soll ihm werden leid. Immer sei ihm Hagen zu Haß und Schaden bereit." 900 Da sprach der König Gunther: "Wie möcht es geschehn?" Zur Antwort gab ihm Hagen: "Das sollt ihr bald verstehn: Wir laßen Boten reiten her in dieses Land, Uns offnen Krieg zu künden, die hier Niemand sind bekannt. 901 "Dann sagt ihr vor den Gästen, ihr wollt mit euerm Lehn Euch zur Heerfahrt rüsten. Sieht er das geschehn, So verspricht er euch zu helfen; dann gehts ihm an den Leib, Erfahr ich nur die Märe von des kühnen Recken Weib." 902 Der König folgte leider seines Dienstmanns Rath. So huben an zu sinnen auf Untreu und Verrath, Eh es wer erkannte, die Ritter auserkoren: Durch zweier Frauen Zanken gieng da mancher Held verloren. Abenteuer 15
Wie Siegfried verrathen ward
903 Man sah am vierten Morgen zweiunddreißig Mann Hin zu Hofe reiten: da ward es kund gethan Gunther dem reichen, es droh ihm neuer Streit. Die Lüge schuf den Frauen das allergrößeste Leid. 904 Sie gewannen Urlaub, an den Hof zu gehn. Da sagten sie, sie ständen in Lüdegers Lehn, Den einst bezwungen hatte Siegfriedens Hand Und ihn als Geisel brachte König Gunthern in das Land. 905 Die Boten grüßte Gunther und hieß sie sitzen gehn. Einer sprach darunter: "Herr König, laßt uns stehn, Daß wir die Mären sagen, die euch entboten sind. Wohl habt ihr zu Feinden, das wißt, mancher Mutter Kind. 906 "Euch wiedersagen Lüdegast und König Lüdeger: Denen schuft ihr weiland grimmige Beschwer; Nun wollen sie mit Heereskraft reiten in dieß Land." Gunther begann zu zürnen, als wär es ihm unbekannt. 907 Man ließ die falschen Boten zu den Herbergen gehn. Wie mochte da Siegfried der Tücke sich versehn, Er oder anders Jemand, die man so listig spann? Doch war es ihnen selber zu großem Leide gethan. 908 Der König mit den Freunden gieng raunend ab und zu: Hagen von Tronje ließ ihm keine Ruh, Noch wollt es Mancher wenden in des Königs Lehn; Doch nicht vermocht er Hagen von seinen Räthen abzustehn. 909 Eines Tages Siegfried die Degen raunend fand. Da begann zu fragen der Held der Niederland: "Wie traurig geht der König und Die ihm unterthan? Das helf ich immer rächen, hat ihnen wer ein Leid gethan." 910 Da sprach König Gunther: "Wohl hab ich Herzeleid: Lüdegast und Lüdeger drohn mir wieder Streit. Mit Heerfahrten wollen sie reiten in mein Land." Da sprach der kühne Degen: "Dem soll Siegfriedens Hand 911 "Nach allen euern Ehren mit Kräften widerstehn; Von mir geschieht den Degen, was ihnen einst geschehn. Ihre Burgen leg ich wüste und dazu ihr Land, Eh ich ablaße: des sei mein Haupt euer Pfand. 912 "Ihr mit euern Mannen nehmt der Heimat wahr; Laßt mich zu ihnen reiten mit meiner Leute Schar. Daß ich euch gerne diene, laß ich euch wohl sehn: Von mir soll euern Feinden, das wißet, übel geschehn." 913 "Nun wohl mir dieser Märe," der König sprach da so, Als wär er seiner Hülfe alles Ernstes froh. Tief neigte sich in Falschheit der ungetreue Mann. Da sprach der edle Siegfried: "Laßt euch keine Sorge nahn." 914 Sie schickten mit den Knechten zu der Fahrt sich an: Siegfrieden und den Seinen ward es zum Schein gethan. Da hieß er sich rüsten Die von Niederland: Siegfriedens Recken suchten ihr Streitgewand. 