Drei Männer im Schnee
Das erste Vorwort
(предисловие первое)
Der Millionär als künstlerisches Motiv (миллионер как художественная тема;
1. Millionäre sind aus der Mode gekommen (миллионеры вышли из моды;
Sie schreiben, man könne betresste Diener, parkähnliche Gärten und pompöse Villen nicht länger sehen (они пишут, что видеть больше не могут обшитых галунами слуг, сады, похожие на парки, и помпезные виллы;
Nun las ich neulich im Blatt, es gebe immer noch Millionäre (но вот недавно я прочел в газете, что миллионеры все еще есть;
Ich habe keine Gelegenheit, die Glaubwürdigkeit dieser Nachricht nachzuprüfen (у меня нет возможности проверить достоверность этого известия;
In England, so stand in der Zeitung, gebe es mehr als zweihundert ordnungsgemäß gemeldete Einwohner, deren jeder über mindestens eine Million Pfund Sterling verfüge (в Англии, так было написано в газете, более двухсот официально зарегистрированных жителей, из которых каждый располагает по крайней мере миллионом фунтов стерлингов;
Aus welchem Grunde sind dann aber die Millionäre aus der Mode gekommen (но по какой же тогда причине миллионеры вышли из моды;
1. Millionäre sind aus der Mode gekommen. Sogar die Filmkritiker behaupten es. Und das gibt zu denken.
Sie schreiben, man könne betresste Diener, parkähnliche Gärten und pompöse Villen nicht länger sehen. Man habe genug von echten Tizians an den Wänden, genug auch von Aktienpaketen in den Tresors — und Festlichkeiten mit mehr als zwanzig, womöglich elegant gekleideten Gästen zu zeigen, sei eine Zumutung ohnegleichen.
Nun las ich neulich im Blatt, es gebe immer noch Millionäre.
Ich habe keine Gelegenheit, die Glaubwürdigkeit dieser Nachricht nachzuprüfen. Unter meinen Bekannten befindet sich jedenfalls kein Millionär. Doch das kann Zufall sein. Es beweist noch nichts.
In England, so stand in der Zeitung, gebe es mehr als zweihundert ordnungsgemäß gemeldete Einwohner, deren jeder über mindestens eine Million Pfund Sterling verfüge. Und in anderen Ländern sei es ähnlich.
Aus welchem Grunde sind dann aber die Millionäre aus der Mode gekommen? Weshalb ist man dagegen, dass sie und ihre kostspielige Umgebung sich auf der Leinwand und im Roman widerspiegeln?
2. Ja, wenn sich's um gefährliche Wesen und um verbotene Dinge handelte, ließe sich die Abneigung verstehen (да, если бы речь шла об опасных субъектах и запретных вещах, такое нерасположение было бы понятно;
Einbrüche und Raubüberfälle sind als künstlerische Motive ebenfalls ungeeignet (кражи и бандитские нападения также не годятся в качестве художественных тем;
Aber die Millionäre? Sind sie verboten (они запрещены)? Oder sind sie gar gefährlich (или они даже опасны)? Weit gefehlt (ничего подобного;
Als ich neulich las, dass es noch immer Millionäre gebe, las ich aber auch, ihre Zahl sei im Schwinden begriffen (правда, когда я недавно прочитал, что миллионеры еще существуют, я также прочитал о том, что их число убывает;
Die Wolken schimmern rosarot, aber die Sonne versank (облака поблескивают красноватым цветом, но солнце закатилось). Sollten die Millionäre jenen Wolken gleichen (может, миллионеры похожи на те облака)? Sollten sie der Abglanz einer Zeit sein, die schon untergegangen ist (может, они отблеск времени, которое уже ушло)? Sollten sie deshalb aus der Mode gekommen sein (может, поэтому они вышли из моды)?
Um es kurz zu machen: Ich weiß es nicht (короче говоря, я не знаю;
2. Ja, wenn sich's um gefährliche Wesen und um verbotene Dinge handelte, ließe sich die Abneigung verstehen! Das Radfahren auf der verkehrten Straßenseite
beispielsweise ist gefährlich und verboten; und so wäre es in der Tat höchst unpassend, als Maler oder Schriftsteller etwas Derartiges zu wiederholen, indem man's darstellt. Das leuchtet ein.
Einbrüche und Raubüberfälle sind als künstlerische Motive ebenfalls ungeeignet. Denn auch in der Wirklichkeit sind sie, außer bei den Dieben selber, kaum erwünscht.
Aber die Millionäre? Sind sie verboten? Oder sind sie gar gefährlich? Weit gefehlt! Sie zahlen Steuern. Sie beschaffen Arbeit. Sie treiben Luxus. Sie sind wesentliche Bestandteile von Staat und Gesellschaft.
Als ich neulich las, dasses noch immer Millionäre gebe, las ich aber auch, ihre Zahl sei im Schwinden begriffen. Und vielleicht führt dieser Hinweis zu jener Antwort, die ich suche. — Sicher hat der Leser gelegentlich zum Himmel emporgesehen, während die Sonne hinterm Horizont versank. Wenige Minuten, nachdem sie untergegangen ist, beginnen plötzlich die westlichen Wolken zu glühen. Sie erröten. Einsam leuchten sie über der grauen, dämmernden Welt.