915 Da sprach der starke Siegfried: "Mein Vater Siegmund, Bleibt ihr hier im Lande: wir kehren bald gesund, Will Gott uns Glück verleihen, wieder an den Rhein. Ihr sollt bei dem König unterdessen fröhlich sein." 916 Da wollten sie von dannen: die Fähnlein band man an. Umher standen Viele, die Gunthern unterthan Und hatten nicht erfahren, wie es damit bewandt. Groß Heergesinde war es, das da bei Siegfrieden stand. 917 Die Panzer und die Helme man auf die Rosse lud; Aus dem Lande wollten viel starke Recken gut. Da gieng von Tronje Hagen hin, wo er Kriemhild fand; Er bat sie um Urlaub: sie wollten räumen das Land. 918 "Nun wohl mir," sprach Kriemhild, "daß ich den Mann gewann." Der meine lieben Freunde so wohl beschützen kann, Wie hier mein Herr Siegfried an meinen Brüdern thut: Darum trag ich," sprach die Königin, "immer fröhlichen Muth. 919 "Lieber Freund Hagen, nun hoff ich, ihr gedenkt, Daß ich euch gerne diene; ich hab euch nie gekränkt. Das komme mir zu Gute an meinem lieben Mann: Laßt es ihn nicht entgelten, was ich Brunhilden gethan. 920 "Des hat mich schon gereuet," sprach das edle Weib, "Auch hat er so zerbleuet zur Strafe mir den Leib, Daß ich je beschwerte mit Reden ihr den Muth, Er hat es wohl gerochen, dieser Degen kühn und gut." 921 Da sprach er: "Ihr versöhnt euch wohl nach wenig Tagen. Kriemhild, liebe Herrin, nun sollt ihr mir sagen, Wie ich euch dienen möge an Siegfried euerm Herrn. Ich gönn es niemand beßer und thu es, Königin, gern." 922 "Ich wär ohn alle Sorge," sprach da das edle Weib, "Daß man ihm im Kampfe Leben nähm und Leib, Wenn er nicht folgen wollte seinem Uebermuth; So wär immer sicher dieser Degen kühn und gut." 923 "Fürchtet ihr, Herrin," Hagen da begann, "Daß er verwundet werde, so vertraut mir an, Wie soll ichs beginnen, dem zu widerstehn? Ihn zu schirmen will ich immer bei ihm reiten und gehn." 924 Sie sprach: "Du bist mir Sippe, so will ich dir es sein: Ich befehle dir auf Treue den holden Gatten mein. Daß du mir behütest den geliebten Mann." Was beßer wär verschwiegen, vertraute da sie ihm an. 925 Sie sprach: "Mein Mann ist tapfer, dazu auch stark genug. Als er den Linddrachen an dem Berge schlug, Da badet’ in dem Blute der Degen allbereit, Daher ihn keine Waffe je versehren mocht im Streit. 926 "Jedoch bin ich in Sorgen, wenn er im Kampfe steht Und aus der Helden Hände mancher Sperwurf geht, Daß ich da verliere meinen lieben Mann. Hei! was ich Sorgen oft um Siegfried gewann! 927 "Mein lieber Freund, ich meld es nun auf Gnade dir, Daß du deine Treue bewähren mögst an mir, Wo man mag verwunden meinen lieben Mann. Das sollst du nun vernehmen: es ist auf Gnade gethan. 928 "Als von des Drachen Wunden floß das heiße Blut, Und sich darinne badete der kühne Recke gut, Da fiel ihm auf die Achseln ein Lindenblatt so breit: Da kann man ihn verwunden; das schafft mir Sorgen und Leid." 929 Da sprach von Tronje Hagen: "So näht auf sein Gewand Mir ein kleines Zeichen mit eigener Hand, Wo ich ihn schirmen müße, mag ich daran verstehn." Sie wähnt’ ihn so zu fristen; auf seinen Tod wars abgesehn. 