Die Wolken schimmern rosarot, aber die Sonne versank. Sollten die Millionäre jenen Wolken gleichen? Sollten sie der Abglanz einer Zeit sein, die schon untergegangen ist? Sollten sie deshalb aus der Mode gekommen sein?
Um es kurz zu machen: Ich weiß es nicht.
Das zweite Vorwort
(предисловие второе)
Der Verfasser gibt die Quellen an (издатель указывает источники;
3. Obwohl die Millionäre aus der Mode gekommen sind und obwohl ich nicht einmal genau weiß warum, ist, dessenungeachtet, die Hauptfigur dieses Buchs ein Millionär (хотя миллионеры вышли из моды и я даже не знаю почему, тем не менее главный герой этой книги — миллионер). Das ist nicht meine Schuld (это не моя вина;
Mein Freund Robert und ich fuhren vor einigen Monaten nach Bamberg, um uns den dortigen Reiter anzusehen (несколько месяцев тому назад мой друг Роберт и я поехали в Бамберг, чтобы посмотреть на тамошнего всадника;
Elfriede, eine junge Kunsthistorikerin, hatte Robert mitgeteilt, dass sie nur einen Mann heiraten werde, der den Bamberger Reiter kenne (Эльфрида, молодая искусствоведша, заявила Роберту, что выйдет замуж только за того мужчину, который знает Бамбергского всадника;
Ich hatte meinem Freunde daraufhin einen ausgezeichneten Rat gegeben (я дал своему приятелю в отношении этого отличный совет;
So fuhren wir nach Bamberg (и мы поехали в Бамберг).
(Ich möchte an dieser Stelle vorausschicken, dass sich die Kunsthistorikerin Elfriede während unsrer Abwesenheit mit einem Zahnarztverlobte (в этом месте я хочу, забегая немного вперед, сказать, что искусствоведша Эльфрида во время нашего отсутствия обручилась с каким-то зубным врачом;
In unserem Abteil saß ein älterer Herr (в нашем купе сидел пожилой господин;
3. Obwohl die Millionäre aus der Mode gekommen sind und obwohl ich nicht einmal genau weiß warum, ist, dessenungeachtet, die Hauptfigur dieses Buchs ein Millionär. Das ist nicht meine Schuld. Sondern es kam so:
Mein Freund Robert und ich fuhren vor einigen Monaten nach Bamberg, um uns den dortigen Reiter anzusehen. Den Bamberger Reiter.
Elfriede, eine junge Kunsthistorikerin, hatte Robert mitgeteilt, dasssie nur einen Mann heiraten werde, der den Bamberger Reiter kenne.
Ich hatte meinem Freunde daraufhin einen ausgezeichneten Rat gegeben. Hätte er ihn beherzigt, wären wir billiger davongekommen. Aber er war dagegen gewesen. Vor der Hochzeit dürfe man seine Frau nicht schlagen. Eine veraltete Ansicht, wie man zugeben wird. Doch er bestand darauf. Und schließlich war es seine Braut, nicht die meine.
So fuhren wir nach Bamberg.
(Ich möchte an dieser Stelle vorausschicken, dass sich die Kunsthistorikerin Elfriede während unsrer Abwesenheit mit einem Zahnarztverlobte. Er kannte den Bamberger Reiter übrigens auch nicht. Statt dessen verabfolgte er ihr eine Maulschelle. Man nennt das, glaube ich, seelische Kompensation. Daraufhin war ihm Elfriede um den Hals gefallen. So sind die Frauen. Doch das wussten wir damals noch nicht.)
In unserem Abteil saß ein älterer Herr. Er hatte Gallensteine. Man sah es ihm nicht an. Aber er sprach darüber. Er sprach überhaupt sehr viel. Und bevor er, hinter Leipzig, aufstand, um im Speisewagen eine Tasse Kaffee zu trinken, erzählte er uns haarklein jene wahre Geschichte, die den Inhalt des vorliegenden Buches bilden wird und deren Hauptfigur, es ist nicht zu ändern, ein Millionär ist.
4. Als der ältere Herr das Abteil verlassen hatte, sagte Robert (когда пожилой господин покинул купе, Роберт сказал): »Übrigens ein ausgezeichneter Stoff (между прочим, великолепный материал;
»Ich werde einen Roman daraus machen (я сделаю из него /из материала/ роман;
»Du irrst (ошибаешься)«, meinte er gelassen (спокойно сказал он). »Den Roman schreibe ich (роман напишу я).«
Wir musterten einander streng (мы сурово посмотрели друг на друга). Dann erklärte ich herrisch (затем я властно объяснил;
Nein. Das Stück möge gefälligst ich schreiben (произведение, если угодно, мог бы и я написать).