930 Sie sprach: "Mit feiner Seide näh ich auf sein Gewand Insgeheim ein Kreuzchen: da soll, Held, deine Hand Mir den Mann behüten, wenns ins Gedränge geht, Und er vor seinen Feinden in den starken Stürmen steht." 931 "Das thu ich," sprach da Hagen, "viel liebe Herrin mein." Wohl wähnte da die Gute, sein Frommen sollt es sein: Da war hiemit verrathen der Kriemhilde Mann. Urtaub nahm da Hagen: da gieng er fröhlich hindann. 932 Was er erfahren hatte, bat ihn sein Herr zu sagen. "Mögt ihr die Reise wenden, so laßt uns reiten jagen. Ich weiß nun wohl die Kunde, wie ich ihn tödten soll. Wollt ihr die Jagd bestellen?" "Das thu ich," sprach der König, "wohl." 933 Der Dienstmann des Königs war froh und wohlgemuth. Gewiss, daß solche Bosheit kein Recke wieder thut Bis zum jüngsten Tage, als da von ihm geschah, Da sich seiner Treue die schöne Königin versah. 934 Früh des andern Morgens mit wohl tausend Mann Ritt Siegfried der Degen mit frohem Muth hindann: Er wähnt’, er solle rächen seiner Freunde Leid. So nah ritt ihm Hagen, daß er beschaute sein Kleid. 935 Als er ersah das Zeichen, da schickt’ er ungesehn, Andre Mär zu bringen, zwei aus seinem Lehn: In Frieden sollte bleiben König Gunthers Land; Es habe sie Herr Lüdeger zu dem König gesandt.
936 Wie ungerne Siegfried abließ vom Streit, Eh er gerochen hatte seiner Freunde Leid! Kaum hielten ihn zurücke Die Gunthern unterthan. Da ritt er zu dem König, der ihm zu danken begann: 937 "Nun lohn euch Gott, Freund Siegfried, den willigen Sinn, Daß ihr so gerne thatet, was mir vonnöthen schien: Das will ich euch vergelten, wie ich billig soll. Vor allen meinen Freunden vertrau ich euch immer wohl. 938 "Da wir uns der Heerfahrt so entledigt sehn, So laßt uns nun Bären und Schweine jagen gehn Nach dem Odenwalde, wie ich oft gethan." Gerathen hatte Hagen das, dieser ungetreue Mann. 939 "Allen meinen Gästen soll man das nun sagen, Ich denke früh zu reiten: die mit mir wollen jagen, Die laßt sich fertig halten; die aber hier bestehn, Kurzweilen mit den Frauen: so sei mir Liebes geschehn." 940 Mit herrlichen Sitten sprach da Siegfried: "Wenn ihr jagen reitet, da will ich gerne mit. So sollt ihr mir leihen einen Jägersmann Mit etlichen Bracken: So reit ich mit euch in den Tann." 941 "Wollt ihr nur Einen?" frug Gunther zuhand; "Ich leih euch, wollt ihr, viere, denen wohl bekannt Der Wald ist und die Steige, wo viel Wildes ist, Daß ihr des Wegs unkundig nicht ledig wieder heimwärts müßt." 942 Da ritt zu seinem Weibe der Degen unverzagt. Derweil hatte Hagen dem König gesagt, Wie er verderben wolle den herrlichen Degen. So großer Untreue sollt ein Mann nimmer pflegen. 943 Als die Ungetreuen beschloßen seinen Tod, Da wusten sie es Alle. Geiselher und Gernot Wollten nicht mit jagen. Weiß nicht, aus welchem Groll Sie ihn nicht verwarnten; doch des entgalten sie voll. Abenteuer 16
Wie Siegfried erschlagen ward