Nein. Ich verstünde nichts von Lustspielen (я ничего не понимаю: «не понимал бы» в комедиях;
Das stimme, sei aber kein Hindernis (это верно, но это не препятствие
Wir schwiegen (мы помолчали;
»Hurra!« rief ich (крикнул я;
Nun hatten wir jedoch vergessen, vorher auszumachen, was eigentlich entschieden werden solle (мы забыли, однако, перед этим условиться, что, собственно говоря, должно быть решено;
»Wir wiederholen das Experiment (мы повторим эксперимент)«, schlug ich vor (предложил я;
»Diesmal nehme ich Zahl (на этот раз я выбираю цифру = решку)«, sagte Robert. (Er hat seine Schattenseiten (у него свои слабые стороны;
Ich warf den Groschen hoch (я подбросил грош = монету). Er fiel zu Boden (она упала на пол;
Robert blickte tieftraurig zum Fenster hinaus (Роберт с глубокой грустью посмотрел в окно;
Nun kam der ältere Herr mit den Gallensteinen wieder ins Abteil (тут в купе снова вернулся пожилой господин с желчными камнями). »Eine Frage, mein Herr (один вопрос, господин)«, sagte ich. »Wollen Sie die Geschichte von dem Millionär künstlerisch gestalten (Вы собираетесь оформить историю о миллионере художественно;
Er antwortete, er sei Geflügelhändler (он ответил, что торгует домашней птицей: «что он торговец домашней птицей»;
Dann wollten wir es für ihn tun, erklärten wir (тогда мы сделаем это за него, заявили мы).
Er bedankte sich (он поблагодарил /нас/). Später fragte er, ob wir es ihm gestatteten, die Geschichte nach wie vor in Eisenbahnkupees zu erzählen (позже он спросил, разрешаем ли мы ему рассказывать, как и прежде, эту историю в железнодорожных купе = попутчикам в вагоне;
Ich sagte: »Wir gestatten es (мы разрешаем).«
Er bedankte sich noch einmal (он поблагодарил еще раз). An der nächsten Station stieg er aus (на следующей станции он вышел;
4. Als der ältere Herr das Abteil verlassen hatte, sagte Robert: »Übrigens ein ausgezeichneter Stoff.«
»Ich werde einen Roman daraus machen«, entgegnete ich.
»Du irrst«, meinte er gelassen. »Den Roman schreibe ich.«
Wir musterten einander streng. Dann erklärte ich herrisch: »Ich mache einen Roman daraus, und du ein Theaterstück. Der Stoff eignet sich für beide Zwecke. Außerdem ist ein Lustspiel höchstens halb so umfangreich wie ein Roman. Du siehst, ich will dir wohl.«
Nein. Das Stück möge gefälligst ich schreiben.
Nein. Ich verstünde nichts von Lustspielen.
Das stimme, sei aber kein Hindernis.
Wir schwiegen. Dann sagte mein Freund Robert: »Wir werden einen Groschen hochwerfen. Ich nehme Wappen.« Er warf die Münze hoch. Sie fiel auf die Bank.
»Hurra!« rief ich. »Zahl!«
Nun hatten wir jedoch vergessen, vorher auszumachen, was eigentlich entschieden werden solle.
»Wir wiederholen das Experiment«, schlug ich vor. »Wer gewinnt, schreibt den Roman.«
»Diesmal nehme ich Zahl«, sagte Robert. (Er hat seine Schattenseiten.)
Ich warf den Groschen hoch. Er fiel zu Boden. »Hurra!« rief ich. »Wappen!«
Robert blickte tieftraurig zum Fenster hinaus. »Ich muss ein Lustspiel schreiben«, murmelte er. Er tat mir fast Leid.
Nun kam der ältere Herr mit den Gallensteinen wieder ins Abteil. »Eine Frage, mein Herr«, sagte ich. »Wollen Sie die Geschichte von dem Millionär künstlerisch gestalten? Was sind Sie von Beruf?«
Er antwortete, er sei Geflügelhändler. Und er denke nicht daran, Bücher oder Stücke zu verfassen. Möglicherweise könne er's gar nicht.
Dann wollten wir es für ihn tun, erklärten wir.
Er bedankte sich. Später fragte er, ob wir es ihm gestatteten, die Geschichte nach wie vor in Eisenbahnkupees zu erzählen.
Ich sagte: »Wir gestatten es.«
Er bedankte sich noch einmal. An der nächsten Station stieg er aus. Er winkte uns nach.
5. Nachdem wir den Bamberger Reiter eingehend besichtigt hatten, kehrten wir nach Berlin zurück (после того, как мы тщательно осмотрели Бамбергского всадника, мы возвратились в Берлин). Die Kunsthistorikerin Elfriede stand am Anhalter Bahnhof und stellte uns ihren neuen Bräutigam vor (искусствоведша Эльфрида стояла на Ангальтском вокзале и представила нам своего нового жениха;
Wir drei Männer stiegen in eine unterirdische Weinkneipe, und nach vier Stunden hatten wir zahlreiche Zacken in der Krone (мы втроем спустились в подземный винный погребок и часа через четыре изрядно захмелели: «в короне у нас было много зубцов»;