944 Gunther und Hagen, die Recken wohlgethan Gelobten mit Untreuen ein Birschen in den Tann. Mit ihren scharfen Spießen wollten sie jagen Schwein’ Und Bären und Wisende: was mochte Kühneres sein? 945 Da ritt auch mit ihnen Siegfried mit stolzem Sinn. Man bracht ihnen Speise aller Art dahin. An einem kühlen Brunnen ließ er da das Leben: Den Rath hatte Brunhild, König Gunthers Weib, gegeben. 946 Da gieng der kühne Degen hin, wo er Kriemhild fand. Schon war aufgeladen das edle Birschgewand Ihm und den Gefährten: sie wollten über Rhein. Da konnte Kriemhilden nicht leider zu Muthe sein. 947 Seine liebe Traute küsst’ er auf den Mund: "Gott laße mich dich, Liebe, noch wiedersehn gesund Und deine Augen mich auch; mit holden Freunden dein Kürze dir die Stunden: ich kann nun nicht bei dir sein." 948 Da gedachte sie der Märe, sie durft es ihm nicht sagen, Nach der sie Hagen fragte: da begann zu klagen Die edle Königstochter, daß ihr das Leben ward: Ohne Maßen weinte die wunderschöne Fraue zart. 949 Sie sprach zu dem Recken: "Laßt euer Jagen sein: Mir träumte heunt von Leide, wie euch zwei wilde Schwein Ueber die Haide jagten: da wurden Blumen roth. Daß ich so bitter weine, das thut mir armem Weibe Noth. 950 "Wohl muß ich fürchten Etlicher Verrath, Wenn man den und jenen vielleicht beleidigt hat, Die uns verfolgen könnten mit feindlichem Haß. Bleibt hier, lieber Herre, mit Treuen rath ich euch das." 951 Er sprach: "Liebe Traute, ich kehr in kurzer Zeit; Ich weiß nicht, daß hier Jemand mir Haß trüg oder Neid. Alle deine Freunde sind insgemein mir hold; Auch verdient’ ich von den Degen wohl nicht anderlei Sold." 952 "Ach nein, lieber Siegfried: wohl fürcht ich deinen Fall. Mir träumte heunt von Leide, wie über dir zu Thal Fielen zwei Berge, daß ich dich nie mehr sah: Und willst du von mir scheiden, das geht mir inniglich nah." 953 Er umfieng mit Armen das zuchtreiche Weib, Mit holden Küssen herzt’ er ihr den schönen Leib. Da nahm er Urlaub und schied in kurzer Stund: Sie ersah ihn leider darnach nicht wieder gesund. 954 Da ritten sie von dannen in einen tiefen Tann Der Kurzweile willen; manch kühner Rittersmann Ritt mit dem König; hinaus gesendet ward Auch viel der edeln Speise, die sie brauchten zu der Fahrt. 955 Manch Saumross zog beladen vor ihnen überrhein, Das den Jagdgesellen das Brot trug und den Wein, Das Fleisch mit den Fischen und Vorrath aller Art, Wie sie ein reicher König wohl haben mag auf der Fahrt. 956 Da ließ man herbergen bei dem Walde grün Vor des Wildes Wechsel die stolzen Jäger kühn, Wo sie da jagen wollten, auf breitem Angergrund. Auch Siegfried war gekommen: das ward dem Könige kund. 957 Von den Jagdgesellen ward umhergestellt Die Wart an allen Enden: da sprach der kühne Held, Siegfried der starke: "Wer soll uns in den Wald Nach dem Wilde weisen, ihr Degen kühn und wohlgestalt?" 958 "Wollen wir uns scheiden," hub da Hagen an, "Eh wir beginnen zu jagen hier im Tann: So mögen wir erkennen, ich und der Herre mein, Wer die besten Jäger bei dieser Waldreise sei’n. 959 "Leute so wie Hunde, wir theilen uns darein: Dann fährt, wohin ihm lüstet, Jeglicher allein" Und wer das Beste jagte, dem sagen wir den Dank." Da weilten die Jäger bei einander nicht mehr lang. 960 Da sprach der edle Siegfried: "Der Hunde hab ich Rath Bis auf einen Bracken, der so genoßen hat, Daß er die Fährte spüre der Thiere durch den Tann. Wir kommen wohl zum Jagen!" sprach der Kriemhilde Mann. 961 Da nahm ein alter Jäger einen Spürhund hinter sich Und brachte den Herren, eh lange Zeit verstrich, Wo sie viel Wildes fanden: was des erstöbert ward, Das erjagten die Gesellen, wie heut noch guter Jäger Art. 962 Was da der Brack ersprengte, das schlug mit seiner Hand Siegfried der kühne, der Held von Niederland. Sein Ross lief so geschwinde, daß ihm nicht viel entrann: Das Lob er bei dem Jagen vor ihnen allen gewann. 963 Er war in allen Dingen mannhaft genug. Das erste der Thiere, die er zu Tode schlug, War ein starker Büffel, den traf des Helden Hand: Nicht lang darauf der Degen einen grimmen Leuen fand. 964 Als den der Hund ersprengte, schoß er ihn mit dem Bogen Und dem scharfen Pfeile, den er darauf gezogen; Der Leu lief nach dem Schuße nur dreier Sprünge lang. Seine Jagdgesellen, die sagten Siegfrieden Dank. 965 Einen Wisend schlug er wieder darnach und einen Elk, Vier starker Auer nieder und einen grimmen Schelk, So schnell trug ihn die Mähre, daß ihm nichts entsprang: Hinden und Hirsche wurden viele sein Fang. 966 Einen großen Eber trieb der Spürhund auf. Als der flüchtig wurde, da kam in schnellem Lauf Alles Jagens Meister und nahm zum Ziel ihn gleich. Anlief das Schwein im Zorne diesen Helden tugendreich. 967 Da schlug es mit dem Schwerte der Kriemhilde Mann: Das hätt ein andrer Jäger nicht so leicht gethan. Als er nun gefällt lag, fieng man den Spürhund. Seine reiche Beute wurde den Burgunden allen kund. 968 Da sprachen seine Jäger: "Kann es füglich sein, So laßt uns, Herr Siegfried, des Wilds ein Theil gedeihn: Ihr wollt uns heute leeren den Berg und auch den Tann." Darob begann zu lächeln der Degen kühn und wohlgethan. 969 Da vernahm man allenthalben Lärmen und Getos. Von Leuten und von Hunden ward der Schall so groß, Man hörte widerhallen den Berg und auch den Tann. Vierundzwanzig Meuten hatten die Jäger losgethan. 970 Da wurde viel des Wildes vom grimmen Tod ereilt. Sie wähnten es zu fügen, daß ihnen zugetheilt Der Preis des Jagens würde: das konnte nicht geschehn, Als bei der Feuerstätte der starke Siegfried ward gesehn. 971 Die Jagd war zu Ende, doch nicht so ganz und gar, Zu der Feuerstelle brachte der Jäger Schar Häute mancher Thiere und des Wilds genug. Hei! was des zur Küche des Königs Ingesinde trug! 972 Da ließ der König künden den Jägern wohlgeborn, Daß er zum Imbiß wolle; da wurde laut ins Horn Einmal gestoßen: so machten sie bekannt, Daß man den edeln Fürsten nun bei den Herbergen fand. 973 Da sprach ein Jäger Siegfrieds: "Mit eines Hornes Schall Ward uns kund gegeben, Herr, daß wir nun all Zur Herberge sollen: erwiedre ichs, das behagt." Da ward nach den Gesellen mit Blasen lange gefragt. 974 Da sprach der edle Siegfried: "Nun räumen wir den Wald." Sein Ross trug ihn eben; die Andern folgten bald. Sie ersprengten mit dem Schalle ein Waldthier fürchterlich, Einen wilden Bären; da sprach der Degen hinter sich: 975 "Ich schaff uns Jagdgesellen eine Kurzweil. Da seh ich einen Bären: den Bracken löst vom Seil. Zu den Herbergen soll mit uns der Bär: Er kann uns nicht entrinnen, und flöh er auch noch so sehr." 976 Da lös’ten sie den Bracken: der Bär sprang hindann. Da wollt ihn erreiten der Kriemhilde Mann. Er kam in eine Bergschlucht: da konnt er ihm nicht bei: Das starke Thier wähnte von den Jägern schon sich frei. 977 Da sprang von seinem Rosse der stolze Ritter gut Und begann ihm nachzulaufen. Das Thier war ohne Hut, ES konnt ihm nicht entrinnen: er fieng es allzuhand; Ohn es zu verwunden, der Degen eilig es band. 978 Kratzen oder beißen konnt es nicht den Mann. Er band es an den Sattel; auf saß der Schnelle dann Und bracht es an die Feuerstatt in seinem hohen Muth Zu einer Kurzweile, dieser Degen kühn und gut. 979 Er ritt zur Herberge in welcher Herrlichkeit! Sein Sper war gewaltig, stark dazu und breit; Eine schmucke Waffe hieng ihm herab bis auf den Sporn; Von rothem Golde führte der Held ein herrliches Horn. 980 Von beßerm Birschgewande hört ich niemals sagen. Einen Rock von schwarzem Zeuge sah man ihn tragen Und einen Hut von Zobel, der reich war genug. Hei! was edler Borten an seinem Köcher er trug! 981 Ein Vlies von einem Panther war darauf gezogen Des Wohlgeruches wegen. Auch trug er einen Bogen: Mit einer Winde must ihn ziehen an, Wer ihn spannen wollte, er hätt es selbst denn gethan. 982 Von fremden Tierhäuten war all sein Gewand, Das man von Kopf zu Füßen bunt überhangen fand. Aus dem lichten Rauchwerk zu beiden Seiten hold An dem kühnen Jägermeister schien manche Flitter von Gold. 983 Auch führt’ er Balmungen, das breite schmucke Schwert: Das war solcher Schärfe, nichts blieb unversehrt, Wenn man es schlug auf Helme: seine Schneiden waren gut. Der herrliche Jäger trug gar hoch seinen Muth. 984 Wenn ich euch der Märe ganz bescheiden soll, So war sein edler Köcher guter Pfeile voll, Mit goldenen Röhren, die Eisen händebreit. Was er traf mit Schießen, dem war das Ende nicht weit. 985 Da ritt der edle Ritter stattlich aus dem Tann. Gunthers Leute sahen, wie er ritt heran. Sie liefen ihm entgegen und hielten ihm das Ross: Da trug er an dem Sattel einen Bären stark und groß. 986 Als er vom Ross gestiegen, löst’ er ihm das Band Vom Mund und von den Füßen: die Hunde gleich zur Hand Begannen laut zu heulen, als sie den Bären sahn. Das Thier zu Walde wollte: das erschreckte manchen Mann. 987 Der Bär durch die Küche von dem Lärm gerieth: Hei! was er Küchenknechte da vom Feuer schied! Gestürzt ward mancher Keßel, verschleudert mancher Brand; Hei! was man guter Speisen in der Asche liegen fand! 988 Da sprang von den Sitzen Herr und Knecht zumal. Der Bär begann zu zürnen; der König gleich befahl Der Hunde Schar zu lösen, die an den Seilen lag; Und war es Wohl geendet, sie hätten fröhlichen Tag. 989 Mit Bogen und mit Spießen, man säumte sich nicht mehr, Liefen hin die Schnellen, wo da gieng der Bär; Doch wollte Niemand schießen, von Hunden wars zu voll. So laut war das Getöse, daß rings der Bergwald erscholl. 990 Der Bär begann zu fliehen vor der Hunde Zahl; Ihm konnte Niemand folgen als Kriemhilds Gemahl. Er erlief ihn mit dem Schwerte, zu Tod er ihn da schlug. Wieder zu dem Feuer das Gesind den Bären trug. 991 Da sprachen, die es sahen, er wär ein starker Mann. Die stolzen Jagdgesellen rief man zu Tisch heran. Auf schönem Anger saßen der Helden da genug. Hei! was man Ritterspeise vor die stolzen Jäger trug! 992 Die Schenken waren säumig, sie brachten nicht den Wein; So gut bewirthet mochten sonst Helden nimmer sein. Wären manche drunter nicht so falsch dabei, So wären wohl die Degen aller Schanden los und frei. 993 Des wurde da nicht inne der verrathne kühne Mann, Daß man solche Tücke wider sein Leben spann. Er war in höfschen Züchten alles Truges bar; Seines Todes must entgelten, dem es nie ein Frommen war. 994 Da sprach der edle Siegfried: "Mich verwundert sehr, Man trägt uns aus der Küche doch so viel daher, Was bringen uns die Schenken nicht dazu den Wein? Pflegt man so der Jäger, will ich nicht Jagdgeselle sein. 995 "Ich möcht es doch verdienen, bedächte man mich gut." Von seinem Tisch der König sprach mit falschem Muth: "Wir büßen euch ein andermal, was heut uns muß entgehn; Die Schuld liegt an Hagen, der will uns verdursten sehn." 996 Da sprach von Tronje Hagen: "Lieber Herre mein, Ich wähnte, das Birschen sollte heute sein Fern im Spechtsharte: den Wein hin sandt ich dort. Heute giebt es nichts zu trinken, doch vermeid ich es hinfort." 997 Da sprach der edle Siegfried: "Dem weiß ich wenig Dank: Man sollte sieben Lasten mit Meth und Lautertrank Mir hergesendet haben; konnte das nicht sein, So sollte man uns näher gesiedelt haben dem Rhein." 998 Da sprach von Tronje Hagen: "Ihr edeln Ritter schnell, Ich weiß hier in der Nähe einen kühlen Quelname = "note" Daß ihr mir nicht zürnet, da rath, ich hinzugehn." Der Rath war manchem Degen zu großem Leide geschehn. 999 Siegfried den Recken zwang des Durstes Noth; Den Tisch hinwegzurücken der Held alsbald gebot: Er wollte vor die Berge zu dem Brunnen gehn. Da war der Rath aus Arglist von den Degen geschehn. 1000 Man hieß das Wild auf Wagen führen in das Land, Das da verhauen hatte Siegfriedens Hand. Wer es auch sehen mochte, sprach großen Ruhm ihm nach. Hagen seine Treue sehr an Siegfrieden brach. 1001 Als sie von dannen wollten zu der Linde breit, Da sprach von Tronje Hagen: "Ich hörte jederzeit, Es könne Niemand folgen Kriemhilds Gemahl, Wenn er rennen wolle; hei! schauten wir das einmal!" 1002 Da sprach von Niederlanden der Degen kühn und gut: "Das mögt ihr wohl versuchen: wenn ihr mit mir thut Einen Wettlauf nach dem Brunnen? Soll das geschehn, So habe der gewonnen, den wir den vordersten sehn." 1003 "Wohl, laßt es uns versuchen," sprach Hagen der Degen. Da sprach der starke Siegfried: "So will ich mich legen, Verlier ich, euch zu Füßen nieder in das Gras." Als er das erhörte, wie lieb war König Gunthern das! 1004 Da sprach der kühne Degen: "Noch mehr will ich euch sagen: Gewand und Gewaffen will ich bei mir tragen, Den Wurfspieß samt dem Schilde und all mein Birschgewand." Das Schwert und den Köcher um die Glieder schnell er band.